Skip to main content

Zweiter Komplize vor Gericht

Erneut fünf Jahre und drei Monate Haft nach einem Überfall auf ein Wettbüro in Kehl

Sein Komplize ist bereits seit Januar verurteilt, nun ist auch der Prozess gegen einen 34-jährigen Straßburger zu Ende gegangen. Ein Arzt konnte eine verminderte Schuldfähigkeit nicht ausschließen – der Angeklagte war während der Tat sehr betrunken.

Zwei Bundespolizisten stehen in Kehl am Trambahnhalt am Bahnhof
Tatort in Nähe des Trambahn-Halts: Polizei und Justiz schnappten durch grenzüberschreitende Kooperation auch den zweiten Tatverdächtigen des Überfalls auf ein Wettbüro am Bahnhof. Foto: Jörg Seiler

Im aufsehenerregenden Kehler Raubüberfall auf ein Kehler Wettbüro vom 11. August 2022 ist nun auch der zweite Komplize von der Großen Strafkammer des Landgerichtes Offenburg verurteilt worden.

Mit fünf Jahren und drei Monaten Haft erhielt der erheblich vorbestrafte Mann die gleiche Strafe wie sein jüngerer Komplize. Dieser war bereits am 27. Januar wegen der gemeinsam begangenen Straftat vom Landgericht Offenburg verurteilt worden.

Warum zwei getrennte Strafprozesse? Der Angeklagte, ein 34-jähriger Bäcker aus Straßburg, hatte mit seinem 23-jährigen Komplizen den Plan gefasst, zu später Stunde des 11. August 2022 bewaffnet ein Wettbüro am Kehler Bahnhof zu überfallen.

Die beiden französischen Staatsangehörigen betraten das Wettbüro und gaben mit einem silbernen Revolver fünf Warnschüsse ab und bedrohten einen Angestellten direkt mit der Waffe. Sie forderten Geld aus der Kasse und dem Tresor und verschwanden unerkannt auf einem Motorrad über die Grenze.

Zunächst war dem Angeklagten nach der Tat die Flucht gelungen

Die Beute betrug 11.043 Euro. Motiv des Raubes waren Schulden aus dem privaten Bereich und dem Pokerspiel. Während sein jüngerer Mittäter nach einem weiteren Überfall gefasst werden konnte, gelang dem Angeklagten zunächst die Flucht.

Schließlich wurde er aufgrund eines Europäischen Haftbefehls in Frankreich gefasst werden und wurde im März 2023 den deutschen Justizbehörden überstellt.

Der Haftbefehl richtete sich aber auf seinen Bruder, den man zunächst anhand der Videoaufnahmen im Wettbüro als den eigentlichen Mittäter vermutete. Um seinen Bruder nicht zu belasten, hatte sich der Angeklagte daraufhin selbst den Behörden gestellt, wie die Staatsanwaltschaft erläuterte. Er hatte ein umfassendes Geständnis abgegeben.

Der Angeklagte war zum Tatzeitpunkt stark alkoholisiert und stand unter Drogen. Aufgrund dieses Zustandes haben die beiden Täter den ursprünglichen gefassten Ablauf der Tat geändert.

Der alkoholisierte Angeklagte gab fünf Warnschüsse mit einer scharf geladenen Pistole ab und hielt diese dem Kassierer des Wettbüros auch vor seinen Kopf. Nach dem Überfall sei er alkoholbedingt nicht mehr in der Lage gewesen, das Fluchtmotorrad zu steuern.

34-Jähriger aus Straßburg soll bei der Tat in Kehl stark alkoholisiert gewesen sein

Rechtsmediziner Markus Große Perdekamp vom Universitätsklinikum Freiburg ermittelte anhand des vom Angeklagten angegebenen Alkoholkonsums einen Blutalkoholgehalt zum Tatzeitpunkt von mindestens 2,06 Promille, bis möglicherweise 4,00 Promille.

Hinzu komme der Drogeneinfluss durch den starken Cannabiskonsum unmittelbar vor der Tat. Für das Gericht ergab sich hieraus die Frage, inwieweit eine verminderte Schuldfähigkeit unter diesem Einfluss angezeigt ist und ob die Voraussetzungen für eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gegeben sind.

Der Rechtsmediziner wie auch die Psychologin Milena Breit vom Zentrum für Psychiatrie Emmendingen, hatten in ihren Gutachten Antworten zu diesen Fragen. Große Perdekamp spricht von einer alkoholbedingten Enthemmung und einer nicht auszuschließenden verminderten Schuldfähigkeit.

Der Arzt zählte aber Beispiele aus dem Tathergang auf, die nicht auf eine Aufhebung der Steuerungsfähigkeit hinführen.

Der Mann hat eine ausgeprägte dissoziale Persönlichkeitsstörung.
Milena Breit
Psychologin

Aus psychologischer Sicht ging Milena Breit auf das Konsumverhalten von Alkohol und Drogen des Angeklagten ein. „Das Suchtpotenzial ist nicht so ausgeprägt, dass die Voraussetzungen einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gegeben sind. Der Mann hat eine ausgeprägte dissoziale Persönlichkeitsstörung“, so die Psychologin.

Die Strafanträge von Staatsanwalt Heiko Baumert und der Verteidigerin Simone Hogenmüller wichen erheblich voneinander ab. Der Ankläger sah den Regelstrafrahmen von fünf bis 15 Jahren Haft gegeben und forderte unter Einbeziehung strafmildernder Umstände eine Haftstrafe im unteren Bereich von fünf Jahren und sechs Monaten.

Verteidigerin Simone Hogenmüller stellte die Tat „als einen noch minderschweren Fall“ dar. Die verminderte, alkoholbedingte Schuldfähigkeit, wie auch eine lange Haft des Familienvaters in seinen besten Jahren sollen ihrem Mandanten erspart bleiben. Ihr Antrag: maximal drei Jahre Haft.

Die Große Strafkammer unter Vorsitz von Matthias Eckelt verhängte gegen den 34-Jährigen die gleiche Strafe wie gegen seinen Komplizen mit fünf Jahren und drei Monaten Haft.

Die Skrupellosigkeit mit dem Schusswaffengebrauch bei der Tatausführung, wie auch die hohe kriminelle Energie des Angeklagten böten keinen Ansatz für einen minderschweren Fall, so der Richter.

Er begründete das umfassende Geständnis, die gute Mitwirkung während des Prozesses, den enthemmenden Einfluss der Suchtmittel und die familiäre Situation als mitentscheidend, dass das Strafmaß sich im unteren Bereich des Regelstrafrahmens bewege.

nach oben Zurück zum Seitenanfang