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Besuch auf den Rastatter Friedhöfen

Mit Kerze, Laubrechen und vielen Erinnerungen

Allerheiligen kennt jeder. Doch auch am Totensonntag gehen viele auf den Friedhof, um sich an ihre Verstorbenen zu erinnern. Und manch einer nutzt den Spaziergang auch für einen gemütlichen Plausch.

Kreuz auf dem Stadtfriedhof Rastatt
Der Totensonntag wird auch Ewigkeitssonntag genannt und ist der Gedenktag der Protestanten. Katholiken erinnern sich an Allerheiligen an ihre Verstorbenen. Foto: Swantje Huse

Nein, Tannenzweige hat er leider keine mehr. Blumenhändler Deniz Türkan zuckt entschuldigend mit den Schultern. „Schade“, sagt die ältere Dame und geht mit leeren Händen auf den Waldfriedhof. „Ja, es ist viel los heute“, so Türkan. „Nicht so viel wie Allerheiligen, aber mehr als an einem normalen Sonntag.“

Es ist Totensonntag, der Tag, an dem die Protestanten ihrer Verstorbenen gedenken.

Grabpflege, Mutter und Tochter auf dem Waldfriedhof Rastatt
Denken an (Ur-)Opa und (Ur-)Oma: Nicole Batylla und Tochter Nelly kommen regelmäßig ans Familiengrab. An Allerheiligen haben sie ein Gesteck mit Engel aufgestellt. An Totensonntag wird nur Laub entfernt. Foto: Swantje Huse

„Wir nennen diesen Tag auch Ewigkeitssonntag“, erklärt Wenz Wacker. Er ist Pfarrer der evangelischen Johannesgemeinde in Rastatt und hat am Vormittag seine Predigt gehalten. Dabei wurde einerseits der Toten des Jahres gedacht – „Nur 25 in diesem Jahr. Wegen Corona sterben weniger Menschen als sonst, vermutlich wegen der Isolation.“ –, und andererseits der Blick auf die Verheißung des ewigen Lebens gerichtet.

„Diese Gewissheit, gleich wie ich gelebt habe, werde ich von Gott geliebt und beim Namen gerufen. Das ist eine große Geborgenheit“, sagt Pfarrer Wacker.

Wenn ich das Gefühl hab, ich muss gehen, dann geh ich auf den Friedhof.
Alfred Mewes am Grab seiner ehemaligen Hausverwalter

Solche Überlegungen spielen für Alfred Mewes keine Rolle. Er hat am Morgen gemeinsam mit seiner Frau den Gottesdienst im Fernsehen geschaut. Jetzt steht er an einem Urnengrab, eine Tüte in der Hand. „Wenn ich das Gefühl hab, ich muss gehen, dann geh ich auf den Friedhof.“ Heute hatte er dieses Gefühl und so entzündet er für seine ehemaligen Hausverwalter eine Kerze. „Wir hatten eine lange gemeinsame Zeit.“

Mann entzündet Kerze auf dem Waldfriedhof Rastatt
Ewiges Licht: Alfred Mewes besucht regelmäßig das Grab seiner ehemaligen Hausverwalter auf dem Waldfriedhof. Foto: Swantje Huse

Mewes ist nicht allein auf dem Waldfriedhof. Überall sind Menschen zu sehen, alleine, zu zweit, hier und da Familien mit Kindern. Auch Nicole Batylla und ihre Tochter Nelly sind unterwegs. Sie wollen an das Grab von Nicoles Großeltern, Laub entfernen.

Nelly hilft gerne dabei, auch wenn sie Uroma Helene nicht mehr kennengelernt hat. „Uropa Anton war aber lustig, der hat immer Karten mit mir gespielt“, erinnert sie sich, während sie Tannennadeln von der Grabumrandung fegt. Die Batyllas sind katholisch, deshalb gab es für die Großeltern an Allerheiligen ein Gesteck mit Engel. „Heute haben wir nur eine Kerze dabei“, sagt Mama Nicole.

Uropa Anton war lustig, der hat immer Karten mit mir gespielt
Nelly Batylla während sie das Grabe ihrer Urgroßeltern reinigt

Kerzen hat auch Pfarrer Wenz Wacker mit seiner Gemeinde entzündet. Für jeden Toten eine. „Und eine für die Namenlosen, Obdachlose, Kinder, die nicht auf die Welt gekommen sind, Flüchtlinge, die es nicht geschafft haben.“ Am Ende stehen 26 Kerzen und das Osterlicht auf dem Taufstein der Johanneskirche.

Kerzen brennen in einer Kirche, Johannesgemeinde Rastatt
Strahlendes Licht: Mit einer Kerze für jeden Verstorbenen des Jahres erinnert die Gemeinde in Sankt Johannes am Ewigkeitssonntag an die Toten. Foto: Elona Weßbecher

Wie jede Woche ist auch Nathalia Heidt an diesem Sonntag auf dem Stadtfriedhof. Man hört die Stimme der alten Dame schon von weitem. Fröhlich plaudert sie mit einer Freundin. „Ach, ist heute schon wieder ein Feiertag?“, fragt sie verwundert. Sie trifft sich regelmäßig auf dem Friedhof mit Trude Borisow.

Die Gräber ihrer Männer liegen nicht weit voneinander entfernt. Die beiden haben sich auf dem Friedhof kennengelernt. Borisow hilft Heidt bei der Grabpflege, da die 81-Jährige einen Rollator braucht. Der Friedhofsbesuch ist ihr dennoch heilig. „Ich habe zu meinen Kindern gesagt: ,Sonntags lasst mich in Ruhe.‘ Der gehört mir und meinem Mann.“

Wenn sie das Grab sauber gemacht hat, betet sie für ihren Johann und für seine ewige Ruhe. „Dann erzähle ich ihm, was in der Woche passiert ist“, sagt Nathalia Heidt. „Manche sagen, die Toten müssen ruhen. Aber ich sage, wir müssen an sie denken.“

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