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Fragen und Antworten

Notfallpraxen in Baden-Württemberg schließen: Was man jetzt wissen muss

Wegen eines Gerichtsurteils wird der ärztliche Notfalldienst in Baden-Württemberg eingeschränkt – etwa in Rastatt, Mühlacker und Waghäusel-Kirrlach. Einige Notfallpraxen schließen ganz, andere teilweise. Was bedeutet das für Patientinnen und Patienten?

Auf einem Wegweiser an einer Straße vor einem Krankenhaus steht ein Hinweisschild auf eine Notfallpraxis.
Von der „Notbremse“ der KVBW sind die 115 Notfallpraxen in Baden-Württemberg betroffen. Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Es ist ein Richterspruch mit weitreichenden Folgen: Wegen eines Urteils des Bundessozialgerichts gilt in Baden-Württemberg seit Mittwoch ein Notfallplan für den ärztlichen Bereitschaftsdienst.

Patientinnen und Patienten müssen sich außerhalb der Sprechzeiten und am Wochenende auf längere Wartezeiten oder weitere Fahrtwege zur nächsten Notfallpraxis einstellen.

Acht Notfallpraxen in Baden-Württemberg werden geschlossen

Welche Folgen hat das Urteil genau? David Nau und Oliver Schmale haben die Antworten auf die wichtigsten Fragen zusammengetragen

Warum müssen in Baden-Württemberg einige Notfallpraxen schließen?
Bisher wurde der ärztliche Bereitschaftsdienst in Baden-Württemberg von niedergelassenen Ärzten mit eigener Praxis und von rund 3.000 Poolärzten geleistet, die nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung in Baden-Württemberg (KVBW) etwa 40 Prozent der Dienste in den Notfallpraxen freiwillig übernahmen. Poolärzte sind nach Angaben der KVBW Ärztinnen und Ärzte, die keine Kassenzulassung haben, also unter anderem Mediziner, die im Krankenhaus arbeiten, die kurz vor der Facharztanerkennung stehen oder die bereits im Ruhestand sind. Wegen eines Gerichtsurteils teilte die KVBW am Dienstag mit, mit „sofortiger Wirkung die Tätigkeit der Poolärztinnen und Poolärzte“ zu beenden. Weil deren Wegfall nicht kompensiert werden könne, kündigte die KVBW die Schließung von acht Notfallpraxen und die Teilschließung von sechs Praxen unter der Woche an. Zudem sollen in fast allen weiteren Praxen die Öffnungszeiten reduziert werden.
Was hat das Gericht entschieden?
In dem Fall vor dem Bundessozialgericht in Kassel ging es um einen Zahnarzt, der als Poolarzt von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung organisierte Notdienste ableistete. Das Gericht urteilte am Dienstag, dass der Arzt dabei nicht automatisch selbstständig tätig sei, sondern sozialversichert werden müsse. Weil die Organisation der Bereitschaftsdienste der Allgemeinärzte sehr ähnlich wie die der Zahnärzte sei, sei das Urteil übertragbar, teilte die KVBW mit. „Das bestehende System des ärztlichen Bereitschaftsdienstes in Baden-Württemberg kann daher in der bisherigen Form nicht weitergeführt werden“, hieß es weiter. Bisher habe man davon ausgehen dürfen, dass die Poolärzte nicht abhängig beschäftigt seien. Das gelte nun nicht mehr. „Wir brauchen jetzt die erforderliche Zeit, um über die zukünftige Einbindung der Poolärzte die notwendigen rechtlichen Grundlagen und Vorkehrungen zu treffen und die Voraussetzungen dafür zu schaffen“, teilte ein Sprecher der KVBW mit.
Welche Ärzte betrifft das genau?
Von der „Notbremse“ der KVBW sind die 115 Notfallpraxen in Baden-Württemberg betroffen. Geschlossen werden die Praxen in Geislingen, Schorndorf, Möckmühl, Buchen, Waghäusel-Kirrlach, Künzelsau, Bad Säckingen und Schopfheim. Zudem kommt es zu Einschränkungen in Mühlacker, Bietigheim-Bissingen, Rastatt, Singen, Herrenberg und Villingen-Schwenningen. Dort machen die Notfallpraxen unter der Woche gar nicht mehr oder nur noch teilweise auf, sondern konzentrieren sich auf das Wochenende und Feiertage. Nicht betroffen von den Maßnahmen sind die Notdienste der Augenärzte und der HNO-Ärzte. Auch die Kindernotfallpraxen bleiben laut KVBW bestehen, in einigen werden allerdings die Öffnungszeiten reduziert.
Warum werden gerade diese Praxen geschlossen?
Die geschlossenen Notfallpraxen liegen vor allem im ländlichen Raum und in kleineren Städten. Als Grund für die Schließung nannte ein Sprecher der KVBW deren Inanspruchnahme. „Die ist in den großen Städten viel höher als auf dem Land“, sagte er. Zudem habe man Ausweichmöglichkeiten auf nahe gelegene Notfallpraxen berücksichtigt.
Bis wann gelten die Einschränkungen in den Notfallpraxen?
Die „Notbremse“ greife für mindestens drei Monate, schreibt die KVBW auf ihrer Internetseite. Wie die Struktur des Bereitschaftsdienstes künftig aussehen werde, sei noch völlig offen. „Das werden wir erst entscheiden, wenn uns die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt und wir alle Details kennen“, teilten die KVBW-Vorstände Karsten Braun und Doris Reinhardt am Dienstag mit.
Was ist der Unterschied zwischen Notarzt und Rettungsdienst, Notaufnahme und Notfallpraxis?
Notärzte und der Rettungsdienst sind für wirklich dringende Notfälle zuständig. Dabei geht es laut Landesrettungsdienstgesetz um Kranke oder Verletzte, die sich in Lebensgefahr befinden oder bei denen schwere gesundheitliche Schäden zu befürchten sind. Den Rettungsdienst oder den Notarzt erreicht man über die Notrufnummer 112. Die Patienten bringt der Rettungsdienst normalerweise in die Notaufnahme eines Krankenhauses, wo diese dann weiterbehandelt werden. Auch Notaufnahmen sind nur für Notfälle vorgesehen. Dort werden etwa keine Krankmeldungen ausgestellt. Der ärztliche Bereitschaftsdienst hilft dagegen weiter, wenn der Hausarzt nicht geöffnet hat, etwa am Wochenende, an Feiertagen oder abends. Erreichbar ist der Dienst unter der Nummer 116117. Dort erfahren Patientinnen und Patienten, wo die nächste Notfallpraxis ist, bei Bedarf kommt auch ein Arzt oder eine Ärztin nach Hause. In Baden-Württemberg sind die zentralen Notfallpraxen häufig an Krankenhäuser angegliedert.
Was ist mit den Zahnärzten?
Auch wenn vor dem Bundessozialgericht der Fall eines Zahnarztes aus Baden-Württemberg verhandelt wurde, bleibt der Notdienst der Zahnärzte in Baden-Württemberg erst mal unangetastet. Für die Patientinnen und Patienten werde sich kurzfristig nichts ändern, teilte ein Sprecher der Kassenzahnärztlichen Vereinigung mit. Der Notdienst werde weit überwiegend in den Praxen der niedergelassenen Zahnärzte geleistet, Notdienstzentren wie bei den Allgemeinärzten gebe es nur in Heidelberg, Mannheim und Stuttgart.
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