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„Multiple Krisen“

Hilfe für Innenstädte in der Ortenau: Jetzt ist Achern an der Reihe

Den Innenstädten geht es nicht gut, und das liegt nicht nur an Corona. Aus vielerlei Gründen ist der Handel unter Druck geraten. Nicht nur die Stadt Achern bekommt jetzt Hilfe von der Industrie- und Handelskammer.

Ein Mann geht mit Einkaufstüten durch die Innenstadt.
„Multiple Krisen“ diagnostiziert die Industrie und Handelskammer und sie will mit Rat und Tat helfen. Foto: Markus Scholz/dpa/Symbolbild

Lebendige Innenstädte, belebte Straßen – ein Thema, um das man sich vor zwei oder drei Jahrzehnten nicht wirklich Gedanken gemacht hätte. Inzwischen steht es ganz oben auf der Tagesordnung. Nicht erst seit dem Corona-Lockdown und steigenden Energiepreisen.

Wie können die Kommunen ihre Zentren beleben, was können sie selbst tun und wo andere unterstützen? In einem Modellprojekt berät die Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein in den kommenden zwei Jahren ein Dutzend Städte. Im Sommer ist Achern an der Reihe, Oberkirch hat das Programm gerade erfolgreich hinter sich gebracht. Auf dem Tisch liegt dort ein Masterplan mit 37 Einzelprojekten, griffbereit für den neuen Oberbürgermeister.

„Das Thema Digitalisierung steht dabei ganz oben“, sagt die Oberkircher Wirtschaftsförderin Nadine Klasen. Doch die Umsetzung erfordert Aufwand, auch über die üblichen Geschäftszeiten hinaus. „Sich neben der Arbeit noch ehrenamtlich zu engagieren, ist heute nicht mehr selbstverständlich. Das braucht man aber, um die Projekte weiterzuführen“, so Klasen.

Rückstau bei Digitalisierung

Vielen Innenstädten geht es nicht gut, macht Alwin Wagner in einem Pressegespräch deutlich. Neben den Folgen von Corona und der Energiekrise müssen sie auch Probleme bewältigen, die es schon viel länger gibt, sagt der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der IHK.

Zum Beispiel das Problem, dass immer weniger Menschen in die Innenstädte kommen, den Rückstau bei der Digitalisierung vieler Betriebe, Fachkräftemangel und die Probleme bei der Suche nach einem Betriebsnachfolger, leer stehende Gewerbeimmobilien und die vielfältigen Folgen des Klimawandels.

Eine Fülle von Problemen

„Wir reden von multiplen Krisen“, sagt Alwin Wagner. All dies setzt die Städte, nicht nur den dort existierenden Handel, unter Druck. Wagner beschreibt dies alles als Gemeinschaftsaufgabe, die oftmals nicht mehr angepackt werde: Da gehe es nicht nur um Feste, die nicht mehr stattfinden, sondern auch um „die Herausforderung, sich über das normale Maß hinaus für die Innenstädte einzusetzen“.

Einen Anstoß will das Land geben. Es fördert die Aktion mit mehr als 200.000 Euro. An Kandidaten mangelt es nicht. Mehr als 30 Städte haben im Kammergebiet die erforderliche Größenordnung zwischen 10.000 und 50.000 Einwohner.

Wir müssen ein Flächenmanagement entwickeln.
Thomas Kaiser, Innenstadtberater

In einer ersten Tranche waren beispielsweise Haslach, Ettenheim, Oberkirch und Kehl an der Reihe, jetzt folgen unter anderem Achern, Wolfach und Friesenheim. In Achern geht es im Sommer los, der Zeitplan steht bereits, sagt Thomas Kaiser, Innenstadtberater bei der IHK.

Kaiser sieht die Zentren der Städte in einem Strukturwandel. In der Vergangenheit sei immer der Handel das Zugpferd für die Städte gewesen. Doch die Dinge haben sich geändert. In Kehl beispielsweise sorgt der Handel nur noch für 42 Prozent der Kundenfrequenz, in Neustadt, namensgebender Teil von Titisee-Neustadt, sind es sogar nur noch 21 Prozent.

Kaiser sieht daher andere Ansätze, setzt auf Service und Verwaltung. Zum Beispiel mit der Sanierung des Sparkassengebäudes in Achern nach Fertigstellung des Marktplatzes, oder auch der Ansiedlung eines Ärztezentrums oder kommunaler Einrichtungen im Zentrum. „Wir müssen ein Flächenmanagement entwickeln, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist.“ Das heißt: Die Aufenthaltsqualität, der Service oder auch die politische Haltung einer Stadt seien Dinge, die immer wichtiger werden, weil nur so das Gesamtpaket funktioniert.

Die Kommunen werden zum Start der sechsmonatigen Beratung erst einmal mit einem „Stadtspaziergang“ unter die Lupe genommen, die Teilnehmer spielen Rollen, aus deren Perspektive sie die Zentren betrachten – beispielsweise die Mutter mit Kinderwagen oder auch den Touristen, der auf dem Campingplatz übernachtet. Aus diesem Blickwinkel werden erste Probleme aufgezeigt, vom vollen Mülleimer bis zum hässlichen Blumentopf. Da kommen schnell mal um die hundert Punkte zusammen, die gleich erledigt werden können, sagt Kaiser.

Am Ende stehen viele Ideen, in Oberkirch beispielsweise vier zentrale Vorhaben, die nun neben anderen umgesetzt werden sollen: die Wiederbelebung des Marktes in der Innenstadt, ein Imagefilm, ein digitales Schaufenster der Stadt und die Erweiterung des Gutscheinsystems.

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