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Zustrom von Flüchtlingen im Landkreis Rastatt

Rastatter Landrat warnt: Steigende Flüchtlingszahlen bringen Kommunen ans Limit

Die Flüchtlingszahlen steigen, auch im Landkreis Rastatt. Landrat Christian Dusch warnt vor einer Überforderung der Kommunen. Anlass war ein Besuch im Martha-Jäger Haus, in dem 350 Ukrainer leben.

Eine Gruppe Menschen steht in einer Großküche.
Blick in die Gemeinschaftsküche: Staatssekretär Siegfried Lorek (links) macht sich ein Bild vom Martha-Jäger-Haus in Rastatt. Dort leben aktuell rund 350 Ukrainer. Foto: Hans-Jürgen Collet

Landrat Christian Dusch (CDU) schlägt Alarm: „Bei den Gemeinden droht die Erreichung der Belastungsgrenze.“ Die Flüchtlingszahlen seien deutlich höher als 2015. Die Kapazitäten für die Unterbringung würden „immer knapper“. In einigen Gemeinden könnte es notwendig werden, Notunterkünfte einzurichten.

Das Land Baden-Württemberg hat 2022 schon bis Ende August deutlich mehr Flüchtlinge aufgenommen als im gesamten Jahr 2015. In der öffentlichen Wahrnehmung ist die Situation trotzdem entspannter.

Doch in den Verwaltungen und politischen Gremien herrscht Alarmstimmung. Das wurde am Dienstag in Rastatt bei einem Besuch von Siegfried Lorek (CDU), Staatssekretär im Justizministerium Baden-Württemberg, deutlich.

2.556 Ukrainer sind im Landkreis registriert

Dusch und Lorek sprachen mit Vertretern der Landkreiskommunen über das Thema. Im Anschluss besichtigten sie das Martha-Jäger-Haus. Das ehemalige Pflegeheim dient seit dem Frühjahr als Unterkunft für Flüchtlinge aus der Ukraine.

Rund 350 Menschen leben dort aktuell. Insgesamt sind im Landkreis nach Angaben des Landratsamts 2.556 Ukrainer gemeldet, die vor dem Krieg geflohen sind. 500 von ihnen leben in Gemeinschaftsunterkünften. Hinzu kommen 504 Flüchtlinge aus anderen Ländern in weiteren Unterkünften des Landratsamts.

Die Gemeinden unternehmen alles, um an Wohnungen zu kommen.
Christian Dusch, Landrat

Maximal sechs Monate lang liegt die Verantwortung für die Menschen beim Landkreis, dann übernehmen die Kommunen in der sogenannten Anschlussunterbringung. Während der Landkreis Dusch zufolge noch Kapazitäten hat, wird es bei den Kommunen eng. „Die Gemeinden unternehmen alles, um an Wohnungen zu kommen“, sagte der Landrat. Doch angesichts der Zahlen sei fraglich, ob das ausreiche.

Lorek sprach von einer „großen Herausforderung“. Im Jahr 2015 habe Baden-Württemberg rund 101.000 Flüchtlinge aufgenommen. In diesem Jahr seien es bislang allein zwischen 115.000 und 120.000 Ukrainer gewesen. Hinzu kämen rund 15.000 Menschen aus anderen Ländern wie Syrien, Afghanistan, Syrien oder der Türkei.

Täglich kommen zwischen 300 und 350 Flüchtlinge im Land an

Am Montag habe das Land 488 Flüchtlinge registriert. Der Tagesdurchschnitt liege zwischen 300 und 350. In der Regel stamme etwas mehr als die Hälfte davon aus der Ukraine. „Das fordert uns massiv“, sagte Lorek.

Der Staatssekretär blickte auch an die europäischen Außengrenzen. In Italien kämen derzeit täglich 1.000 Flüchtlinge an. Er zitierte aus Gesprächen mit Verantwortlichen vor Ort: „Nahezu alle wollen nach Deutschland.“

Wir konnten Bilder wie 2015 verhindern.
Siegfried Lorek, Staatssekretär

Dass die Bevölkerung der Situation trotzdem deutlich gelassener gegenüberzustehen scheint als vor sieben Jahren, begründete Lorek damit, dass die Aufnahme der Ukrainer im Frühjahr auch dank großer privater Hilfe gut funktioniert habe: „Wir konnten Bilder wie 2015 verhindern.“ Doch jetzt erwarte das Land weiter steigende Zahlen, so dass sich die Situation verschärfe.

Bei den Fraktionssprechern des Kreistags, die beim Besuch im Martha-Jäger-Haus dabei waren, drang die Botschaft durch. Andreas Merkel (CDU) sagte: „Das ist eine Herausforderung, wie wir sie in der Vergangenheit nicht erlebt haben, auch nicht 2015 oder 2016.“ Es werde schwierig für die Kommunen, die Standards bei der Anschlussunterbringung über die Grundbedürfnisse hinaus zu decken.

Wir haben noch Spiel für ein bis zwei Monate
Christian Dusch, Landrat

Manuel Hummel (Grüne) warnte davor, „sehenden Auges gegen die Wand zu fahren“. Das Land und die Kommunen müssten sich auf eine stabil schwierige Situation einstellen. Der Zustrom an Flüchtlingen, die Energiekrise und die Inflation bezeichnete er als „explosives Gemisch“.

Volker Kek (AfD) sprach von einer „kritischen Lage“, die das Potenzial habe, zu Aufständen zu führen. Walter Jüngling (SPD) sieht auf die Region einen „heißen Herbst“ zukommen. Die Situation werde sich nicht schnell entspannen. Er gehe davon aus, dass ein Großteil der Flüchtlinge dauerhaft bleibe.

Nur vereinzelt kehren Menschen in Ukraine zurück

Zumindest bislang sind nur wenige Ukrainer aus dem Landkreis Rastatt in ihre Heimat zurückgekehrt. David Leonte, Leiter des Amtes für Migration und Integration im Landratsamt, sprach von „Einzelfällen“. Der Zustrom sei bedeutend größer.

In dieser Woche erwartet das Landratsamt die Ankunft weiterer 50 Ukrainer. Noch reichen die Plätze in den Gemeinschaftsunterkünften des Landkreises für sie aus: „Wir haben noch Spiel für ein bis zwei Monate“, sagte Dusch.

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