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Kino-Neustart

Comic-Movies bis in alle Ewigkeit? Welche Folgen der neue Marvel-Film „Dr. Strange“ haben könnte

Mit überaus erfolgreichen Superheldenfilmen hat das Comicstudio Marvel in den vergangenen 14 Jahren eine Vorherrschaft auf dem Kinomarkt errungen. Kann der neue Film, der ein „Multiversum“ eröffnet, diesen Boom fortsetzen?

Benedict Cumberbatch as Dr. Stephen Strange in Marvel Studios' DOCTOR STRANGE IN THE MULTIVERSE OF MADNESS.
Wer bin ich – und wenn ja, wie viele? Diese Frage bekommt für den Titelheld des Comicfilms „Dr. Strange in the Multiverse of Madness“, gespielt von Benedict Cumberbatch, existenzielle Bedeutung, denn er bekommt es mit einer Vielzahl von Paralleluniversen zu tun. Foto: Marvel Studios 2022

Der jüngste „Spider-Man“-Film ist kaum aus den Kinos verschwunden, da naht mit „Dr. Strange in the Multiverse of Madness“ an diesem Mittwoch, 4. Mai, das nächste Superhelden-Abenteuer, das reihenweise Leinwände belegen wird.

Mit dem mittlerweile 28. Film in 14 Jahren setzt die Comic-Schmiede Marvel ihre hohe Schlagzahl fort – und könnte diese künftig sogar noch erhöhen. Denn der neue Film um den Magier Dr. Strange öffnet das Portal zum sogenannten „Multiversum“, das die Möglichkeit für Variationen des Immergleichen massiv erhöht.

Unser Redaktionsmitglied Andreas Jüttner erklärt, worum es bei diesem Projekt geht und was dies sowohl für den Marvel-Kosmos als auch für die Filmlandschaft bedeuten könnte.

Was ist eigentlich dieses Marvel Cinematic Universe?

Kurz nach der Jahrtausendwende wurden Comic-Verfilmungen zunehmend populär und Superhelden-Trilogien wie „Spider-Man“ und „X-Men“ erzielten große Erfolge. Um einerseits den vollen Gewinn statt nur der Lizenzgebühren einzunehmen und andererseits die kreative Kontrolle zu behalten, gründete die Comicfirma Marvel 2007 ihr eigenes Studio, um ein zusammenhängendes Film-Universum um ihre Figuren aufzubauen.

Worum genau geht es in diesen Filmen?

Meistens um den klassischen Kampf eines oder mehrerer Superhelden gegen böse Gegner, die eine Stadt, ein Land oder gleich die ganze Erde bedrohen.

Und das ist erfolgreich?

Oh ja. Von den 23 Filmen, die vom Auftakt mit „Iron Man“ im Jahr 2008 bis zum ersten großen Höhepunkt der Filmreihe „Avengers: Endgame“ in die Kinos kamen, landeten zehn deutlich über der Milliarden-Dollar-Grenze und nur drei spielten weniger als 500 Millionen Dollar ein. Das bisherige Gesamtergebnis wird auf über 25 Milliarden Dollar beziffert.

Aber wird das über eine so lange Zeit hinweg nicht langweilig?

Bislang noch nicht. Denn die Gefahr einer gleichförmigen Struktur besteht bei fast allen Filmgenres. Auch beim Krimi oder bei der Lovestory besteht der Trick darin, das immer gleiche Muster auf immer neue Weise zu erzählen. Das Marvel-Studio hat dies auf die Comic-Filme übertragen und in den ersten Jahren für jede Hauptfigur eine eigene filmische Tonart gewählt. Die Abenteuer von „Iron Man“ etwa waren eher moderne Agentenfilme mit originellen Gadgets, der Handlungsstrang um „Captain America“ wurde in Kriegsfilmen erzählt, bei „Thor“ wurden Elemente aus Fantasy und antikem Drama gemischt und „Black Panther“ war der erste weltweite Blockbuster von einem weitgehend schwarzen Team hinter und vor der Kamera.

Schön und gut, aber ist das alles?

Nein. Indem es Marvel gelungen ist, auf lange Handlungsbögen und vielschichtige Figuren zu setzen, entsteht in der eigentlich absurden Welt von Comichelden ein bemerkenswert hohes emotionales Identifikationspotenzial. Das gilt sogar für den sprechenden (und tanzenden!) Baum in der musiklastigen Weltraumkomödie „Guardians of the Galaxy“, dessen Wortschatz ausschließlich aus einem Satz besteht: „Ich bin Groot.“

Aha. Und was soll der neue Film bringen?

Ein „Multiversum“ soll die Möglichkeiten erweitern. Denn trotz der genannten Variationen sind mit Filmen wie „Black Widow“ und „Eternals“ nun doch erste Ermüdungserscheinungen aufgetreten. Zudem können Comicfiguren zwar über Jahrzehnte hinweg immer im gleichen Alter gezeichnet werden, ihre Darsteller im Film aber sind vor dem Altern nicht gefeit. Um das bislang gepflegte Konzept also nicht völlig totzureiten, geht Marvel nun im Kino den gleichen Weg wie schon seit einiger Zeit auf dem Comicmarkt: Das MCU erweist sich als Ansammlung zahlreicher Paralleluniversen, in denen bekannte Figuren mit anderem Erscheinungsbild und anderen Charaktermerkmalen auftreten können.

Was genau hat dieser „Dr. Strange“ damit zu tun?

Der von Benedict Cumberbatch gespielte Magier ist ein mystischer Wächter, der die Erde vor Invasionen aus anderen Dimensionen beschützt. Allerdings hat er mit einem Zauberspruch im jüngsten „Spider-Man“-Film „No Way Home“ versehentlich Pforten zu Paralleluniversen geöffnet und dadurch zwei frühere Spider-Man-Darsteller sowie Schurken aus früheren Filmen in das aktuelle Marvel-Universum gebracht. Im neuen Film dürften die Auswirkungen deutlich drastischer sein.

Moment mal: Heißt das, dass jetzt dank des Mulitversums alle Marvel-Stories theoretisch immer wieder neu erzählt werden können? Und was bedeutet das für die Vielfalt im Kinoangebot?

Heikle Frage. Marvel hat schon vor Jahren massiv damit begonnen, andere Produktionen von den Leinwänden zu verdrängen. Unter anderem durch eine aggressive Verleihpolitik, die 2015 bei „Avengers: Age of Ultron“ sogar dazu führte, dass etliche kleinere Kinos den Film boykottierten, weil er überproportional hohe Gebühren gekostet und ihre wenigen Säle über Wochen hinweg komplett belegt hätte. Derart offensichtlich agiert das Unternehmen nicht mehr. Aber allein die hohe Schlagzahl weiterer geplanter Filme lässt erwarten, dass man auch weiterhin kaum in ein Multiplex gehen kann, ohne irgendeinen gerade aktuellen Marvel-Film angeboten zu bekommen.

Und wenn mich das trotz allem nicht so interessiert: Gibt es im Kino auch noch was anderes zu sehen als Superhelden?

Klar, wenn auch nicht mehr so häufig wie vor dem Marvel-Boom. Aktuell laufen beispielsweise der britische Historienfilm „Downton Abbey II“, die deutsche Schulsatire „Eingeschlossene Gesellschaft“ oder die ungewöhnliche Aufarbeitung des Falls um den deutschen Guantanamo-Häftling Murat Kurnaz mit dem Titel „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“.

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