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Die Ohnmacht der Opposition

Grüne, Linke und AfD stehen in der Corona-Pandemie vor einem Dilemma

Der Kampf gegen die Corona-Pandemie beschert der Großen Koalition in Berlin ein ungeahntes Umfragehoch. Die Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger zu den beschlossenen Maßnahmen ist groß. Zum ersten Mal seit der Bundestagswahl vor bald drei Jahren haben CDU/CSU und SPD wieder eine Mehrheit. Die Oppositionsparteien tun sich dagegen schwer, mit ihren Themen durchzudringen.

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IMAGE-168951 Foto: N/A

Der Kampf gegen die Corona-Pandemie beschert der Großen Koalition in Berlin ein ungeahntes Umfragehoch. Die Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger zu den beschlossenen Maßnahmen ist groß. Zum ersten Mal seit der Bundestagswahl vor bald drei Jahren haben CDU/CSU und  SPD wieder eine Mehrheit. Die  Oppositionsparteien tun sich dagegen schwer, mit ihren Themen durchzudringen.

Noch nie waren sie in Bayern so stark.Bei den Kommunalwahlen im weiß-blauen Freistaat im März konnten die Grünen im Vergleich zu 2014 ihr Ergebnis um 7,1 Punkte auf landesweit 17,3 Prozent steigern, die Zahl der Mandate stieg von 1683 auf 2951. Damit festigten sie ihre Position als zweitstärkste Kraft im Land hinter der CSU.

Die grüne Welle ist gebrochen.
CSU-Generalsekretär Markus Blume

Doch die Träume, im größeren Ausmaß auch die Chefsessel in den Rathäusern oder Landratsämtern zu erobern, platzten im Angesicht der Corona-Pandemie wie eine Seifenblase.

Fernseh-Ansprache
Hohe Zustimmungswerte gibt es für Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Bevölkerung unterstützt den Kurs der Regierung im Kampf gegen das Coronavirus. Die Opposition tut sich schwer, mit ihren Themen durchzudringen. Foto: dpa Foto: Steffen Kugler/Bundesregierung /dpa

In den fünf größten Städten Bayerns schafften es ihre Kandidatinnen und Kandidaten nicht einmal in die Stichwahl, in Miesbach verlor der amtierende Grünen-Landrat sogar spektakulär gegen seinen CSU-Herausforderer. Unterm Strich stellen sie künftig gar weniger Bürgermeister als in der vorigen Periode. „Die grüne Welle ist gebrochen“, stellte CSU-Generalsekretär Markus Blume zufrieden fest.

Die Regierungspartei kann punkten

Und auch die Grünen mussten einräumen, dass sie mit ihren Themen nicht durchgedrungen seien. Der Kampf gegen Corona habe alles andere überlagert. Umwelt- und Klimaschutz waren schlagartig von der Agenda verschwunden, selbst in den grünen Hochburgen. Im Angesicht der Pandemie habe vor allem die CSU als Regierungspartei punkten können.

Opposition ist Mist.
Ex-SPD-Chef Franz Müntefering

„Opposition ist Mist“, sagte einst der frühere SPD-Chef Franz Müntefering. Im Angesicht der Corona-Pandemie wird den Oppositionsparteien ihre Ohnmacht vor Augen geführt.

Die Regierung, ausgestattet mit der Fülle der Macht, den hoheitlichen Kompetenzen und dem Zugriff auf die finanziellen Ressourcen des Staates, dominiert in der öffentlichen Wahrnehmung, dagegen hält sich das Interesse für die Grünen, die FDP, die Linke und die AfD sowie deren Themen in Grenzen.

Union macht in Umfragen einen Sprung nach oben

Das belegen auch aktuelle Umfragen. Die Union, die Partei der Kanzlerin, des Gesundheitsministers und etlicher Ministerpräsidenten, macht einen gewaltigen Sprung nach oben und kann sich um gut sieben Punkte auf 35 Prozent verbessern, dagegen profitiert die SPD von den hohen Zustimmungswerten für die Regierungsarbeit nicht und bleibt bei 16 Prozent.

Grüne nähern sich der 20-Prozent-Marke

Die Oppositionsparteien verlieren dagegen allesamt an Zustimmung. Die Grünen, die schon mal bei 24 Prozent waren, nähern sich wieder der 20-Prozent-Marke, Linke und FDP verharren bei sieben und fünf Prozent und die AfD kommt auf nur noch zehn Prozent. Nach langer Zeit hätten Union und SPD damit wieder eine Mehrheit im Bundestag.

Balanceakt auf dem Hochseil

Auch inhaltlich stehen die Oppositionsparteien vor einem Dilemma. Der Spagat zwischen Unterstützung der Regierung bei ihrem Kampf um den Schutz der Menschen vor dem Virus und Kritik an den beschlossenen Maßnahmen gleicht einem Balanceakt auf dem Hochseil.

Einerseits wollen sie der Regierung nicht in den Rücken fallen, andererseits ihr aber auch keinen Blankoscheck ausstellen. Noch befürwortet eine übergroße Mehrheit der Bevölkerung den Kurs der Bundesregierung, Fundamentalopposition käme schlecht an.

Kurs der "kritischen Zustimmung"

FDP, Grüne und Linke haben sich angesichts der dramatischen Umstände für einen Kurs der „kritischen Zustimmung“ entschieden, für ein „Ja, aber“. Im Bundestag stimmten sie sowohl dem beschleunigten Verfahren mit der Verkürzung aller Beratungsfristen als auch den Gesetzespaketen wie den Schutzschirmen für Unternehmen, Beschäftigte und Mieter zu und verhalfen der Regierung zur notwendigen Mehrheit.

Schaden vom deutschen Volk und der Bevölkerung abwenden
FDP-Partei- und Fraktionschef Christian Lindner

„Regierung und Opposition tragen in diesen Zeiten eine gemeinsame staatspolitische Verantwortung“, sagt FDP-Partei- und Fraktionschef Christian Lindner. Wer im Bundestag auf den Oppositionsbänken sitze, trage in einzelnen Ländern oder in den Landratsämtern und Rathäusern exekutiv Verantwortung. „Wir sind gemeinsam als Fraktionen doch durch ein Ziel verbunden, nämlich Schaden vom deutschen Volk und der Bevölkerung abzuwenden.“

Der Koalition Zugeständnisse abgetrotzt

Ähnlich argumentiert Katrin Göring-Eckart, die Fraktionschefin der Grünen: „Wir machen das hier, soweit es geht, zusammen, denn es geht um Vertrauen, Vertrauen in einen handlungsfähigen Staat, der keine und keinen vergisst.“

Nicht ohne Stolz verweisen die Oppositionsparteien darauf, dass es ihnen trotz der Kürze der Zeit gelungen sei, der Großen Koalition in der parlamentarischen Beratung Zugeständnisse abzutrotzen, die Regierungsentwürfe zum Teil zu entschärfen und eine zeitliche Befristung der Eingriffe in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger durchzusetzen.

Basis übt Kritik am Kuschelkurs

Gleichwohl regt sich an der Basis wegen dieses Kuschelkurses auch Widerstand. In einem Online-Seminar musste sich die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann, dieser Tage kritische Fragen gefallen lassen.

Wann denn die Grünen wieder in die Rolle der Opposition zurückfänden und warum sie die massiven Eingriffe in die Grundrechte gebilligt hätten, wurde sie nach Teilnehmerangaben gefragt. Haßelmann verteidigte sich. Die Zustimmung sei „Ergebnis einer Abwägung“, die Unterscheidbarkeit der Parteien bestehe trotz Corona fort.

Sonderweg der AfD

Einen Sonderweg geht dagegen die AfD. Einerseits wirft sie der Regierung bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie – wie schon bei der Flüchtlingskrise 2015 – „Versagen“ vor. So spricht Fraktionschefin Alice Weidel von „Chaos und Kompetenzwirrwarr“.

Andererseits leugnen Teile der Partei noch immer die Gefahr, die von dem Virus ausgeht. So sagt der Abgeordnete Armin Paulus Hampel, die Krise sei möglicherweise „inszeniert“ oder „herbeigeredet“, Covid-19 sei „nicht mehr als eine verhältnismäßig leichte Grippe“.

Hampel hat in einer Nachricht an die BNN-Redaktion zu diesen Aussagen Stellung bezogen. Seiner Ansicht nach wird er in der NDR-Sendung "Panorama", auf die sich unsere Passage bezieht, nicht angemessen wiedergegeben. So habe er unter anderem erklärt, dass das Coronavirus laut allgemein akzeptierter Erkenntnis für 80 bis 85 Prozent der Infizierten eher eine leichte Grippe sei. Zehn bis 15 Prozent der Betroffenen seien jedoch "an Leib und Leben bedroht".

Bei der Sondersitzung des Bundestags missachteten dann auch AfD-Abgeordnete mehrfach das strenge Kontaktverbot und die Bitte um Distanz, sondern standen im Plenarsaal dicht gedrängt beisammen.

Gauland lobt die Regierung Merkel

Immerhin, in der Sondersitzung des Bundestags rang sich Fraktionschef Alexander Gauland zu einem Lob für die sonst heftig kritisierte Regierung Merkel durch: „Die Regierungspolitik enthält viele Einsichten, die wir für richtig halten und die wir teilen.“ Und weiter: „Zusammenstehen ist jetzt erste Bürgerpflicht.“

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