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Neuer Ehrenbürger

Warum Anselm Kiefer immer noch eng mit Rastatt verbunden ist

Jetzt ist es offiziell: Anselm Kiefer ist neuer Ehrenbürger von Rastatt. Warum er immer noch „immer in Rastatt“ sei, verriet er den Besuchern des Festakts in der Reithalle.

Anselm Kiefer scherzt an Rande des Festakts zur Ehrenbürgerwürde in der Rastatter Reithalle mit seiner ehemaligen Klassenkameradin Angelika Fortenbacher. OB Hans Jürgen Pütsch steht lachend dabei. Kiefer hält ein Klassenfoto in Händen.
Sichtlich erfreut zeigt sich Anselm Kiefer (links), dem in der Reithalle von OB Hans Jürgen Pütsch die Ehrenbürgerwürde verliehen wurde, über die Begegnung mit seiner ehemaligen Schulkameradin Angelika Fortenbacher. Foto: Frank Vetter

Angelika Fortenbacher ist ein wenig aufgeregt. Sie sitzt in der Rastatter Reithalle, mit freiem Blick zur kleinen Bühne und wartet auf einen, den sie eigentlich schon fast ihr ganzes Leben lang kennt: Anselm Kiefer. Dem wohl bedeutendsten deutschen Künstler der Gegenwart soll heute hier die Ehrenbürgerwürde von Rastatt verliehen werden.

Neun Jahre lebte Kiefer hier, zuerst in Ottersdorf, dann in Niederbühl. Und in Ottersdorf kreuzten sich seine Wege mit denen von Fortenbacher. Ein altes Klassenfoto hat sie mitgebracht, darauf sei auch Kiefers Vater Albert zu sehen, der einst Lehrer im Riedstadtteil war.

Als Anselm Kiefer den Saal betritt, geht ein Raunen durch die Menge

Als Kiefer schließlich an der Seite des Rastatter Oberbürgermeisters Hans Jürgen Pütsch (CDU) den Saal betritt, geht ein Raunen durch die Menge. Handys werden gezückt, manch einer versucht, aus der Ferne ein Foto zu machen von dem berühmten Künstler, und wenn es nur von hinten ist.

Und Kiefer? Der sonst so öffentlichkeitsscheue Künstler gibt sich volksnah. Plaudert mit Fortenbacher und studiert eingehend das Klassenfoto (auch wenn er sich selbst erst mal nicht darauf erkennt), ehe er der Sandweiererin ein Autogramm gibt. Dann geht’s in die erste Reihe auf den reservierten Platz, zwischen seinem Sohn Daniel und dem OB.

Dieser begrüßt zunächst die Gäste und überlässt die Bühne dann einem, der vielleicht auch einmal ein bedeutender Rastatter werden wird: Louis Paul, junger Pianist von der städtischen Musikschule Rastatt und diesjähriger Bundessieger bei „Jugend musiziert“. Mit vier Musikstücken wird er die Feierstunde bereichern.

Kiefer ist der 30. Ehrenbürger von Rastatt

Die höchste Ehre, die die Stadt vergeben könne, sei die Ehrenbürgerwürde, sagt Pütsch in seiner Rede. Die Auszeichnung sei so außergewöhnlich, dass sie nur höchst selten und an herausragende Persönlichkeiten verliehen werde.

Das belegen auch die Zahlen: Kiefer ist seit dem Jahr 1810 der 30. Ehrenbürger der Stadt Rastatt insgesamt und neben dem Politiker und Professor Gunter Kaufmann sowie dem Biochemiker und Krebsforscher Axel Ullrich einer von drei noch lebenden Ehrenbürgern.

Ein Vorschlagsrecht haben lediglich der Oberbürgermeister und die Mitglieder des Gemeinderats. Bereits Ende Mai habe das Gremium den Beschluss gefasst, erst jetzt habe sich ein Termin für den Festakt gefunden. Kiefer ist ein gefragter und äußerst beschäftigter Mann.

Wie wichtig seine Arbeiten für die bildende Kunst sind, stellt anschließend der Philosoph und Professor Hans-Helmuth Gander von der Universität Freiburg heraus. Außerdem macht er deutlich, wie sehr Kiefers Werke auch ein Produkt seiner Jugend in Rastatt sind.

Immerhin legte er hier am Ludwig-Wilhelm-Gymnasium 1965 sein Abitur ab. Ein guter, fleißiger Schüler sei er gewesen, erinnert sich sein Klassenkamerad Herbert Köllner, heute FWG-Gemeinderat, im Gespräch mit dieser Redaktion. „Er war immer sehr zielgerichtet, ganz anders als wir anderen, die wir noch viele Flausen im Kopf hatten.“

In seiner Kindheit in Ottersdorf habe Kiefer erstmals Erfahrungen mit den Grenzen gemacht, die sein Werk immer wieder prägten, so der Philosoph Gander. Wenn der Rhein im Frühjahr über die Ufer getreten sei und den Keller seines Elternhauses flutete, habe er sich überlegt, wo denn nun diese Grenze zwischen Deutschland und Frankreich verlief. In der Mitte des Flusses oder im elterlichen Keller?

Eigentlich bin ich immer hier – in meiner Erinnerung.
Anselm Kiefer
Künstler

Auch in seinen Dankesworten zeigt sich Kiefer sehr verbunden mit seiner Heimatstadt, holt den jungen Pianisten auf die Bühne, dankt ihm persönlich für seine Musik – und spricht mit unverkennbar badischem Einschlag. „Ich bin sehr gerne hier“, sagt er. „Also, eigentlich bin ich immer hier. In meiner Erinnerung.“ Und aus dieser Erinnerung arbeite er schließlich. Auch wenn es die Aufgabe des Künstlers sei, aus ihr etwas Neues entstehen zu lassen.

Das Wohnhaus in Ottersdorf, Kiefer hat es vor einiger Zeit von der Stadt erworben, soll zu einem Museum als Studien- und Wirkstätte junger Künstlerinnen und Künstler werden. Ein Eröffnungstermin stehe noch nicht fest, war von Pütsch beim Festakt zu erfahren. Man hoffe jedoch, dass es 2024 fertig werde. Kiefer selbst äußert sich nicht zu einem Eröffnungstermin. Vorbeigeschaut habe er jedoch noch morgens im Haus, ein Treffen mit dem Architekten stand an, die Arbeiten gingen voran.

Launige Verleihung der Ehrenbürgerwürde

Die Verleihung der Ehrenbürgerurkunde ist schließlich nur noch eine Formsache, die aber sehr launig gerät und der dadurch so manch strenger Pathos genommen wird. Kiefer scherzt, ob wirklich der gesamte Rastatter Gemeinderat zugestimmt habe, ihn zum Ehrenbürger zu machen und nimmt’s mit viel Humor als Pütsch verneint. „Ganz einstimmig war die Entscheidung nicht.“

Kiefer lacht. Und hält die Majolika-Schale, gestaltet von der Künstlerin Felicithas Arndt, wie eine Meisterschale hoch, setzt sie sich auf den Kopf. Nur kurz darauf entschwindet er zu einem Empfang mit geladenen Gästen. Vielleicht gehörten auch ein paar ehemalige Schulkameraden dazu.

Service

Um den Rastattern den berühmten Sohn der Stadt näherzubringen, wird im Forum-Kino ab Donnerstag, 23. November, jeweils um 18 Uhr, für eine Woche der Wim-Wenders-Film „Anselm – Das Rauschen der Zeit“ gezeigt.

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