Skip to main content

Kirchenbeben in Freiburg

Missbrauchsbericht belastet die früheren Erzbischöfe Saier und Zollitsch schwer

Krasses Fehlverhalten und Versagen: So lautet der Vorwurf, der im Abschlussbericht zum Missbrauchsgeschehen in der Erzdiözese Freiburg gegen zwei ehemalige Erzbischöfe erhoben wird.

Der ehemalige Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch.
Schwere Vorwürfe werden im Missbrauchsbericht gegen den ehemaligen Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch erhoben. Foto: Patrick Seeger/dpa

Der am Dienstag in Freiburg vorgestellte Abschlussbericht zum Missbrauchsgeschehen in der Erzdiözese hat den früheren Erzbischöfen Oskar Saier (Amtszeit 1978 bis 2002) und Robert Zollitsch (2003 bis 2014) krasses Fehlverhalten und Versagen vorgeworfen.

Der heutige Erzbischof Stephan Burger sagte, es mache ihn fassungslos, „dass die beiden wider besseren Wissens so handeln konnten“. Burger selbst macht der Bericht indes kaum Vorwürfe, seit dessen Amtsantritt 2014 habe es keine Fälle von Vertuschung mehr gegeben.

Für Zollitsch könnte der Bericht hingegen noch Folgen haben. Ein entsprechendes Verfahren im Vatikan sei eingeleitet, sagte Burger.

24 exemplarische Fälle aufgearbeitet

Der Bericht der „Arbeitsgruppe (AG) Machtstrukturen und Aktenanalyse“ hat Umgang mit sexuellem Missbrauch in der Erzdiözese aufgearbeitet und am Dienstag den Abschlussbericht vorgelegt.

Vier externe Fachleute haben dafür Akten beschuldigter Priester ausgewertet, noch lebende Beschuldigte und Betroffene befragt. Die Studie arbeitet 24 exemplarische Fälle auf. Die AG geht von 250 beschuldigten Priestern und mindestens 540 Betroffenen aus. Es gebe zudem ein großes Dunkelfeld.

Im Ergebnis hält die AG Fehlverhalten und Versagen Saiers und Zollitschs fest. Saier ist 2008 gestorben, Zollitsch ist heute 84 Jahre alt. Insbesondere seien einige Akten nicht mehr auffindbar. Nur durch Protokolle der wöchentlichen Sitzungen der Kirchenleitung, des Ordinariats, habe man Vergehen rekonstruieren können, erläuterte der Leiter der AG, der Jurist Eugen Endress.

Interesse galt Priestern – nicht Betroffenen

Zollitsch war in Saiers Erzbishofs-Amtszeit Personalreferent in der Kirchenleitung, mit einer starken Stellung, wie Endress erläuterte. Saier ließ Zollitsch dem Bericht zufolge freie Hand. Im Umgang mit beschuldigten Priestern habe Saier gesagt: „Mach’s Du. Robert“. Saiers Interesse habe den Priestern gegolten, nicht den Betroffenen.

Zollitsch habe in seiner Amtszeit als Erzbischof weiter Fehlverhalten von Priestern vertuscht. Besonders pikant ist, dass er von 2008 bis 2014 Vorsitzender der Bischofskonferenz war. Schon der damalige Papst Johannes Paul II. habe 2001 die Rechtslage geändert, seitdem habe jeder Ortsbischof Missbrauchsvorfälle an Rom melden müssen, das habe aber während Zollitschs Amtszeit nicht stattgefunden, so der Bericht. Zollitsch selbst hatte am Montag erklärt, sich nicht zu dem Bericht äußern zu wollen.

Burger spricht von unprofessionellem Umgang

Burger sprach von fehlerhaftem und unprofessionellen Umgang mit den Tätern durch seine Amtsvorgänger „Wir werden aus den Fehlern der Vergangenheit lernen“, versicherte er. Ziel sei, künftig bestmöglich Missbrauch zu verhindern.

Der Betroffenenbeirat der Erzdiözese äußerte massive Kritik an Zollitsch. „Bis in das Jahr 2014 scheint im Ordinariat eine menschlich nicht nachvollziehbare Kälte und Gleichgültigkeit gegenüber Missbrauchsvorwürfen, und vor allem gegenüber Betroffenen geherrscht zu haben.“ Man fordere, Porträts von Saier und Zollitsch in öffentlichen und kirchlichen Räumen abzuhängen.

Die Vorsitzende des Diözesanrats, Martina Kastner, sprach gegenüber unserer Reaktion von einem erschütternden Befund. Burger gehe sehr klar mit dem Missbrauch um, höre auf die Betroffenen. Aber die Ursachen des Missbrauchs packe er weiter nicht richtig an. Die toxischen Strukturen, die in der Kirche Missbrauch begünstigten, bestünden fort.

Der Karlsruher Dekan Hubert Streckert sprach gegenüber unserer Redaktion von einem Schicksalstag für die Erzdiözese. Er sei von den Ergebnissen des Berichts geschockt. „Gleichzeitig habe ich Wertschätzung und Hochachtung für Burger, dass er in aller Klarheit den Aufarbeitungsprozess vorantreibt und damit Leitung wahrnimmt.“

nach oben Zurück zum Seitenanfang