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Putsch geplant?

Wolfgang Schäuble in seinen Memoiren: Stoiber wollte mich dazu bewegen, Merkel zu stürzen

Schon vor seinem Tod deutete Wolfgang Schäuble an, dass jemand die frühere Bundeskanzlerin stürzen wollte. Jetzt taucht ein Name auf.

Der frühere bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) und die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) unterhalten sich 2011 in München vor dem Empfang zu Stoibers 70. Geburtstag im Garten des Prinzregententheaters.
Edmund Stoiber soll auch Horst Seehofer in dessen Attacken gegen Angela Merkel angeheizt haben. Foto: Marc Müller/dpa/Archiv

Der Ende 2023 verstorbene CDU-Politiker Wolfgang Schäuble ist einem Medienbericht zufolge während der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 vom früheren CSU-Chef Edmund Stoiber dazu gedrängt worden, die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Flüchtlingskrise zu stürzen. Das geht laut Vorabmeldung des Magazins „stern“ vom Mittwoch aus Schäubles Memoiren hervor.

Und mich wollte er dazu bewegen, Merkel zu stürzen, um selbst Kanzler zu werden.
Wolfgang Schäuble
in seinen Memoiren

Dem Bericht zufolge nennt Schäuble darin erstmals einen Namen in Verbindung mit Umsturzplänen während der Flüchtlingskrise 2015. Stoiber sei aktiv geworden „und feuerte (Horst) Seehofer, seinen Nach-Nachfolger im Ministerpräsidentenamt, in dessen Attacken gegen Merkel an“, heißt es dem Bericht zufolge in Schäubles noch unveröffentlichten Memoiren über die Spannungen innerhalb der Union. „Und mich wollte er dazu bewegen, Merkel zu stürzen, um selbst Kanzler zu werden.“

Stoiber war von 1993 bis 2007 bayerischer Ministerpräsident und von 1999 bis 2007 Vorsitzender der CSU. In der Flüchtlingskrise äußerte er wiederholt Kritik an Merkels Kurs. 

Stoiber will Darstellung nicht kommentieren

Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur in München erklärte Stoiber, er wolle die Darstellung Schäubles nicht kommentieren: Er habe nur mit wenigen Kollegen in seinem Leben so viele persönliche und vertrauliche Gespräche geführt, „wie mit meinem langjährigen und eng verbundenen Kollegen Wolfgang Schäuble“.

„Berichte darüber habe ich niemals kommentiert und das gilt für mich natürlich auch heute nach seinem Tod weiter.“

Seehofer sagte der „Augsburger Allgemeinen“, er habe nichts von angeblichen Versuchen Stoibers mitbekommen, Merkel zu stürzen. „Edmund Stoiber hat mit mir nie über eine Ablösung von Angela Merkel gesprochen – auch weil völlig klar war, dass er mich für so einen Weg nie hätte gewinnen können.“

Sollte es den in Schäubles Memoiren geschilderten Vorstoß Stoibers gegeben haben, sei dies ohne sein Wissen geschehen. Dass Stoiber ein massiver Kritiker des Kurses von Kanzlerin Merkel in der Flüchtlingsfrage war, sei aber allgemein bekannt gewesen, sagte Seehofer.

In den vom „Stern“ veröffentlichten Passagen bekräftigt der im Dezember gestorbene Schäuble seine grundsätzliche Unterstützung für Merkels Entscheidung, im Herbst 2015 die deutschen Grenzen für Flüchtlinge offen zu halten, äußerte aber auch Kritik an ihrem Vorgehen.

„Als die Kanzlerin am 4. September 2015 die im Rückblick für diese Krise zentrale Entscheidung traf, die Grenzen angesichts der katastrophalen Zustände am Bahnhof von Budapest, wo Flüchtlinge zu Tausenden gestrandet waren, weiterhin offen zu halten, fand ich dies aus humanitären und europapolitischen Gründen richtig“, schreibt er. Damals war Schäuble Finanzminister in Merkels Kabinett.

Wolfgang Schäuble will Stoibers Verhalten entschieden abgelehnt haben

Stoibers Verhalten unterstützte Schäuble zu keiner Zeit. „Ich lehnte das entschieden ab. Wie Jahrzehnte zuvor bei (Helmut) Kohl blieb ich bei meiner Überzeugung, dass der Sturz der eigenen Kanzlerin unserer Partei langfristig nur schaden könnte, ohne das Problem wirklich zu lösen“, heißt es laut „stern“ weiter in den Memoiren von Schäuble. Das sei sein Verständnis von Loyalität gewesen.

Schäuble hatte dem Bericht zufolge bereits im Dezember 2022 in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“ von Überlegungen berichtet, Merkel zu stürzen, aber keine Namen genannt.

In seinen Erinnerungen heißt es laut „stern": „Die ganze Debatte amüsierte mich fast ein wenig, weil ich ja mein Alter kannte, seit mehr als einem Vierteljahrhundert querschnittsgelähmt war und insgesamt eine angeschlagene Gesundheit hatte.“

Weiter heißt es: Schäuble habe Merkel nach Kräften unterstützt und auch ihren Satz „Wir schaffen das“ habe er richtig gefunden. „Das waren starke Statements. Sie hätten eben nur von einer Vielzahl weiterer Maßnahmen und Anstrengungen begleitet werden müssen, um zu verdeutlichen, dass diese einmalige Notmaßnahme unwiederholbar war.“

Schäuble-Buch „Erinnerungen. Mein Leben in der Politik“ erscheint kommende Woche

Im Unterschied zur Kanzlerin habe er es für richtig gehalten, „den Bürgerinnen und Bürgern reinen Wein einzuschenken und klarzumachen, dass der Einsatz für die Flüchtlinge eben auch mit Kosten und Opfern verbunden ist“. Er sei gelegentlich frustriert darüber gewesen, „dass Merkel in mancherlei Hinsicht beratungsresistent blieb. Nach meiner Einschätzung hätte sie ganz andere Möglichkeiten gehabt, um wirklich politisch zu führen und nicht nur zu reagieren“.

Das Schäuble-Buch „Erinnerungen. Mein Leben in der Politik“ erscheint kommende Woche. Der CDU-Politiker war am zweiten Weihnachtstag im Alter von 81 Jahren gestorben. Schäuble war in seiner langen politischen Karriere Kanzleramtschef, Bundesinnen- und Finanzminister, CDU-Vorsitzender und Bundestagspräsident gewesen.

Zuletzt war er einfacher Abgeordneter im Bundestag, dem er 51 Jahre lang angehörte – so lange wie kein anderer Abgeordneter in der deutschen Parlamentsgeschichte. Er wurde in seiner Heimatstadt Offenburg beigesetzt.

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