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Vorstand tritt ab

„Hat mir immer Glücksmomente gebracht“: Beim ambulanten Hospizdienst in Rastatt endet eine Ära

Peter Ulrich gibt im Frühjahr nach 28 Jahren den Vorsitz der ehrenamtlichen Organisation ab. Ein Ende seines sozialen Engagements bedeutet dies aber längst noch nicht.

Mann mit Bild
Eine alte Buche im Nationalpark Kellerwald am Edersee ist für Peter Ulrich ein Symbol der Vergänglichkeit.  Foto: Ulrich Philipp

Peter Ulrich stand kurz vor der Rente, als er im Frühjahr 2014 dem Rastatter Unternehmer Jörg Overlack begegnete. Der damals 73-Jahre alte Overlack hatte 1996 den ambulanten Hospizdienst in Rastatt aus der Taufe gehoben und bereits seit 18 Jahren auch das Amt des Vorsitzenden inne. Ulrich leitete zu dieser Zeit als Internist die Geriatrische Reha-Klinik in Gernsbach, als Overlack ihm eröffnete: „Sie sind mein Nachfolger!“

Als überzeugter Anhänger des Ehrenamtes musste Ulrich nicht lange überlegen, sagte zu und übernahm den Job im Juni 2014. In der Vorstandssitzung im kommenden Mai oder Juni wird Ulrich nun den Staffelstab seinerseits weitergeben und nicht mehr um den Vorsitz im Hospizdienst kandidieren. Als potenzielle Nachfolgerin hat Ingrid Blumenthal aus Rastatt ihre Bereitschaft signalisiert, erklärte Ulrich im Gespräch mit dieser Redaktion.

„Das Ehrenamt und vor allem der Tag der offenen Tür des Hospizdienstes haben mich immer begeistert“, blickt Ulrich zurück. Ein Team von etwa 30 Helferinnen und Helfern bewirtet seit 2007 immer an Heiligabend bis zu 120 Menschen und organisiert auch ein Unterhaltungsprogramm.

Die Spendenbereitschaft ist groß, wenn man für den Hospizdienst unterwegs ist.
Peter Ulrich
Vorsitzender des ambulanten Hospizdienstes

Zu den Aufgaben des Vorsitzenden gehört es, für diese sehr beliebte Veranstaltung Spenden zu akquirieren. In der Regel gibt es ein Drei-bis-vier-Gänge-Menü sowie Kaffee und Kuchen. Außerdem bekommt jeder Besucher ein Weihnachtsgeschenk, und die auftretenden Künstler erhalten ein kleines Honorar. „Die Spendenbereitschaft ist groß, wenn man für den Hospizdienst unterwegs ist“, berichtet Ulrich und betont: „Das hat mir immer Glücksmomente gebracht“.

40 Männer und Frauen engagieren sich aktuell im Hospizdienst

Auch die Leitung der hauptamtlichen Koordinatorinnen des Hospizdienstes gehörte zu seinen Aufgaben. Die Koordinatorinnen besuchen zunächst die schwer kranken Menschen, die beim Hospizdienst um eine Begleitung nachfragen und weisen diesen dann die Ehrenamtlichen zu. Auch die etwa ein Jahr dauernde Ausbildung der Ehrenamtlichen wird von den Koordinatorinnen organisiert. Etwa 40 Männer und Frauen sind derzeit in der Betreuung sterbender Menschen und ihrer Angehörigen engagiert.

Als Arzt in leitenden Funktionen mit über 40 Berufsjahren verfügt Ulrich über umfangreiche Erfahrung in medizinischen und menschlichen Fragen der Pflege, die er auch immer wieder einbringen konnte. Vor allem ist er aber überzeugt davon, dass die ehrenamtliche Begleitung schwer kranker und sterbender Menschen im ambulanten Bereich niemals durch eine Professionalisierung oder Geschäftsmodelle ersetzt werden sollte.

„Durch unsere Mitarbeit im Hospizdienst zeigen wir alle eine besondere Haltung. Und diese Haltung führt zu einem besonderen Verhalten in unserem Dienst, das den schwer kranken und sterbenden Menschen Halt gibt“, sagt Ulrich.

In seinen Augen sei die Gesellschaft mit der Idee gescheitert, eine professionelle und bezahlte Dienstleistung am Lebensende zu etablieren, so Ulrich, der sich an dieser Stelle auch auf den Deutschen Hospiz- und Palliativ-Verband (DHPV) beruft. Dieser weist darauf hin, dass Plätze in Pflegeeinrichtungen inzwischen so teuer sind, dass sich diese kaum noch jemand leisten könne.

Peter Ulrich ist an zahlreichen Projekten beteiligt

Auch vor diesem Hintergrund war Ulrich einer der Initiatoren für den Bau eines Mehrgenerationenhauses in Baden-Baden, in dem er selbst wohnt. Er lebt zudem seit 30 Jahren in einer Patchwork-Familie, in der seine Partnerin und er jeweils vier Kinder eingebracht haben. Die derzeit acht Enkelkinder komplettieren das Familienglück.

Ulrichs Engagement umfasst aber noch weitere Bereiche: So hat er vor wenigen Monaten in Rastatt den ersten Gesprächskreis für pflegende Angehörige gegründet. Außerdem unterstützt er seit Jahren das Patenprogramm der Caritas Baden-Baden für geflüchtete Menschen und hilft beispielsweise bei der Jobsuche oder Behördengängen.

Diese Haltung führt zu einem besonderen Verhalten in unserem Dienst.
Peter Ulrich
Vorsitzender des ambulanten Hospizdienstes

Ulrich engagiert sich zudem in der kommunalen Gesundheitskonferenz und hier speziell in der Arbeitsgruppe „Gesund älter werden“. Ferner bringt er sich auch in der kommunalen Pflegekonferenz des Landkreises zum Thema „Vereinsamung und Verwahrlosung im Alter“ ein.

Romantik gibt es für Peter Ulrich nur in der Freizeit

Romantisch geht es dort eigentlich nie zu, weswegen sich Ulrich in seiner Freizeit einen Gegenpol gesucht hat – in welcher er sich leidenschaftlich mit der Epoche der Romantik beschäftigt. Derzeit liest er jedoch ein Buch des aktuellen Literaturnobelpreisträgers Jon Fosse mit dem Titel: „Das Wenige und das Wichtige“.

Ulrich scheint sich darin wiederzuerkennen, wenn Fosse schreibt: „Glück ist eine Form der Übereinstimmung. Es geht nicht darum, sich glücklich zu fühlen, sondern in Übereinstimmung mit sich zu handeln, sich stets treu zu bleiben“. 

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