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Beim Veterinäramt angezeigt

Vorwurf sorgt für Wirbel im Netz: Hof-Inhaber soll zwei Rehkitze in Ottenhöfen als Besuchermagnet missbrauchen

Unbekannte haben den Basgarde-Hof in Ottenhöfen wegen der Haltung von zwei Rehkitzen beim Veterinäramt des Ortenaukreises gemeldet - der Inhaber macht seinem Ärger im Internet Luft und löst damit eine Welle an entrüsteten Reaktionen aus.

Rehkitz
Vorsichtig zutraulich: Das schon stärkere der beiden Rehkitze auf dem Basgarde-Hof von Michael Thoma ist tagsüber im Stall und nachts im Haus untergebracht. Foto: Stefanie Prinz

Zwei kleine „Bambis“, die seit Kurzem auf dem Ottenhöfener Basgarde-Hof untergebracht sind, und eine anonyme Meldung beim Veterinäramt schlagen in den sozialen Netzwerken hohe Wellen. In einem Facebook-Video (siehe Einbettung am Ende des Beitrags) macht Hof-Inhaber Michael Thoma seinem Unmut Luft.

Das Video wurde innerhalb von drei Tagen mehr als 2.500-mal geteilt, die Nutzer reagieren mit entsetzten Kommentaren. Was war passiert? Beim Veterinäramt im Landratsamt des Ortenaukreises war eine Meldung eingegangen, dass auf dem Hof Rehkitze gehalten werden.

Irgendeine Person meint, ich hätte die zwei Rehkitze einer Wiese entrissen, einfach nur für Werbezwecke.
Michael Thoma, Inhaber Ottenhöfener Basgarde-Hof

Eine Mitarbeiterin des Amtes fuhr nach Ottenhöfen, um den Fall zu begutachten. „Das Amt darf natürlich jederzeit zu uns kommen“, sagt Michael Thoma, „aber da hat mich fast der Schlag getroffen: Irgendeine Person meint, ich hätte die zwei Rehkitze einer Wiese entrissen, einfach nur für Werbezwecke, damit mehr Leute auf den Hof kommen, weil sie die Tiere sehen wollen“.

Hintergrund: Jagdbare Wildtiere aus der Natur mitzunehmen, ob lebendig oder tot, ist grundsätzlich verboten und bedeutet Jagdwilderei.

Tatsächlich habe die Veterinärin vor Ort nichts zu beanstanden gehabt, wie das Landratsamt auf Anfrage der Redaktion mitteilt: Zum einen entspreche die Haltung den tierschutzrechtlichen Anforderungen, zum anderen seien beide Jungtiere von einem Jagdpächter und einer Jägerin zu dem Hof gebracht wurden, da in beiden Fällen die Muttertiere tödlich verunglückt seien.

Die Kitze hätten ohne die Hilfe dieser „Wildtier-Auffangstation“ keinerlei Überlebenschancen, heißt es in einer E-Mail der beteiligten Jäger an den Hof, die Thoma in dem Video vorliest: „Verwaiste oder verletzte Wildtiere, meist Rehkitze, werden dort fachlich und artgerecht aufgepäppelt und auf die Auswilderung vorbereitet.“ Zudem sei das fast stündliche Betreuen der Jungtiere ein erheblicher Aufwand.

Jäger baten um Hilfe für die Rehkitze

Dass sich die Jägervereinigung Kinzigtal – von dort stammt eines der zwei Kitze – nach dem Vorfall hinter den Hof gestellt hat, wird auch auf Anfrage bestätigt: In diesem Fall gehe es nicht um Jagdwilderei, sondern die Jäger hätten umgekehrt um Hilfe gebeten.

Beide Tiere sind verwaist; im zweiten Fall hatten Jäger nicht weit vom Hof entfernt eine tote Ricke entdeckt, die sich beim Sprung auf eine Straße das Rückgrat gebrochen hatte. Nach nervenaufreibender Suche im hohen Gras, wo die Jungen üblicherweise regungslos warten (siehe Hintergrundkasten), fand man ihr Junges.

Ziegenmilch zum Füttern wurde besorgt und Pappkartons mit Stroh hergerichtet, in denen beide nun im Haus „übernachten“. Das inzwischen stärkere der beiden Kitze wird tagsüber in einem Gehege im offenen Stall untergebracht, das andere bleibt vorerst im Haus.

Wildtiere sollen wieder in den Wald entlassen werden

Sobald die Tiere groß genug sind, sollen sie wieder in den Wald entlassen werden, was nicht immer funktioniere: „Wahrscheinlich werden sie erst immer wieder zum Hof zurückkehren, aber irgendwann werden hoffentlich die Abstände kürzer, bis sie gar nicht mehr wiederkommen“, sagt Thoma.

Schon seit einigen Jahren werden hin und wieder, wenn das nötig ist, Jungtiere mit der Flasche auf dem Hof groß gezogen, auf dem die Familie 2010 bei „null“ angefangen habe und der heute rund 75 Tiere vom Lama bis zum Hängebauchschwein beherbergt. Die bisherigen „Flaschenkinder“ waren allerdings Schafe und Rinder; die Rehkitze sind die ersten Wildtiere.

Hintergrund: Scheinbar verlassene Rehkitze dürfen nicht einfach eingesammelt und mitgenommen werden – in dieser Geschichte waren allerdings nachweislich beide Mütter tödlich verunglückt, sodass die Tiere sonst wohl nicht überlebt hätten. Im hohen Gras versteckt, bewegen sich die jungen Rehe nicht – deshalb fallen sie mitunter Landmaschinen zum Opfer. Zudem sind die Tiere geruchlos; beides soll verhindern, dass Fraßfeinde wie Füchse aufmerksam werden, heißt es dazu aus dem Landratsamt. Wer junge Rehe entdeckt, sollte sie daher auch nicht anfassen: Nimmt ein Jungtier den Geruch von Menschen an, verstößt die Ricke es. In den meisten Fällen sind die Jungen auch nicht „verlassen“ und hilflos, denn die Muttertiere zeigen sich höchstens eine Stunde am Tag bei den Kitzen, um sie zu säugen.

Als „Stein des Anstoßes“ für die Amtsmeldung hat Thoma zwei Vermutungen: entweder ein Foto, ebenfalls veröffentlicht auf Facebook, auf dem er mit den Rehen auf dem Arm zu sehen ist, oder ein Fest an Fronleichnam, als er sie den anwesenden Kindern gezeigt habe, damit diese nicht von sich aus immer wieder zu den Kitzen gehen und so stören.

Meldungen wie in diesem Fall zu prüfen, sei Aufgabe des Veterinäramts und entspreche dem üblichen Vorgehen, heißt es weiter aus dem Landratsamt. Auch wenn die Geschichte für den Basgarde-Hof keine weiteren Konsequenzen nach sich zieht, hat sie Michael Thoma so erschüttert, dass er über eine „Gegenanzeige“ nachdenkt, sollte er den Urheber ausfindig machen.

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