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Widerstände und Pläne

Erste Stolpersteine werden in Muggensturm verlegt

Der Arbeitskreis Stolpersteine Muggensturm besteht nun seit einem Jahr. Er plant nun, die ersten beiden Stolprsteine zu verlegen. Wir haben mit dem Vorsitzenden gesprochen.

Schwierige Recherchen zu NS-Opfern: Franz König (links) und Volker Schuster vom Arbeitskreis Stolpersteine Muggensturm.  Foto: Anja Groß
Schwierige Recherchen zu NS-Opfern: Franz König (links) und Volker Schuster vom Arbeitskreis Stolpersteine Muggensturm. Foto: Anja Groß Foto: Anja Groß

Sie haben schreckliche Schicksale erlitten: Lorenz Knapp und Karl Hornung aus Muggensturm starben unter der Gewaltherrschaft des NS-Regimes. Der eine wurde zu Tode gefoltert, der andere vergast. An beide Opfer wird nun am Samstag, 18. März, mit der Verlegung von zwei Stolpersteinen im Ort erinnert – den ersten überhaupt in der Kommune.

Damit tritt der erst im November 2021 gegründete Arbeitskreis Stolpersteine Muggensturm erstmals öffentlichkeitswirksam in Erscheinung. „Unser Ziel ist es, das Andenken an die Opfer des Gewaltsystems des Nationalsozialismus zu wahren“, sagt Vorsitzender Franz König.

„Da es in Muggensturm keine eigene jüdische Gemeinde gab, lebten hier zur NS-Zeit auch nur wenige Juden“, sieht König hier nicht zwingend den Schwerpunkt der Erinnerungsarbeit. Opfer des Regimes habe es schließlich viele gegeben: politisch oder religiös Verfolgte ebenso wie Behinderte oder Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Hautfarbe verfolgt wurden.

Initiator der Aktion ist Gunter Demnig

Zur Verlegung der ersten Stolpersteine kommt auch der Initiator der gleichnamigen Kunstaktion nach Muggensturm: Künstler Gunter Demnig.

Am Samstag, 18. März, wird er um 10 Uhr vor dem Haus in der Hauptstraße 74 die erste Gedenktafel, den Stolperstein, aus Messing in den Boden einlassen. Damit wird an Lorenz Knapp erinnert, den 1901 geborenen Schneidermeister, der dort wohnte und sein Geschäft betrieb.

Knapp fertigte Uniformen, das Geschäft lief gut. Doch weil er der politischen Entwicklung kritisch gegenüberstand, entzog man ihm die Nähaufträge. „Der zuvor selbstständige Schneidermeister war schließlich gezwungen, als Dampfbügler in Karlsruhe zu arbeiten“, erzählt Volker Schuster. Er hilft König bei der Recherche der Lebensgeschichten.

Nationalsozialisten folterten Schneidermeister

Knapp sei dort dann wohl von einem Kollegen als Nazigegner denunziert worden. Der dreifache Familienvater wurde 1939 an seiner Arbeitsstelle verhaftet. Als er seine Unschuld beteuerte und sich zu wehren versuchte, wurde er zusammengeschlagen, in der Haft dann gefoltert.

„Zu damals üblichen Foltermethoden gehörte es, Gefangene nachts mit kaltem Wasser zu übergießen und nackt auf einem Lkw durch die Gegend zu fahren, damit sie sich quasi den Tod holten“, erzählt König weiter.

stolpersteine
Gegen das Vergessen: Erstmals sollen in Muggensturm – wie hier in Kuppenheim – Stolpersteine an Opfer des NS-Regimes erinnern. Foto: Heinz Wolf/AK Stolpersteine

In Folge einer solchen Prozedur holte sich Lorenz Knapp eine Lungenentzündung, an der er in der Heil- und Pflegeanstalt Illenau in Achern starb. Wenige Tage nach der Verhaftung wurde Knapp in einem verplombten Sarg nach Muggensturm gebracht und die Angehörigen angewiesen, diesen nicht zu öffnen. „Doch sie hielten sich nicht daran und entdeckten dann die Folterspuren“, erzählt König.

„Die Geschichte ist im Ort bekannt“, sagt er. Denn Knapps Tochter Inge Wenzel, damals zehn Jahre alt, hat immer wieder davon erzählt. Das Unrecht habe die ganze Familie geprägt. Wenzel engagiert sich auch im Arbeitskreis Stolpersteine.

Der zweite Stolperstein wird an Karl Hornung erinnern. Er war 1925 mit einem verkürzten Arm geboren worden. In der nationalsozialistischen Ideologie galten Menschen mit körperlichen und psychischen Krankheiten als „nicht lebenswert“. Zwischen 1939 und 1945 wurden diese im Rahmen der sogenannten Euthanasie systematisch umgebracht. Es war von „Defektmenschen“ und „Ballastexistenzen“ die Rede.

Spezielle Kommandos haben auf den Dörfern gezielt nach Behinderten gesucht.
Franz König, Vorsitzender Arbeitskreis Stolpersteine Muggensturm

„Spezielle Kommandos haben auf den Dörfern gezielt nach Behinderten gesucht“, erzählt Franz König. Der Mutter von Karl Hornung sei versprochen worden, das Kind in ein Heim zu bringen, in dem es besonders gefördert werden könne. In der Hoffnung, das wäre für ihren Sohn das Beste, gab sie ihn in die Heil- und Pflegeanstalt Illenau in Achern.

Von dort kam Hornung aber nach Grafeneck, „wo er 1940 im Alter von 15 Jahren vergast wurde“, erzählt Schuster. In der Dokumentationsstätte Grafeneck hat der Arbeitskreis die entsprechenden Dokumente gefunden.

„Hornungs Mutter hat sich zeitlebens mitschuldig gefühlt und an Depressionen gelitten“, weiß König. Dem 84-Jährigen ist die tragische Geschichte seit Kindheitstagen bekannt, weil in seiner Familie immer wieder davon erzählt worden sei.

Die Recherchen des Arbeitskreises gestalteten sich – wie in einigen anderen Fällen – schwierig. Denn fast alle Gemeinde-Akten aus dem „Dritten Reich“ wurden vernichtet, Zeitzeugen gibt es kaum noch. „Und wenn, dann waren sie damals Kinder und können sich kaum erinnern“, sagt Schuster. Zudem sie die NS-Zeit in vielen Familien nach dem Krieg ein Tabuthema gewesen. Daher wüssten auch nachfolgende Generationen oft kaum etwas.

Uns geht es nicht um die Täter, sondern ausschließlich um eine Erinnerungskultur für die Opfer.
Franz König, Vorsitzender Arbeitskreis Stolpersteine Muggensturm

„Eigentlich sind wir mit unserer Arbeit 20 Jahre zu spät dran“, bedauern Schuster und König. Dennoch recherchieren sie bereits zu sieben weiteren Fällen.

Und hoffen, auch durch die Stolpersteinverlegung noch manche Erinnerung an Muggensturmer NS-Opfer zu wecken. Infos an franz-koenig@t-online.de. Der betont: „Uns geht es nicht um die Täter, sondern ausschließlich um eine Erinnerungskultur für die Opfer.“

Deshalb auch die Stolpersteine. „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“, steht im Talmud. Mit den Steinen vor den Häusern werde die Erinnerung an die Menschen lebendig, die einst dort wohnten, sagt Gunter Demnig.

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