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Schwieriger Bildungsgipfel

Kretschmanns Grüne oder die CDU: Wer kann im Schulstreit sein Gesicht wahren?

Der Bildungsgipfel in Stuttgart soll heikle Themen anpacken. Strittig ist das künftige Gymnasial-Modell. Bei der Grundschulempfehlung zeichnet sich ein Kompromiss ab.

Schüler melden sich in einer vierten Klasse in einer Grundschule in Stuttgart.
Wer darf sich zu Wort melden, wenn es um die Schulwahl der Kinder geht? Im Dauerstreit um die verbindliche oder unverbindliche Grundschulempfehlung zeichnet sich ein Kompromiss in der grün-schwarzen Koalition ab. Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Schaffen es die grün-schwarzen Koalitionäre, ihre ideologischen Gräben in der Schulpolitik zu überbrücken? Das ist die entscheidende Frage für Erfolg oder Misserfolg des Bildungsgipfels, zu dem Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) an diesem Freitag nach Stuttgart eingeladen hat.

Sollen künftig sogar die Hauptschulen stärker gefördert werden – oder soll neben dem Gymnasium nur ein weiterführender Schultyp überleben? Das ist nur einer der neuralgischen Punkte.

Bei dem Treffen geht es um grundlegende Reformen im Bildungssystem: um die frühe Sprachförderung, um das neunjährige Gymnasium (G9), aber auch um die Zukunft von Realschulen, Haupt- und Gemeinschaftsschulen. Auch das Reizthema Grundschulempfehlung wird diskutiert.

Schopper will schon 2025 das neunjährige Gymnasium starten

An den Tisch gebeten hat die Regierung aus Grünen und CDU auch die Oppositionsparteien SPD und FDP – nur die AfD-Fraktion ist beim Bildungsgipfel unerwünscht. Ursprünglich hatte sich die baden-württembergische Landesregierung einen Schulfrieden verordnet, doch die erfolgreiche Volksinitiative gegen das achtjährige Turbo-Gymnasium hat das Stillhalteabkommen durchkreuzt.

Wie die Rückkehr zu G9 aussehen soll, ist eines der zentralen Themen beim Bildungsgipfel. Zum Zeitpunkt hat sich Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) schon mehrfach öffentlich geäußert: „Wenn es nach mir geht, wäre zum Schuljahr 2025/26 der richtige Zeitpunkt.“

Strittig ist die Frage: Welchen G8-Ausweg bietet das Land den Ausnahmeschülern an?

Brisanter ist eine andere Frage: Welchen Ausweg eröffnet man jenen begabten und schnellen Schülern, die trotzdem in nur acht Jahren durchs Gymnasium sprinten wollen? Und da prallen die unterschiedlichen Vorstellungen von Grünen und CDU aufeinander. Kultusministerin Schopper liebäugelt mit dem bayerischen Modell: Dort können leistungsstarke Schüler die elfte Klasse überspringen – nach einer mehrjährigen Zusatzförderung. Nein, sagt dazu Manuel Hagel.

„Wir erachten das bayerische Modell als nicht sinnvoll“, erklärte der CDU-Landesvorsitzende und Landtagsfraktionschef gegenüber der Schwäbischen Zeitung. Er würde den begabten Schülern gerne durchgängige G8-Züge an diversen Standorten im Land anbieten.

Das Etikett „Verbundschule“ könnte den Streit um die „Einheitsschule“ elegant lösen

Dass sich Hagel und Schopper vor dem Bildungsgipfel positionierten, registrierten manche Regierungspartner verschnupft. Als hochstrittig gilt die Diskussion um die sogenannte „Zweisäuligkeit“ des Schulsystems. Das heißt: Neben dem Gymnasium soll es nur ein weiteres Angebot geben. Entsprechende Äußerungen aus dem Grünen-Umfeld haben den Realschullehrerverband (RLV) bereits auf die Palme getrieben.

„Eine Einheitsschule wäre Gift für unser Bildungssystem“, sagte Landesvorsitzende Karin Broszat dieser Zeitung. Die Furcht, die Grünen wollten ihrem Lieblingsprojekt Gemeinschaftsschule zum Sieg verhelfen, sitzt tief.

CDU-Chef Hagel möchte klassische Hauptschulen stärken

CDU-Chef Hagel hat sich für eine Stärkung der klassischen Hauptschulen ausgesprochen, doch hinter den Kulissen zeichnet sich nach Informationen aus Koalitionskreisen ein eleganter Kompromiss ab: Man spricht von einer „zweiten Säule“ neben dem überaus beliebten Gymnasium – aber in diese Säule sollen auch sogenannte Verbundschulen passen.

Realschulen und Hauptschulen können sich zu solchen Verbundschulen zusammenschließen. Unter einer gemeinsamen Führung würden sie dann trotzdem klar getrennte Wege zur Mittleren Reife und zum Hauptschulabschluss anbieten. Andernorts könnten Gemeinschaftsschulen mehrere Abschlüsse anbieten. So bekämen die Grünen ihr Zwei-Säulen-System, aber die CDU könnte teilweise das klassische dreigliedrige Bildungssystem stärken.

Unerfüllbare Versprechungen helfen uns nicht weiter.
Steffen Jäger
Gemeindetagspräsident

Auch beim Dauerstreit um die Grundschulempfehlung scheint eine gesichtswahrende Lösung nah. „Zwei-aus-drei-Regel“ heißt hier das Zauberwort. Ein einfaches Zurück zur alten Pflicht-Empfehlung der Schule gäbe es nicht. Lehrer, Eltern und ein zusätzlicher Test würden darüber entscheiden, auf welche weiterführende Schule ein Kind gehen soll. Die Mehrheit der Ergebnisse zählt am Ende. Sind sich Eltern und Lehrkräfte uneinig, gibt das Testergebnis den Ausschlag.

Den Schulträgern in den Kommunen bereiten vor allem die Kosten möglicher Schulreformen große Sorgen. „Alles Wünschenswerte gleichzeitig anzugehen und dabei auch erfolgreich zu sein, scheint kaum leistbar“, warnte Gemeindetagspräsident Steffen Jäger. „Unerfüllbare Versprechungen helfen uns nicht weiter.“

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