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Sanierung des Museums

Wie ein Redakteur die Stadt Ulm um 2,2 Millionen Euro Zuschuss brachte

Ralf Grimminger ist ein erfahrener Online-Redakteur in Ulm. Jetzt hat er einen Fehler begangen. Die Stadt muss auf schon sicher geglaubte Millionen verzichten. Auch ein Abgeordneter trägt Verantwortung.

Ist geknickt: Der Journalist Ralf Grimminger betreibt das Lokal-Portal „Ulm News“ Er soll dafür verantwortlich sein, dass dem städtischen Museum in Ulm Millionen an Fördergelder versagt bleiben.
Fatale Sperrfrist: Der Journalist Ralf Grimminger betreibt das Lokal-Portal „Ulm News“ Er soll dafür verantwortlich sein, dass dem städtischen Museum Ulm Millionen an Fördergeldern des Bundes entging. Foto: Laura Reusche

Die Pressemitteilung kam per Mail, es ging um einen kräftigen Bundeszuschuss für das städtische Museum Ulm. Ein Routinevorgang, dachte Ralf Grimminger. Ein paar Klicks später waren mehr als zwei Millionen Euro futsch. Und Grimminger stand am Pranger.

Seit 14 Jahren betreibt der gelernte Zeitungsjournalist das Online-Portal „Ulm-News“. So groß wie jetzt war das Interesse an seiner Arbeit wohl noch nie. Ein Lokalredakteur, der einen schon fast sicheren Bundeszuschuss von 2,2 Millionen Euro durch einen Flüchtigkeitsfehler versemmelt, das macht neugierig.

Grimminger räumt seinen Fehler unumwunden ein. „Ich bin schwer geknickt“, sagt er im Gespräch mit dieser Redaktion. Beim Sichten der Pressemitteilung des Ulmer Bundestagsabgeordneten Marcel Emmerich (Grüne) hatte er einen entscheidenden Hinweis übersehen, der mehrfach in der E-Mail stand. Den Hinweis auf eine „Sperrfrist“.

Redakteur aus Ulm veröffentlichte Mitteilung zu früh

„Sperrfrist“ bedeutet, dass der Inhalt erst zu einem bestimmten Zeitpunkt veröffentlicht werden darf. Hintergrund ist dabei meist, dass sich der Absender einen kommunikativen Zeitvorteil verschaffen will.

Das Risiko dabei ist die zu frühe Veröffentlichung. Dass die Konsequenzen so drastisch waren, „das konnte ich erst gar nicht glauben“, sagt der Journalist. Konkret ging es um die für den Mittwochnachmittag erwartete förmliche Entscheidung des Haushaltsausschusses in Berlin über das Programm „Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur“.

Unter den 150 so gut wie bewilligten Anträgen war auch jener der Stadt Ulm für das Museum. Die jeweiligen Wahlkreisabgeordneten waren von ihren Ausschusskollegen vorab informiert. So auch der Bundestagsneuling Emmerich aus Ulm.

Doch keine 2,2 Millionen Euro für die Sanierung des Ulmer Museums

Doch dann kursierten Meldungen im Netz, die die Entscheidung verkündeten, bevor sie gefällt wurde. Neben Ulm betraf dies zwei weitere Wahlkreise in anderen Bundesländern. Im Ausschuss traf man eine disziplinarische Entscheidung: Die durchgestochenen Förderprojekte wurden aus dem Paket herausgenommen. Die vermeintlich gesicherten 2,2 Millionen Euro für die Sanierung des Ulmer Museums waren weg.

„Ulm-News“ hat eine überschaubare Zugriffsrate von 7.000 bis 10.000 „Visits“ am Tag. Nachdem er auf seinen Fehler aufmerksam gemacht wurde, habe er den Artikel schnell entfernt, sagt Grimminger. „Der Text war vielleicht eine Stunde online, in der Zeit dürften ihn etwa 200 Leser zu Gesicht bekommen haben.“ Er wundert sich, dass die Veröffentlichung in Berlin überhaupt bemerkt wurde, sagt Grimminger. Er wirkt ziemlich zerknirscht.

Das ist schwer zu verdauen und macht mich wütend.
Bundestagsabgeordneter Marcel Emmerich (Grüne)

Ziemlich verärgert wirkt der Bundestagsabgeordnete Emmerich. Er teilt mit: „Dass die Förderung für das Museum Ulm aufgrund der Sperrfristpanne doch nicht kommt, ist schwer zu verdauen und macht mich wütend.“ Aus seiner Sicht hat er selbst alles richtig gemacht: „Sperrfristen sind ein übliches Vorgehen und es ist absolut inakzeptabel und unprofessionell, dass die Pressemitteilung trotz Frist von dem Portal veröffentlicht wurde.“

Tragisch: Emmerich hatte sich massiv für das Fördergeld eingesetzt. Er betont: „Ich kann die Enttäuschung aller Beteiligten darüber gut verstehen. Die Finanzierung wäre nicht nur ein wichtiges Zeichen für die Kultur in Ulm, sondern auch für Energieeffizienz und wirksamen Klimaschutz gewesen.“

Martin Gerster verweist auf Regeln im Haushaltsausschuss

Der SPD-Abgeordnete Martin Gerster aus dem Nachbarwahlkreis Biberach sieht das ähnlich. Auch er hielt die Sanierung für unterstützenswert. Auf Anfrage dieser Redaktion sagte er: „ Auch ich hatte mich schon darauf eingestellt, die gute Nachricht zu verkünden.“

Gerster ist selbst Mitglied im Haushaltsausschuss, dem Gremium, das die für Ulm so harte Entscheidung traf. Er trägt sie mit: „Es gibt nun einmal Regeln im Haushaltsausschuss, die für alle gelten und diese sind an der Stelle nicht eingehalten worden.“

Ob das Ulmer Museum in einer zweiten Förderrunde noch einmal eine Chance hat, sei derzeit noch völlig offen. Noch sei beispielsweise nicht klar, ob es eine erneute Ausschreibung gebe.

Aus Ulmer Politikkreisen ist derweil zu hören, dass man die Alleinschuld an der Pleite kaum dem Journalisten zuschreiben könne, dessen erste Aufgabe nun einmal das Veröffentlichen von vorhandenen Informationen sei. Dass der Abgeordnete seine Pressemitteilung Stunden vorher an einen größeren Verteiler geschickt habe, sei ob der Konsequenzen mindestens „fahrlässig“.

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