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Fakten und Fehler

Pleiten, Pech und Banner: Für Ötigheim war der Sieg beim Landmusikprojekt erst mal ein Preis mit Pannen

Presto ist manchmal zu schnell: Für Ötigheim war der Hauptgewinn beim Landmusikprojekt zunächst ein Preis mit Pannen. Das ändert aber nichts daran, dass die Gemeinde in Sachen Musik ganz vorne liegt.

Banner Landmusikpreis mit Fehler am Ortseingang Ötigheim mit Bürgermeister und Vereinsvorständen.
Die Korrektur war schon in Auftrag, als Bürgermeister Frank Kiefer (links), Vorstände der kulturellen Vereine in Ötigheim und Bürgeramtschefin Daniela Bauer sich am noch falschen Banner von Ötigheim über den Preis freuen. Foto: Isabel Steppeler

Ötigheim ist „Landmusikort“ und als solcher der beste von insgesamt 13, die der Deutsche Musikrat und die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) in diesem Jahr auserkoren haben. Erst zum zweiten Mal vergibt die Jury den noch jungen Preis, der erklärt werden will. Denn flüchtig gelesen wird er zum Missverständnis.

„Landesmusikort“ rutscht einem Sprecher des Musikrates in Bonn am Telefon schneller über die Lippen als er sich korrigieren kann. „Landesmusikort“ stand Anfang Mai auch einige Tage auf den Bannern an allen Ortseingängen. Stolz, groß, breit – und falsch.

Mittlerweile hat die Gemeinde die zwei Buchstaben zu viel genauso stolz überklebt. Denn: Das ist kein Landespreis. Der Preis gilt bundesweit.

Der Weg zur Bewerbung war für Ötigheim holprig

Tippfehler hin oder her: Es ist keineswegs so, dass Ötigheim zu diesem Preis kam wie die Jungfrau zum Kinde. Ganz im Gegenteil. Das Gütesiegel wirkt wie zugeschnitten auf das klingende Dorf mit den vielen kulturellen Vereinen. Dennoch war der Weg zur Bewerbung ein holpriger.

Seit 2021 gibt es das Förderprogramm „Landmusik“, mit dem der Deutsche Musikrat in Bonn Projekte mit Geld unterstützt, Fortbildungen anbietet und besondere Orte mit dem Gütesiegel „Landmusikort“ auszeichnet. Ziel des Förderprogramms ist die Stärkung des Musiklebens im ländlichen Raum.

Plakette „Landmusikort des Jahres“.
Eine besondere Ehrung geht in diesem Jahr nach Ötigheim: Die Gemeinde bei Rastatt wird vom Deutschen Musikrat als „Landmusikort des Jahres“ ausgezeichnet. Verliehen wird sie am 22. Juli auf der großen Freilichtbühne. Foto: Deutscher Musikrat

So gibt es zum Beispiel Geld für das Projekt Musik aus dem Hühnerstall im Thüringischen Greiz, Boppard in Rheinland-Pfalz finanziert dank des Deutschen Musikrates eine Kinderoper, Nachbarschaftskonzerte im Wald und auf Wiesen soll es in diesem Jahr an verschiedenen kleinen Orten im Münsterland geben. Das sind nur drei von insgesamt 30 Projekten, die im Rahmen von Landmusik 2022 gefördert werden.

Deutscher Musikrat fördert Projekte und zeichnet ländliche Orte aus

Das ganz große Los zieht, wer sich „Landmusikort“ nennen darf und aufs Sieger-Treppchen der drei Bundespreisträger kommt. Diese erhalten ein Preisgeld von 30.000 Euro (1. Preis), 20.000 Euro (2. Preis) und 10.000 Euro (3. Preis). Die Preisgelder sind zweckgebunden und müssen für die Fortführung der ausgezeichneten musikalischen Projekte eingesetzt werden.

Als das Rathaus in Ötigheim damals von der neuen Preis-Ausschreibung erfuhr, war das Frohlocken so groß wie die Chancen und die Aussicht auf Erfolg. Man war sich so sicher: „Wir sind prädestiniert dafür“, erinnert sich Bürgermeister Frank Kiefer. Und ist beseelt, in der Verwaltung Daniela Bauer zu wissen.

Als Chefin von Standesamt und Bürgerservice laufen die Fäden bei ihr zusammen, überdies ist sie Vorstand des Mandolinen- und Gitarrenorchesters. Daniela Bauer kümmerte sich um die Bewerbung, trug alle Unterlagen zusammen, reichte sie in Bonn ein. Das Warten auf den Bescheid war kein Ding. Die Frage war schließlich nicht, ob die Prämie kommt, sondern: wann?

Die Absage kam auf den Weg ins Allgäu

Auf dem Weg ins Allgäu erreichte Frank Kiefer die Nachricht. Kein Preis. „Das war ein Nackenschlag. Denn wir sind ehrgeizig. Das zeichnet uns aus. Wenn in Ötigheim etwas gemacht wird, dann macht man es richtig.“

Fast richtig. Es sei nur ein ärgerlicher Formfehler im Pressespiegel gewesen, dass Ötigheim das Siegel in der ersten Runde vor einem Jahr verpasst hat. So bestätigt es auch Tilman Schlömp vom Deutschen Musikrat, der das Landmusik-Programm leitet. Für ihre Auswahl benötigt die Jury Presseberichte über das Musikleben der Orte aus den vergangenen fünf Jahren.

Die Berichte über Ötigheim aber waren lückenhaft, bedauert Schlömp: „Wenn ausreichend Zeit ist, hake ich da nach. Der Antrag kam aber zu knapp vor Ende der Bewerbungsfrist, um noch etwas nachreichen zu können.“ So kam Ötigheim gar nicht erst auf den Tisch der Jury.

Zweite Bewerbung lief heimlich

„Wir waren völlig geplättet“, sagt Daniela Bauer. Das wollte sie nicht auf sich sitzen lassen. Zwar tröstete Kiefer sie, es sei doch sehr wertvoll, dass mal alle Unterlagen zusammengetragen wurden. Entschied jedoch damals: „Die Zeit ist noch nicht gekommen. Wir stellen keinen erneuten Antrag.“

Daniela Bauer aber machte Überstunden. Die zweite Bewerbung brachte sie klammheimlich und ehrenamtlich auf den Weg, und hoffte ihn überraschen zu können. Mit Erfolg. „Herr Kiefer, gucken Sie mal in ihre Mails“, hieß es. Zwei Tage Urlaub hat Bauer dafür geopfert. „Da dürfen die Bürgermeister dankbar sein, dass es Menschen gibt, die sich so engagieren“, sagt Schlömp.

„Wir wissen, was ins Ehrenamt fließt, geht in unserer Gesellschaft auf“, dankt Frank Kiefer. Und freut sich: „Es ist so schön, dass es Früchte trägt, was unsere Vereine geleistet haben.“

Vom Preisgeld sollen alle Ötigheimer etwas haben

Im Fruchtkorb liegen nun 30.000 Euro zweckgebundenes Preisgeld, mit dem sich die musikalischen Vereine einen Wunsch erfüllen dürfen. „Wir alle wissen, dass das jetzt ein Handlungsauftrag ist. Für uns beginnt ein besonderes Jahr“, sagt Kiefer. Sebastian Kühn, der Musik macht seit er laufen kann und heute dem Verein „StimmKultur“ vorsitzt, will noch nicht zu viel verraten. „Es gibt Ideen, es sollen alle Vereine und Generationen beteiligt sein, aber was das genau ist, das ist noch nicht spruchreif.“

Spruchreif ist aber schon der große Tag, an dem die Auszeichnung verliehen wird: am 22. Juli beim Festlichen Konzert der Volksschauspiele.

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