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Entsetzen über Pläne zur „Remigration“

Kann man so einfach ins Ausland abgeschoben werden?

Das Grundgesetz schützt alle deutschen Staatsbürger. Das gilt auch für Eingebürgerte. Und mit Drittländern müsste man erst einmal Verträge abschließen.

In ganz Deutschland gehen Hunderttausende auf die Straße, um gegen die Ausbürgerungspläne von Rechtsextremisten und Anhängern der identitären Bewegung zu demonstrieren. Auch in Nord- und Mittelbaden gab es Protestveranstaltungen.
In ganz Deutschland gehen Hunderttausende auf die Straße, um gegen die Ausbürgerungspläne von Rechtsextremisten und Anhängern der identitären Bewegung zu demonstrieren. Auch in Nord- und Mittelbaden gab es Protestveranstaltungen. Foto: Carsten Koall/dpa

Das Entsetzen ist groß. Seitdem bekannt wurde, dass bei einem geheimen Treffen von Rechtsextremisten und Angehörigen der identitären Bewegung in Potsdam, bei dem auch AfD-Politiker teilnahmen, Pläne über die Abschiebung von Millionen Menschen aus Deutschland diskutiert wurden, gehen im ganzen Land Hunderttausende auf die Straßen.

Auch in Nord- und Mittelbaden ist es zu Demonstrationen gegen die sogenannte „Remigration“ gekommen. Aber ist es überhaupt möglich, nicht nur abgelehnte Asylbewerber, sondern auch Ausländer mit Bleiberecht und sogar „nichtassimilierte Eingebürgerte“, die einen deutschen Pass besitzen, abzuschieben?

Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Kann einer Person, die als Kind deutscher Eltern in Deutschland geboren wird und somit automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, diese wieder aberkannt werden und sie in ein anderes Land abgeschoben werden?
„Nein, das ist nicht möglich“, sagt Alexander Thiele, Professor für Staatstheorie und Öffentliches Recht, insbesondere Staats- und Europarecht an der „BSP Business and Law School Berlin“. In Artikel 16, Satz 1 des Grundgesetzes heiße es unmissverständlich: „Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden.“ Und Satz 2 regelt: „Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden.“ Durch Gesetz könne eine abweichende Regelung für Auslieferungen an einen Mitgliedsstaat der EU oder einen Internationalen Gerichtshof getroffen werden, „sofern rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind“.

Entzug ist nur bei arglistiger Täuschung oder Bestechung möglich

Wie sieht es bei Nicht-Deutschen aus, die sich einbürgern lassen und die Staatsangehörigkeit ihres Herkunftslandes aufgeben? Können diese wieder ausgebürgert und in ihr ursprüngliches Herkunftsland abgeschoben werden?
Auch diese Personen stehen nach den Worten von Thiele, Autor eines Buches über das Grundgesetz, unter dem Schutz der Verfassung. „Das ist grundsätzlich nicht möglich“, sagt er. Etwas anderes gelte nur dann, wenn die Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit durch „arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben“ erwirkt wurde, wie es Paragraf 35 des Staatsangehörigkeitsrechts festlegt. In diesem Falle kann die Einbürgerung zurückgenommen werden, auch wenn die Person dadurch staatenlos wird.
Was ist mit Menschen, die von der neuen rechtlichen Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft Gebrauch machen? Sind in diesem Falle Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft und Deportation ins Herkunftsland möglich?
Auch in diesem Fall ist nach den Worten des Berliner Staatsrechtlers Thiele die rechtliche Situation letztlich keine andere. Es gelte also, dass eine Rücknahme der Einbürgerung nur möglich ist, wenn diese durch arglistige Täuschung oder die Angabe falscher Tatsachen erlangt wurde. Insbesondere die Begehung von Straftaten reicht dazu nicht aus. „Es bleibt also dabei: Eine Entziehung der Staatsangehörigkeit ist generell nicht möglich“, so Thiele.
Bei Abschiebungen besteht schon jetzt das Problem, dass entweder nicht klar feststeht, aus welchem Land die betreffende Person kommt, oder dass sich die Herkunftsländer weigern, ihre Staatsbürger aufzunehmen. Können diese Personen ohne weiteres in ein anderes Land abgeschoben werden?
Abgelehnte Asylbewerber ohne Bleiberecht sowie Ausländer, die in Deutschland eine Straftat begangen haben, können im Regelfall nur in ihr Herkunftsland abgeschoben werden. Die Abschiebung in ein anderes Land ist nur dann möglich, wenn mit diesem Land entsprechende Abkommen getroffen werden. Und auch dann gilt: Es muss sichergestellt sein, dass den abgeschobenen Personen in einem solchen Fall keine menschenrechtswidrige Behandlung droht. 

Großbritannien will Menschen ohne Bleiberecht nach Ruanda abschieben – ein Vorbild für Deutschland?

Großbritannien hat mit Ruanda ein Abkommen geschlossen, wonach sich Ruanda bereiterklärt, Menschen aufzunehmen, die sich nicht legal in Großbritannien aufhalten. Im Gegenzug soll das Land Geld erhalten. Wäre das ein Modell auch für Deutschland oder sprechen verfassungsrechtliche Gründe dagegen?
„Hier kommt es darauf an, ob sichergestellt ist, dass den abgeschobenen Menschen keine menschenrechtswidrige Behandlung droht“, sagt Alexander Thiele. Das habe ja auch der britische Supreme Court moniert, der insoweit auch die Europäische Menschenrechtskonvention herangezogen hat. Insofern dürfte das auch in Deutschland sehr schwierig werden.
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