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Mut und Optimismus

Olga Linik spricht in Renchen über ihre vom Krieg gebeutelten ukrainischen Heimat

Olga Linik kommt aus der Ukraine und sammelt in Deutschland Spenden. Im Gespräch mit der Redaktion berichtet sie aus der Heimat.

Olga Linik
Olga Linik vor dem Grimmelshausen-Brunnen in Renchen. Die Unternehmerin stellt Gesichtsprothesen aus Metall für verletzte Soldaten her. Foto: Susanne Abels

Dnipro ist eine Industriestadt in der südöstlichen Ukraine. Im Internet ist zu lesen, dass sie fast eine Million Einwohner hat, von denen 90 Prozent russisch sprechen, etwa 40 Prozent auch ukrainisch.

Die Kampfgebiete im Süden und Osten der Ukraine sind nur circa 200 Kilometer entfernt – das ist ungefähr die Entfernung zu Frankfurt. Das Bild, dass in Frankfurt Bomben fielen, Panzer rollten und Soldaten um Straßenzüge kämpften, Menschen um ihr Leben rennen, sprengt die Vorstellungskraft: Zu irreal erscheint das Szenario.

Aus dieser Stadt Dnipro kommt Olga Linik, mit der im Grimmelshausenmuseum in Renchen das Gespräch stattfindet, eine halbe Stunde vor ihrem Auftritt. Sie wird einen Vortrag über die Lage in ihrem Land und in ihrer Stadt halten und ukrainische Lieder singen.

Olga Linik erzählt über Hilfsprojekte und medizinische Unterstützung

Die Begegnung verläuft anders als zu erwarten oder zu befürchten war. Es erscheint keine vom Krieg oder von Angst gezeichnete Frau, sondern Olga Linik ist eine sommerlich gekleidete, lebhafte und überraschend fröhliche junge Frau.

Die Ankunft in einer bunten, lachenden Gruppe, die Fotos vom Grimmelshausen-Brunnen schießt – es sind ihre Schwester mit Familie und ihre kleine Tochter: Die Bahnfahrt hat nicht geklappt: „Wissen Sie, die deutschen Fahrpläne.“ Da haben sich alle kurzerhand ins Auto gesetzt und sind von Ludwigshafen hergefahren.

Dann die herzliche Begrüßung mit deutschen und ukrainischen Bekannten, dann schnell, schnell umziehen für den Auftritt, dann ist das Interview dran.

Olga Linik fängt gleich an zu erzählen, über ihre Hilfsprojekte, Musikevents für behinderte Kinder, medizinische Hilfe für Geflüchtete aus den Kampfgebieten und Hilfe bei der Ausreise von Frauen und Kindern, die sie mithilfe des Rotary-Clubs Offenburg organisiert, über die Umstrukturierung ihrer Firma – die 3D-Drucker stellen nun Gesichtsprothesen aus Metall für verletzte Soldaten her – all das sprudelt aus ihr heraus.

Wie geht es ihr selbst dabei? Die Aktivitäten und der Kontakt zu vielen anderen Gleichgesinnten hier bei uns und in ihrer Heimat helfen ihr, sagt sie, „sonst müsste ich immer weinen“. Dann ist sie schnell wieder bei ihrer Arbeit.

Ihre kleine Tochter kommt angelaufen, fragt etwas und wird auf die Tante verwiesen. Wird sie mit Yaryna – nach ihr hat sie ihre Hilfsorganisation benannt – in Dnipro bleiben?

Die Antwort kommt ohne Zögern: Sie wird bleiben. Dnipro ist zurzeit kein Kampfplatz, aber immer wieder schlagen Raketen ein, und die Menschen müssen in die Luftschutzkeller flüchten. Das sei eine große Gefahr und eine psychische Belastung, auch für die Kinder.

Yaryna geht in die erste Klasse. Unterricht findet statt, sei nur in den ersten zwei Kriegswochen ausgefallen. Wenn die Schulen keine Schutzräume hätten, finde Online-Unterricht statt. Das scheint bemerkenswert. Lernen und Bildung haben offensichtlich auch in Zeiten des Krieges einen so hohen Stellenwert, dass an Aussetzen nicht gedacht wird.

Ukrainerin möchte Dinge für ihr Land erreichen

Im Laufe des Gesprächs wird immer deutlicher, dass Olga Linik nicht über sich selbst sprechen möchte. Wichtig ist ihr, was sie für ihr Land erreichen möchte. Auf Nachfrage ist trotzdem ein wenig über ihre Familie zu erfahren: Ihre Schwester wohnt seit Kriegsbeginn im Februar in Ludwigshafen, da sie im unmittelbaren Kampfgebiet zu Hause war.

Die Eltern, beide Ärzte, leben im nun russisch besetzten Teil des Landes. Sie haben fast täglich telefonisch oder über mobile Nachrichten Kontakt miteinander. Dann wechselt Olga Linik schnell wieder das Thema.

Am Schluss noch die Frage nach dem Verhältnis zur russischen Sprache, gerade in ihrer Stadt: Es wird aus Olga Liniks Antwort deutlich, dass vor allem gebildetere Ukrainer national denken und für eine unabhängige, westlich orientierte Ukraine einstehen.

Die, die unsere Kinder vergewaltigen und töten, die hasse ich.
Olga Linik, Ukrainerin

Nach ihrer Wahrnehmung sind es die seit dem Zarenreich und der Sowjetzeit armen Bevölkerungsschichten, die keinen Zugang zu Bildung haben, die weiter russisch sprechen, und die einfach nur (über-)leben wollen, gleich unter wessen Herrschaft.

Und das Verhältnis zu Menschen aus Russland? Hier in Deutschland, auch in der Ortenau, leben viele Menschen russischer Herkunft. Ja, sagt Olga Linik, man darf keine Unterschiede machen, alle Menschen sind gleich. „Aber die, die unsere Kinder vergewaltigen und töten, die hasse ich.“ Ein friedliches Zusammenleben mit dem Nachbarland Russland kann sie sich nur in einer freien und unabhängigen Ukraine vorstellen.

Es folgt ein Foto für die Presse, dann umarmt sie noch ein paar Besucher und wirbelt zum Einsingen in den Saal zu ihrem Klavierbegleiter – es bleibt das Staunen darüber, mit welcher Tatkraft, welchem Mut und Optimismus diese junge Frau sich dem Krieg entgegenstemmt. Vielleicht passt ihr Besuch gerade besonders gut zu Renchen:

Auch Grimmelshausen erlebte ja einen der schrecklichsten Kriege, die in Europa stattfanden, und auch er hat mit seinem Roman ein Mahnmal gegen Gewalt und für das Leben in Frieden gesetzt.

Spenden

Wer spenden möchte, kann sich an den Sozialverein des Rotary Clubs Offenburg-Ortenau wenden.

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