Skip to main content

Sommerrätsel 2022 - Auflösung 4

In der Rolle des Boten: Das Myzel plaudert mit den Bäumen

Im Teil vier des BNN-Sommerrätsels zum Thema „Geheimnisvolle Schätze“ ging es um das Myzel aus dem Nationalparkzentrum Ruhestein. Das Pilzgeflecht ist ein großer Kommunikator.

Modell eines Myzels im Nationalparkzentrum Ruhestein
Die Besucher des Nationalparkzentrums Ruhestein dringen in das Reich der Pilze vor. Sie gehen durch deren Geflecht. Foto: Petra Hirschel

Auf den Mund gefallen – das ist das Myzel nicht. Im Gegenteil: Es ist ganz schön geschwätzig und hält im Nationalparkzentrum Ruhestein einen Monolog. Symbolisch zumindest. Bei jedem Wort blitzt und blinkt es. Ständig irgendwo ein Leuchten, mal hier, mal dort.

Das riesige Modell eines Myzels ist Teil der Dauerausstellung „Eine Spur wilder“. Im Untergeschoss des Baus an der Schwarzwaldhochstraße gehen Besucher durch ein Wirrwarr ineinander verschlungener weißer Röhren.

Sie fühlen sich dabei wie im Wurzelbereich eines Baumes, spazieren aber durch das Geflecht eines Pilzes. Die Röhren stellen dessen dünne Fäden in x-tausendfacher Vergrößerung dar und machen so sichtbar, was meist verborgen bleibt. Das Myzel wuchert schließlich im Boden. Es ist der eigentliche Pilz, zu sehen bekommen wir nur seinen Fruchtkörper.

Das Myzel kommuniziert mithilfe elektrischer Signale

Dass der Nationalpark Schwarzwald dem Geflecht so viel Platz einräumt, hat einen simplen, allerdings kaum bekannten Grund: Das Myzel spielt im Wald die Rolle des Boten. Denn es ist nicht stumm, wie man vielleicht meint, sondern kann – vereinfacht ausgedrückt – sprechen. Es kommuniziert offenbar mithilfe elektrischer Signale.

Pilzexperte Flavius Popa mit Erde und Pilzgelfecht
Der Pilzexperte Flavius Popa forscht im Nationalpark Schwarzwald. Hier hat er Erde mit etwas Pilzgeflecht in der Hand. Foto: Petra Hirschel

„Wie das funktioniert, weiß man noch nicht“, sagt Flavius Popa, der als Mykologe im Nationalpark arbeitet. Die Studie dazu wurde erst Anfang April veröffentlicht. Ihr Autor, der britische Informatiker Andrew Adamatzky, mutmaßt, dass sein Forschungsobjekt ein Vokabular von bis zu 50 Wörtern hat.

Bäume erfahren von der Krankheit der anderen

Länger ist schon bekannt, dass das Myzel sozusagen Klatsch und Tratsch weiterträgt. Erkrankt ein Baum, wissen das die Bäume in der Nachbarschaft sofort. Das Geflecht erzählt ihnen das, und zwar so: Ein Pilz geht meist mit mehreren Bäumen gleichzeitig eine Partnerschaft ein, seine feinen Fäden umschließen deren Wurzeln.

So entsteht ein großes Netzwerk, in dem alle Beteiligten unterirdisch miteinander verbunden sind. Wird nun ein Baum von Borkenkäfern attackiert, schüttet er Stresshormone aus. Das Myzel – die Schaltzentrale – bekommt das mit und alarmiert die anderen Bäume. „Und die fahren ihr Abwehrsystem hoch“, weiß Flavius Popa.

Was das Pilzgeflecht von der Tratscherei hat? Reine Nettigkeit steckt nicht dahinter. Vielmehr profitiert auch das Myzel von der Verkabelung. Es braucht die Bäume, um satt zu werden. Wenn diese etwa seine Fäden als Transportstraße nutzen, um sich gegenseitig mit Zucker zu versorgen, erhält es eine Mautgebühr. Denn nur so kommt es an Nahrung.

Pilze ähneln uns sehr, sie nehmen Nährstoffe auf wie wir.
Flavius Popa, Mykologe im Nationalpark Schwarzwald

„Pilze ähneln uns sehr, sie nehmen Nährstoffe auf wie wir“, sagt Biologe Popa. Das heißt: Sie betreiben keine Photosynthese wie Pflanzen, dazu fehlt ihnen das Grün. Stattdessen ernähren sie sich von pflanzlichen oder tierischen Organismen. Deshalb die Lebensgemeinschaft mit den Bäumen, die manchmal aber auch tödlich für Eiche und Co enden kann – wenn der Pilz kein Partner, sondern ein Parasit ist. Oder die erst nach dem Tod der Bäume beginnt: Die Pilze essen sie auf – was gut ist. „Würden sie das viele Totholz nicht verwerten, würden wir darin versinken“, betont Popa.

Baumstämme mit Pilzen
In der Ausstellung „Eine Spur wilder“ im Nationalparkzentrum Ruhestein sind Baumstämme mit Pilzen zu sehen. Foto: Petra Hirschel

Auf dem Waldboden liegende Stämme – häufig stehen Besucher der Ausstellung im Nationalparkzentrum vor Modellen abgestorbener Bäume. Vor und auf ihnen sind Pilze drapiert. Oder um genau zu sein: der Teil des Pilzes, auf den wir es im Herbst abgesehen haben, also sein Fruchtkörper, das Fortpflanzungsorgan. „Und im Totholz, so muss man sich das vorstellen, ist das Myzel“, sagt der Biologe. Und natürlich im Erdreich.

Besucher reisen in die Welt der Pilze

Die Ausstellungsmacher haben dafür gesorgt, dass sich die fremde Welt den Besuchern allmählich erschließt. Sie erleben im Erdgeschoss den Wald aus vertrauter Perspektive. Die Treppe hinunter ins Untergeschoss lässt sie dann in die Tiefe vordringen.

ein Bündel dicker, rosa Stränge
Das Bündel dicker, rosa Stränge stellt Myzelfäden dar. Das Model befindet sich im Nationalparkzentrum Ruhestein. Foto: Petra Hirschel

Hier sehen sie das Myzel zum ersten Mal, es stellt sich ihnen vor als ein Bündel dicker, rosa Stränge. Im Anschluss gibt es immer mehr seiner Geheimnisse preis – bis die Besucher zu dem flackernden Pilzgewebe gelangen, das einem Kunstwerk gleicht.

Doch trotz der Geschwätzigkeit dort: „Wir wissen wenig über Pilze“, sagt Popa. Dabei gehören die Geschöpfe zu einer extrem artenreichen Gattung, nur die Insekten übertrumpfen sie in diesem Punkt. Die Wissenschaft geht davon aus, dass es weltweit zwischen drei und fünf Millionen Pilzarten gibt. Rund 120.000 sind allerdings erst bekannt. In Baden-Württemberg wachsen nach derzeitigem Wissensstand circa 5.000 Arten in den Wiesen und Wäldern, der Nationalpark kennt rund 1.500 Arten in seinem Gebiet.

Pilze sind für Medizin von Bedeutung

Darunter mögen Sprachgenies sein. Was sie aber tatsächlich alles können, darüber plaudern sie kaum. Die Zungenkernkeule etwa – sie ist in der Ausstellung zu sehen – trickst Trüffel aus. Sie produziert einen Stoff, der diese nicht merken lässt, dass sie ein Parasit ist und in ihren Wirt hineinwächst.

Ein tückisches Täuschmanöver, für die Medizin ist die Zungenkernkeule daher äußert interessant. Sie nutzt den Pilzstoff bei der Organtransplantation, so Popa. Denn so wie der befallene Trüffel den Eindringling akzeptiert, stößt der Körper das fremde Organ höchstwahrscheinlich nicht ab.

Die Ausstellung zeigt einen weiteren Pilz mit ungeahnten Fähigkeiten: Der Wohlriechende Schichtpilz verströmt einen Kokosgeruch. Mykologe Popa war der erste, der das bemerkte. Nun nimmt die Uni Gießen die Sache unter die Lupe. Für die Produktion von Aromastoffen geeignet? Würden die Forscher die Sprache des Myzels verstehen, wüssten sie die Antwort schon.

Das sind die Gewinnerinnen und Gewinner von Teil 4 des Sommerrätsels

Wolfgang Keßler
Wolfgang Keßler hat die Ballonfahrt gewonnen. Foto: privat

Wie reizvoll es ist, mit einem Heißluftballon über Berge, Flüsse und Dörfer zu schweben, weiß Wolfgang Kessler noch nicht. Er hat bislang keine Ballonfahrt unternommen. Umso mehr freut es ihn, dass er den Hauptpreis der vierten Runde des BNN-Sommerrätsels 2022 gewonnen hat.

Der 65-jährige Karlsruher kann bald mit Ballooning 2000 Baden-Baden in luftige Höhe steigen. Der Ausflug wird ihn über die Rheinebene führen. Und wenn Wolfgang Kessler einen sehr klaren Tag erwischt, wird er die gesamte Region zwischen Karlsruhe und Straßburg von oben sehen können. Die Fahrt dauert ein bis zwei Stunden. Der BNN-Leser hat die Antwort auf die Frage schnell erraten. Ihm bereitete das vierte Rätsel keine Schwierigkeiten, sagt er.

Mit ihrer Antwort lag auch Annemarie Fichtner aus Ettlingen richtig. Sie hat zwei Familientickets für die Bobbahn im Freizeit- und Sportzentrum Mehliskopf an die Schwarzwaldhochstraße gewonnen und kann nun ihre Familie oder Freunde zu rasanten Fahrten einladen.

An Klaus Kiefer aus Bühl geht das Buchpaket aus dem BNN-Lesershop. Es enthält zwei Wanderführer für Touren im Nationalpark Schwarzwald sowie das Buch „Panoramawege für Senioren“.

Das sind die Teilnahmebedingungen.

nach oben Zurück zum Seitenanfang