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Produktion über sexuelle Tabus

Geht der deutsche Amateurtheater-Preis nach Rastatt?

Das Theaterstück „Über Liebe“ des Rastatter Phoenixtheaters ist nominiert für den Amateurtheaterpreis Amarena. Die Regisseurin erzählt, wie es zum Stück über Liebe und Sexualität kam und warum es wichtig ist, intime Dinge beim Namen zu nennen.

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Aufklärungsunterricht mal anders: In der Inszenierung „Über Liebe“ widmen sich die jungen Darsteller des Rastatter Phönixthetaers dem Thema Liebe und Sexualität. Foto: Oliver Hurst Oliver Hurst

Direkt, unterhaltsam, lustvoll: So kann sexuelle Aufklärung im Theater sein. „Über Liebe“ heißt die Produktion, die im Sommer 2021 bei seinen nur drei Aufführungen im Rastatter Kulturforum das Publikum begeisterte.

Nun wurde die Stückentwicklung des Phoenixtheaters Rastatt für den bundesweiten Amateurtheater-Preis Amarena nominiert. „Wir waren total überrascht, als der Anruf kam“, sagt Regisseurin Jacqueline Frittel. „Denn viele Themen, die wir behandeln, sind in der Gesellschaft immer noch tabu.“

Gerade mit diesem Mut zur offenen Thematisierung von Liebe und Sexualität überzeugte das Ensemble die Jury. Sie lobte die direkte Ansprache des Publikums zwischen Humor, Sensibilität und gebotener Ernsthaftigkeit etwa bei Themen wie Missbrauch. Zudem bezeichnete sie das Stück als „charmantes und produktives Werkzeug der Vermittlung.“

Eine Frau vor einer grauen Wand
In Rastatt sehr gefragt: Theaterpädagogin und Regisseurin Jacqueline Frittel probt aktuell mit acht Ensembles Foto: Elisa Walker

„Diese Nominierung ist ein starkes Zeichen für uns“, so Frittel. 2013 gewann die Gruppe bereits den landesweiten Amateurtheaterpreis Lamathea. Auszeichnungen und Nominierungen wie diese bestärke sie darin, immer wieder mutig gesellschaftspolitische Themen auf die Bühne zu bringen, erklärt die 31-Jährige. Dabei darf Theater auch mal unbequem oder peinlich für das Publikum sein.

Vulva-Szene: Theater darf auch peinlich sein

Eine Szene habe das besonders deutlich gemacht: Die Darsteller traten als Teile einer Vulva auf die Bühne und erklärten ihre Funktionen. Da ging das eine oder andere „Uii“ durch die Zuschauerreihen, erinnert sich Frittel. „Wir nennen die Dinge beim Namen.“ Das sei deshalb so wichtig, weil viele Frauen nicht wüssten, wie ihr Geschlecht aufgebaut ist und was sie damit anstellen können. Dadurch gehe viel an sexueller Selbstbestimmung verloren.

Viele Themen, die wir behandeln, sind in der Gesellschaft immer noch tabu.
Jacqueline Frittel, Regisseurin Phoenixtheater

Entstanden ist das Stück im Frühsommer 2021 spontan, als das eigentlich geplante Theater-Film-Projekt „Hamlet“ pandemiebedingt nicht realisiert werden konnte. Das Thema Aufklärung sei bei den 17- bis 26-Jährigen schon länger Pausengespräch gewesen. Nun sollte es auf die Bühne, beschloss Frittel. „Über Liebe“ ließ sich online per Videokonferenz entwickeln. Geprobt wurde unter freiem Himmel.

Gespräch mit einem UN-Botschafter als Inspirationsquelle

Die Gruppe schrieb Collagen-Texte über die erste Menstruation, Abtreibung, Homosexualität, sexualisierte Gewalt und vieles mehr. Manche davon basieren auf Erfahrung, andere seien aus Interesse entstanden. Auch Gäste wurden für Gesprächsrunden eingeladen. Mit dem „He-For-She“-UN-Botschafter Fikri Anil Altintaş sprachen die Schauspieler beispielsweise über Männlichkeitsbilder.

Aufklärung kann auch lustvoll sein.
Jacqueline Frittel, Regisseurin Phoenixtheater

Besonders humorvoll widmeten sich die Darsteller den Verhütungsmitteln – weit entfernt von trockenen Aufklär-Schulstunden. Sie dichteten Pop-Songs um. „Atemlos durch die Nacht“ verwandelte sich in ein Lied über die Vor- und Nachteile der Pille, das rhythmisch beklatscht wurde. „Da ist unser Ansatz klar rausgekommen“, sagt Frittel. „Aufklärung kann auch lustvoll sein.“ Über sexuelle Themen und Tabus sprechen und auch mal darüber lachen sei nämlich in Ordnung.

zwei Frauen tanzen und singen mit ausgebreiteten Armen auf einer Bühne
Popsong über die Pille: Anna Lutz (v.l.) und Mia Schneider dichten Helene Fischers „Atemlos durch die Nacht“ um und erklären dem Publikum die Vorteile und Nebenwirkungen von Verhütungsmitteln Foto: Dirk Flackus

Wiederaufnahme oder Fortsetzung von „Über Liebe“ im Sommer

Doch längst nicht alle Themen rund um Liebe und Sexualität hätten Platz im Stück gefunden. Deshalb schreibt das Ensemble bereits daran weiter. Ob es einen zweiten Teil oder eine verlängerte Fassung geben wird?

„Das ist noch offen. Aber es wird wohl auf ein paar Aufführungen im Juli hinauslaufen“, verrät Frittel, die derzeit noch mit acht anderen Theatergruppen für den Sommer probt. Doch zunächst einmal wartet sie gespannt auf die Bekanntgabe der Gewinner des Amarena-Preises.

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