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Prozess

Gericht entscheidet über Sicherungsverwahrung von Künstler

Es passiert selten, dass ein Angeklagter und der Staatsanwalt einer Meinung sind. In einem nun zu Ende gehenden Prozess ist das der Fall. Das Gericht muss klären, ob der Mann gemeingefährlich ist und auch deutlich nach Ende seiner Haftzeit im Gefängnis bleiben sollte.

Eine Figur der blinden Justitia.
Dem Angeklagten Künstler wurde die hochumstrittene Sicherungsverwahrung angeordnet. Foto: Sonja Wurtscheid/dpa/Symbolbild

Mehr als 14 Jahre nach seiner Verurteilung wegen Totschlags an seiner Mutter und einer abgesessenen Haftstrafe muss ein Gericht entscheiden, ob ein Mann aus Mötzingen noch länger hinter Gittern bleiben muss. Er war schon 2007 zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt worden, im September 2020 ordnete ein Gericht die nachträgliche Sicherungsverwahrung wegen der Wiederholungsgefahr an. Allerdings kassierte der Bundesgerichtshof die Entscheidung im vergangenen Sommer wieder ein und wies den Fall an eine andere Kammer des Stuttgarter Landgerichts zurück. Seit fünf Monaten wird dort nun schon im zweiten Anlauf verhandelt, am Mittwoch (11.30 Uhr) soll die 19. Schwurgerichtskammer ein Urteil sprechen.

Der angeklagte Künstler aus Mötzingen (Kreis Böblingen) hatte 2007 gestanden, seine Mutter mit einem Bildhauer-Schlegel erschlagen zu haben, weil sie ihm nicht wie gewohnt Geld gegeben habe. Der Richter hatte den Angeklagten daraufhin als „seelisch abartigen Sonderling“ bezeichnet, ein Gutachter attestierte ihm im damaligen Prozess eine schwere Persönlichkeitsstörung mit einem Defizit an Einfühlungsvermögen und narzisstischen Zügen.

Im neuen Stuttgarter Verfahren wichen zwei forensische Sachverständige nicht wesentlich von der vernichtenden Prognose für den heute 54-jährigen Mann ab. Die Gefahr, dass er erneut brutal werde, sei „dramatisch hoch“. Unter anderem soll er in mehreren Gefängnissen Vollzugsbediensteten und vor allem Beamtinnen mit dem Tod gedroht haben. Der Mann sei kein Fall für die Freiheit.

Die Staatsanwaltschaft hat erneut die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung beantragt. In seinem letzten Wort hatte sogar der angeklagte Künstler vor Gericht gesagt, er sehe in der Freiheit keine Chance für sich und stimme einer solchen Entscheidung zu. Aus Sicht seines Verteidigers liegen hingegen die Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung nicht vor.

Die Sicherungsverwahrung verhängen deutsche Gerichte anders als die Haft nicht als Strafe, sondern als präventive Maßnahme. Sie soll vor Tätern schützen, die ihre Strafe für ein besonders schweres Verbrechen bereits verbüßt haben, aber weiter als gefährlich gelten.

Eine Sicherungsverwahrung im Nachhinein ist im deutschen Recht hochumstritten. Sie wird erst angeordnet, wenn der Betroffene bereits verurteilt ist und in Haft sitzt. Es müssen aber eine hochgradige Gefahr für schwerste Gewalt- oder Sexualstraftaten sowie eine psychische Störung vorliegen. Zudem muss der Verwahrte jedes Jahr untersucht werden, und die Unterbringung muss sich deutlich von der Strafhaft unterscheiden.

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