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Massive Werbekampagne

„Es gibt kein Vorsingen bei uns“: Gesangverein Hügelsheim erfindet sich neu

Der Gesangverein Hügelsheim will überleben und hat sich daher professionelle Hilfe bei einer Werbeagentur geholt. Die Verwandlung ist verblüffend.

Drei Männer und eine Frau halten ein Banner hoch
Der Gesangverein Hügelsheim hat mit „belvoci“ einen neuen Namen. Volker Wiersbitzki, Herbert Siegel, Iris Kappenberger und Gerhard Mayer (von links) präsentieren ein Banner – nur eine von vielen Werbemaßnahmen. Foto: Sabine Wenzke

Der Gesangverein Germania Hügelsheim war ursprünglich ein Männergesangverein. 1876 gegründet, zählt er zu den ältesten Vereinen im Spargeldorf. Heute kämpft er ums Überleben. „1988 hatten wir noch 50 Sänger. Das war ein Spitzenwert“, sagt der Ehrenvorsitzende Gerhard Mayer. Er singt seit Jahrzehnten im Chor.

Da hängt schon das Herz dran.
Herbert Siegel
Vorsitzender

„Da hängt schon das Herz dran“, bestätigt Herbert Siegel, einer der drei Vorsitzenden des Vereins. Von den derzeit 175 Mitgliedern sind lediglich noch 25 Aktive (15 Frauen, zehn Männer) verblieben, die dem Chorgesang frönen.

Die Gründe sieht Beisitzer Volker Wiersbitzki unter anderem in einer Vielzahl anderer Freizeitmöglichkeiten. Außerdem: „Die Attraktivität von einem Chor ist heute schon etwas angestaubt“.

Viele wollen keine Verpflichtung mehr eingehen.
 Iris Kappenberger
Vorsitzende

„Viele wollen keine Verpflichtung mehr eingehen“, mutmaßt Vorsitzende Iris Kappenberger. Der Verein habe mal eine Kooperation mit der Grundschule gehabt. Jeden Freitag in der sechsten Schulstunde fand eine Singschule statt. „Wir hatten teilweise 90 bis 100 Kinder. Wenn wir Glück hatten, sind davon fünf in den Kinder- und Jugendchor gekommen.“

Und in der Regel dann wieder ausgeschieden, wenn sie auf weiterführende Schulen gegangen sind, ergänzt Ehrenvorsitzender Mayer. Die Singschule gab es bis Corona, danach nicht mehr. „Wir haben im Moment niemanden, der es machen würde, daher findet es nicht statt“, sagt Kappenberger.

Ziel: Kulturgut Chorgesang in Hügelsheim erhalten

Dabei hat der Verein bereits in der Vergangenheit einiges unternommen, um das Kulturgut Chorgesang in Hügelsheim zu erhalten. 2021 erfolgte die längst überfällige Satzungsänderung vom Männergesangverein zum Gesangverein, da zu dieser Zeit schon längst zusammen mit den Damen gesungen wurde. 2006 wurde der Frauenchor Vocalisa gegründet, der das Fundament für den jetzigen gemischten Chor bildet.

Es gab auch mal einen Knabenchor, einen Kinder- und Jugendchor und einen Projektchor mit bis zu 20 jüngeren Sängern: „Die sind auch wieder weggebrochen“, sagt Mayer. Und dann brachte Corona das Vereinsleben ganz zum Erliegen.

Massive Werbekampagne gestartet

Der Gesangverein steht aber wieder auf. „Wir müssen neu anfangen und uns eine neue Zielrichtung geben, nicht nur halbherzig, sondern professionell“, sagt Siegel. Denn: „Wer nicht mit der Zeit geht, geht bald mit der Zeit.“ Also lautete die Frage: „Dümpeln wir weiter vor uns hin, dann werden wir vielleicht in fünf Jahren die Tür zuschließen müssen, oder geben wir Geld aus und holen uns professionelle Hilfe“, erläutert Volker Wiersbitzki.

Verwaltung und Vorstand beschlossen daher, eine massive Werbekampagne zu starten, um neue Sängerinnen und Sänger zu gewinnen. Wiersbitzki wurde der Projektleiter.

Beispiel anderer Vereine gefolgt

Abgeschaut haben es sich die Hügelsheimer von anderen Vereinen. Siegel nennt beispielhaft den Chor aus Bodersweier/Kehl: 2022 zählte dieser sieben Sänger, dann sei ein Erfolgsfahrplan mit vielen Maßnahmen erstellt worden. Der Männerchor Bodersweier wurde zu den R(h)ein-Voices, die es mit Stand Juni 2023 auf 42 Sängerinnen und Sänger geschafft haben. Oder der Gesangverein Steinbach: Der hatte eine Werbeagentur beauftragt und eine erfolgreiche Wandlung vollzogen. Wiersbitzki: „Da haben wir uns gesagt, das machen wir auch“.

Also wurden dieselben Werbeprofis ins Boot geholt. Das Ergebnis: Der Hügelsheimer Gesangverein verpasst sich nicht nur ein neues Image, sondern erfindet sich neu: neuer Name, neues Erscheinungsbild, neue Homepage.

Er heißt „belvoci“. Das ist italienisch und bedeutet schöne Stimmen. Den Chornamen haben die Sänger festgelegt. Auch das Erscheinungsbild hat sich geändert und ist modern: In flotten blauen T-Shirts („das sind Eyecatcher“, so Vorsitzender Siegel) mit dem Chornamen präsentieren sich die Verantwortlichen in Aufbruchstimmung beim Pressegespräch.

Und das Repertoire? Da sind die „belvoci“ sehr breit aufgestellt. „Von Abba bis Mendelssohn Bartholdy“, sagt Kappenberger: „Wir wollen uns da nicht in eine Ecke drängen lassen“. Natürlich werde bei Volkstrauertagen oder Jubiläen aber auch weiterhin traditionelles Liedgut erklingen, fügt Mayer an.

Plakate, Banner und Bratwurstverkauf

Mit zwei Bannern beim Spargelfest wurde der Auftakt gemacht. Nach der Sommerpause geht es nun richtig los. Und das ist der Plan: In dieser Woche werden Banner an den Ortseingängen und weiteren markanten Stellen im Ort aufgehängt, ebenso Plakate in den Geschäften. Am 16. September gibt es einen Bratwurstverkauf mit Infostand beim Edeka-Markt von 11 bis 15 Uhr. Der Erlös wird einem sozialen Zweck im Ort gespendet.

Schnupper-Singstunden in der Schwarzwaldhalle

Bei der Ehrungsmatinee am 24. September (10 Uhr, Pfarrheim) wird Herbert Siegel den Mitgliedern die Neuerungen vorstellen. Überdies sollen Bekannte angesprochen und zu Schnupper-Singstunden eingeladen werden. Diese finden am 28. September und am 5. Oktober in der Schwarzwaldhalle statt. Dort haben die „belvoci“ auch ihre Räume.

Man muss nicht nach Noten singen können. 
Gerhard Mayer
Ehrenvorsitzender

Zwischen dem 9. und 12. Oktober werden Flyer in alle Haushalte verteilt. 5.000 Exemplare sind gedruckt. Bereits online ist die neue Homepage des Vereins. „Man muss nicht nach Noten singen können. Es gibt auch kein Vorsingen bei uns“, will Mayer möglichen Aspiranten die Scheu nehmen und dazu ermuntern, sich zu trauen. Zudem: Singen in der Gemeinschaft mache glücklich und sei ein guter Ausgleich zum Alltag.

Homepage

www.belvoci.de

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