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Putins Rakete

Russland testet im Ukraine-Krieg angeblich neue Hyperschallwaffe

Russland testet im Ukraine-Krieg angeblich erstmals unter Kampfbedingungen seine neue Hyperschallwaffe „Kinschal“ (Dolch). Damit soll ein ukrainisches Raketendepot zerstört worden sein. Moskau nutzt den Test auch, um der Nato offen zu drohen.

Der Nato-Technik angeblich weit überlegen: Ein MIG-31 Abfangjäger der russischen Luftwaffe mit einer ballistischen Luft-Boden-Rakete „Kinschal“ (Dolch). Russlands Militär hat nun nach eigenen Angaben erstmals unter Kriegsbedingungen die neue Waffe getestet.
Der Nato-Technik angeblich weit überlegen: Ein MIG-31 Abfangjäger der russischen Luftwaffe mit einer ballistischen Luft-Boden-Rakete „Kinschal“ (Dolch). Russlands Militär hat nun nach eigenen Angaben erstmals unter Kriegsbedingungen die neue Waffe getestet. Foto: Pavel Golovkin picture alliance/dpa/AP

„Niemand hat auf uns gehört“: Wladimir Putin macht eine lange Pause, während die Kamera auf sein Gesicht zoomt. „Jetzt werdet ihr hören.“ Die Zuschauer in der Manege-Messehalle lachen, nicken und applaudieren. 42 Minuten lang prahlt der Kremlchef Anfang März 2018 in seiner Rede an die Nation („Botschaft an die Föderalversammlung“) mit den weltweit einmaligen Wunderwaffen, die Russland ab sofort der „amerikanischen Kriegsmaschine“ entgegensetzen könne. „Mit allen entsprechenden Folgen“, fügt er drohend hinzu. Eine dieser neuen Waffen hat Putin wohl an diesem Wochenende unter realen Kriegsbedingungen in der westlichen Ukraine testen lassen.

Ein Video des russischen Verteidigungsministeriums zeigt einen niedrigen, langgezogenen Bau, der von einem pfeilartigen Objekt getroffen wird. Es stürzt offenbar mit großer Geschwindigkeit senkrecht nach unten. Das Gebäude verschwindet in einer großen Rauchsäule, auch Feuer ist zu sehen. „Es war nicht einfach eine Lagerhalle, sondern eine frühere Atomraketenbasis mit dem Codenamen ,Objekt 711’“, berichtet Russlands Regierungszeitung „Rossijskaja Gazeta“. „Diese 150 Meter unter der Erde gebaute Stadt galt als einer der sichersten Lagerorte für Raketen und Munition. Bis der Dolchstoß sie vernichtet hat.“

Rakete kann auch Atomsprengköpfe tragen

Russlands Präsident klang in seiner Rede vor vier Jahren mächtig stolz, als er der Welt erstmals die Existenz einer angeblich unverwundbaren Hyperschallrakete mit dem Namen „Kinschal“ (deutsch: Der Dolch) verkündet hat. Nach offiziellen Angaben hat die Atommacht sie im Dezember 2017 in ihr Arsenal aufgenommen. Die etwa 500 Kilogramm schwere „aeroballistische“ Waffe kann nach Moskaus Darstellung sowohl mit konventionellen als auch nuklearen Sprengköpfen bestückt werden, sie wird derzeit vom Abfangjäger MIG-31 abgefeuert.

Die wichtigsten Eigenschaften des in etwa 20 Kilometer Höhe fliegenden „Kinschal“ sind demnach seine außergewöhnliche Geschwindigkeit bis etwa 14.600 Stundenkilometer und die extrem hohe Zielgenauigkeit von angeblich nur etwa einem Meter Abweichung auf eine Entfernung von 2.000 Kilometern. „Das garantiert, dass unsere Rakete alle derzeitigen und zukünftigen Abwehrsysteme überwinden kann“, sagte Putin 2018. Ob diese Angaben der Realität entsprechen oder es sich teils um einen innenpolitisch motivierten Propaganda-Bluff des Kreml handelt, ist nicht ganz klar.

Unsere Rakete kann alle derzeitigen und zukünftigen Abwehrsysteme überwinden.
Wladimir Putin, Russlands Präsident

Doch „Rossijskaja Gazeta“ behauptete am Montag, dass die „nur 80 Kilometer von der rumänischen Grenze entfernte“ ukrainische Raketenbasis im Gebiet Iwano-Frankiwsk durch den „mehr als genauen“ Treffer komplett zerstört worden sei. Das offizielle Blatt drohte unverhohlen der Nato mit der neuen Waffentechnologie: „Der Angriff zeigte anschaulich, dass die Raketenabwehr der Nato im Kriegsfall durch unsere nicht-nukleare Hyperschallraketen weggefegt wird, noch ehe sie überhaupt in Gefechtsbereitschaft gebracht werden kann.“ Das Militärkommando der westlichen Allianz sei durch den russischen Dolch „moralisch getroffen worden“, triumphierte die Zeitung.

Der angebliche Test der Hyperschallrakete dient auch der propagandistischen Selbstdarstellung Russlands als eine verantwortungsvolle Kriegspartei: Man habe bei dem Angriff keine Zivilisten treffen wollen und habe daher extra die genaue Waffe mit dem kleinstmöglichen Wirkradius gewählt, um das Ziel zu vernichten, so die Moskauer Lesart. „Der Westen versucht, die chirurgisch genauen Methoden zu diskreditieren, mit denen Russlands Armee die ukrainischen Neonazis von der Zivilbevölkerung abtrennen möchte. Darum müssen wir unbedingt Waffen wie ,Kinschal’ einsetzen“, sagte der Nachrichtenagentur Tass der Moskauer Militäranalyst Alexander Michajlow.

Sorgen in Berlin

„Die Angriffe dieses Luft-Raketensystems auf die ukrainische Militärinfrastruktur während der militärischen Spezial-Operation werden fortgesetzt“, versprach ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Montag. Die Reaktionen im Westen fallen unterschiedlich aus. In einem Interview für den Sender CBS spielte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin die Bedeutung von „Kinschal“ im Ukraine-Krieg herunter. In Berlin äußerten sich einige Politiker dagegen besorgt über eine „Fähigkeitslücke“ der Nato, die Russlands Militärtechnik nichts entgegenzusetzen habe.

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