Skip to main content

48.000 Schuss Munition fehlen

KSK in Calw wird teilweise aufgelöst – 62 Kilo Sprengstoff verschwunden

Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) will das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr in Calw nach einer Serie rechtsextremistischer Vorfälle grundlegend umstrukturieren und teilweise sogar auflösen. Internen Ermittlungen der Bundeswehr zufolge sind unterdessen 48.000 Schuss Munition und 62 Kilo Sprengstoff verschwunden.

KSK-Soldaten
KSK-Soldaten bei einer Übung in Schleswig-Holstein. Foto: picture alliance / Carsten Rehder/dpa

Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) will das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr in Calw nach einer Serie rechtsextremistischer Vorfälle grundlegend umstrukturieren und teilweise sogar auflösen. Bis zum 31. Oktober soll die Elitetruppe Zeit bekommen, sich zu bewähren. Gelingt das nicht, droht die komplette Auflösung.

Der zwölfseitige Brandbrief aus Calw ließ an Deutlichkeit nichts vermissen. Von Willkür, „Kadavergehorsam“ und einer „toxischen Verbandskultur“ schrieb im Juni der namentlich nicht bekannte Hauptmann des KSK an Kramp-Karrenbauer.

Der für Ausbildung zuständige Offizier kritisierte insbesondere, dass Rechtsextremismus in seinem Verband „ignoriert oder gar toleriert“ würde. Halb Hilferuf, halb Mahnung an die Adresse der CDU-Politikerin, die erst im Mai eine Kommission eingesetzt hatte, um die rechten Umtriebe in der 1.400 Mann starken Elitetruppe zu durchleuchten. Deren Zukunft ist jetzt ungewiss.

Ministerin geht gegen „toxische Führungskultur“ vor

Als Kramp-Karrenbauer am Dienstag die Grundzüge ihrer Radikalkur für das KSK bekannt gab, nutzte sie fast dieselben Worte wie der Mahner: „toxische Führungskultur“. Die Ministerin will diese ausmerzen, indem sie rechte Verbindungen innerhalb des Verbands zerschlägt, die Ausbildung der Soldaten auslagert und für mehr Personal-Fluktuation sorgt.

Bei einem Besuch des KSK in Calw zuvor stellte AKK jedem Angehörigen frei, ob er „Teil des Problems bleiben oder Teil der Lösung werden“ wolle. Im Herbst will sie eine Bilanz ziehen.

Beim KSK sind 48.000 Schuss Munition und 62 Kilogramm Sprengstoff verschwunden

Besonders beunruhigend: Internen Ermittlungen der Bundeswehr zufolge sind beim KSK 48.000 Schuss Munition und 62 Kilogramm Sprengstoff verschwunden. Kramp-Karrenbauer sagte der Süddeutschen Zeitung in einem Interview, diese Erkenntnisse seien "beunruhigend" und "alarmierend". Der genaue Verbleib der Munition und des Sprengstoffs seien unklar, weswegen sie den Auftrag erteilt habe, eine Generalinventur durchzuführen.

Auf die Frage der Süddeutschen Zeitung, ob sie Hinweise auf rechtsextremistische Netzwerke im KSK habe, welche die Waffen beiseitegeschafft haben könnten, antwortete Kramp-Karrenbauer: "Die Ermittlungen dazu laufen." Eine andere Erklärung für das Verschwinden wäre, dass schlampig Buch geführt wurde.

KSK
Ein Bundeswehrsoldat der Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK) trainiert den Häuserkampf und eine Geiselbefreiung. KSK-Kommandeur Markus Kreitmayr warnt vor rechten Tendenzen bei der Bundeswehr-Eliteeinheit. Foto: picture alliance / Kay Nietfeld/dpa

Das 1996 gegründete KSK, zu deren Insignien ein silbernes Schwert zählt, soll deutsche Bürger aus Kriegs- und Krisensituationen retten. Zu den weiteren Aufgaben der geheim operierenden Kommandosoldaten zählen die Festnahme von Terroristen und die Bekämpfung wichtiger Gegnerstellungen.

In der jüngeren Vergangenheit machten die in der Calwer Graf-Zeppelin-Kaserne stationierten Kräfte allerdings weniger durch ihre Heldentaten von sich reden, sondern durch eine alarmierende Nähe zum Extremismus und der NS-Ideologie.

SS-Liederbuch und Schusswaffen gehortet

So wurde im Januar ein KSK-Soldat entlassen, der sich radikalisiert hatte und Kameraden als „Ungläubige“ bezeichnete. Im Mai wurde ein anderer Kommando-Angehöriger festgenommen, der auf seinem Grundstück Sprengstoff, Munition und Waffen gehortet hatte. Der 45-Jährige besaß zudem ein SS-Liederbuch und Aufkleber mit NS-Motiven. Er soll 2017 an einer Party teilgenommen haben, bei der angeblich zum Weitwurf von Schweineköpfen Rechtsrock gespielt und Hitlergrüße gezeigt wurden.

Auch der Hinweisgeber aus der KSK soll im Juni in seinem Brandbrief geschildert haben, dass sich seine Kommandozentrale in Anspielung auf den Hitlergruß im Funkverkehr immer mit dem Code „Y-88“ gemeldet habe.

Zweifel an der Rolle des MAD

Die Gefahr des Rechtsextremismus betrifft auch die übrige Bundeswehr. Jedoch hat die Eliteeinheit im Verhältnis zu ihrer Personalstärke fünf Mal so viele Fälle wie der Rest der Truppe. Zudem gibt es Zweifel an der Fähigkeit des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), verfassungsfeindliche Kräfte in der Uniform auszusieben: Im Geheimdienst, der das KSK kontrolliert, gab es zuletzt einen unerlaubten Informationsabfluss an den Verband, woraufhin ein Mitarbeiter suspendiert wurde.

Die ersten politischen Reaktionen auf Kramp-Karrenbauers kühne Reformpläne fielen am Dienstag zurückhaltend bis kritisch aus. „Probleme mit Rechtsextremismus, die sich über Jahre aufgebaut haben, können nicht binnen vier Wochen gelöst werden“, sagte den BNN der Obmann der Grünen im Verteidigungsausschuss des Bundestages, Tobias Lindner. „Die Maßnahmen sind wichtig, dürfen aber keine Eintagsfliege bleiben“, forderte der Abgeordnete aus der Südpfalz. Er hält es für richtig, dass das KSK „unter Beweis stellen muss, dass für Extremismus in seinen Reihen kein Platz ist“.

In den vergangenen Jahren hatte er auf dem rechten Auge eine Sehschwäche.
Tobias Lindner, Bundestagsabgeordneter, über den MAD

Lindner kritisiert jedoch, dass es nicht nur beim KSK eine Kultur des Wegschauens gegeben habe. Er wirft dem MAD vor, die Gefahr von extremistischen Netzwerken lange ignoriert zu haben: „In den vergangenen Jahren hatte er auf dem rechten Auge eine Sehschwäche.“

Außerdem hätte der Geheimdienst lange behauptet, dass es keine rechten Netzwerke in der Bundeswehr gebe. „Es gibt sie“, ist Lindner überzeugt. Die Rolle der Ministerin sieht er kritisch: „Bislang hat sie nur Ankündigungen gemacht.“

Ulla Jelpke stellt jährlich Anfragen an die Bundesregierung zum Extremismus in der Bundeswehr. Die Linkspolitikerin ist pessimistisch: „Die Bundeswehr darf Rechtsextremisten in den eigenen Reihen nicht als Kameraden, sondern als Gegner betrachten. Davon ist sie noch sehr weit entfernt. Wenn schon der MAD beschwichtigen muss, er habe bislang ‚keine Schattenarmee‘ entdeckt, weist das auf extrem beunruhigende Zustände in der Truppe hin.“

Jelpke glaubt, dass der KSK als „rechtsextremer Hotspot“ unreformierbar ist und verlangt seine Auflösung.

Keine Hinweise auf eine "Schattenarmee"

Zuversichtlicher ist der CDU-Innenexperte Armin Schuster, der auf die vor einigen Jahren angestoßenen Veränderungen im MAD verweist. „Erste Auswirkungen sieht man schon daran, dass es jetzt in kurzen Abständen Nachrichten über neue Enttarnungen von Rechtsextremisten bei der Bundeswehr gibt.“

Um diese aufspüren zu können, müsse der Geheimdienst gestärkt werden – personell, finanziell und strukturell. Die Lage bei der Bundeswehr nennt Schuster ernst: „Es gibt bisher aber keine Hinweise auf eine rechtsextremistische ,Schattenarmee’“.

nach oben Zurück zum Seitenanfang