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Eichner hat Respekt vor Gomez

Derby-Vorboten und nächster Präsidentschaftsanwärter beim KSC

Die Corona-Ausgabe des ewigen Knüllers im Land: Der VfB Stuttgart tritt als Tabellenzweiter auf der Wildpark-Baustelle beim Karlsruher SC an. Kein Nachteil für die Gäste. „2:1 für den VfB“ wird das ausgehen. So tippt es Guido Buchwald.

Der eisenharte KSC-Verteidiger Maik Franz (hinten) liefert sich im Februar 2008 mit VfB-Stürmer Mario Gomez eine Privazfehde in der Stuttgarter Arena.
Der eisenharte KSC-Verteidiger Maik Franz (hinten) liefert sich im Februar 2008 mit VfB-Stürmer Mario Gomez eine Privazfehde in der Stuttgarter Arena. Foto: GES

"Stell dir vor, es ist Derby, und keiner geht hin.“ Was stets Utopie war, wird am Sonntag wahr. Die Corona-Ausgabe des ewigen Knüllers im Land. Diesmal also: Keine Folklore, keine alarmierten Aufrufe zur Besonnenheit, leere Ränge, der pure Kick mit Geschrei nur auf dem Rasen. Der VfB Stuttgart tritt als Tabellenzweiter auf der Wildpark-Baustelle beim Karlsruher SC an. Kein Nachteil für die Gäste. „2:1 für den VfB“ wird das ausgehen. So tippt es Guido Buchwald.

Erinnerungsarbeit: Buchwald ist der Mann, der im gewonnenen WM-Finale vor 30 Jahren den seinerzeit weltbesten Fußballer Diego Maradona an Ketten legte. Daher taufte Fußball-Deutschland ihn um zu „Diego“ Buchwald. Er, der in Berlin geborene Bilderbuch-Schwabe, unterhielt davor wie danach ein besonderes Band zu den baden-württembergischen Reizduellen.

325 Spiele bestritt er zwischen 1983 und 1994 für den VfB Stuttgart. 40 waren es 1998/1999 für den Karlsruher SC, bei dem er auch Übergangstrainer und Sportdirektor war.

VfB spielt "enttäuschende Saison"

Unter normalen Fußball-Umständen hätte Buchwald am Sonntag also die A8 genommen und wäre die Ausfahrt Karlsruhe-Mitte runter. Doch auch er wird das Geister-Derby nur bei Sky sehen können. Dass er den Favoriten vorne sieht, ändere für ihn nichts daran, dass der VfB eine „enttäuschende Saison“ spielt.

„Ich hoffe, dass es jetzt, kurz vor dem Aufstieg, Klick macht und sich jeder zusammenreißt“, sagt der 59-Jährige den Badischen Neuesten Nachrichten. Am KSC finde er „gut, dass sie momentan einen Trainer haben, der aus den eigenen Reihen kommt und der den KSC lebt. Da hoffe ich, dass sie die Klasse halten“.

Eichner spricht Gomez seinen Respekt aus

Als der von Buchwald für gut befundene Christian Eichner noch auf links für den KSC verteidigte, flogen ihm während der Berufsausübung in der Stuttgarter WM-Arena einmal Böller um die Ohren. Aus dem Gäste-Block. Sein Zimmerkollege Maik Franz malträtierte im selben Match die Beine von Mario Gomez, der nun, ein Dutzend Jahre später, letztmals als Spieler auf den KSC treffen wird.

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„Es ist ungewohnt, dass er demnächst nicht mehr dabei sein wird und dass er beim VfB auf der Bank sitzt, weil ich ihn in der Box für einen der besten deutschen Mittelstürmer der vergangenen Jahre gehalten habe. Ich habe hohen Respekt vor ihm“, sagt Eichner.

Die Kulisse für das 54. Landesduell am Sonntag: Die Wildpark-Baustelle ohne Zuschauer.
Die Kulisse für das 54. Landesduell am Sonntag: Die Wildpark-Baustelle ohne Zuschauer. Foto: jodo

60 Millionen Euro treffen auf keine zehn

Zahlen zur Einordnung: Der Kader des VfB hat laut transfermarkt.de einen Gesamtwert von an die 60 Millionen Euro, ist trotz schwacher Rückkehr aus der Corona-Pause (sieben Punkte aus fünf Spielen) mit 52 Punkten knapp vor dem HSV (50). Den Kader des KSC bewertet die einschlägige Quelle mit 9,2 Millionen Euro. Sechs seiner 30 Zähler, die ihn derzeit auf dem Relegationsplatz liegen lassen, holte er nach dem Saison-Cut.

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Torjäger Hofmann wäre bei Abstieg wieder weg

Der KSC spielt aktuell nicht nur zwischen den Ligen, er scheint auch strategisch in der Schwebe. Dass Eichner und sein Assistent Zlatan Bajramovic Liga-unabhängig als Trainergespann weiterarbeiten dürfen, wurde noch nicht verbrieft. Oliver Kreuzer, der Geschäftsführer Sport, benötigt diese formale Verbindlichkeit nicht. Er hat sie bis 2021. Elf Spielerverträge laufen in knapp drei Wochen aus.

Sollte der KSC absteigen, wäre Torjäger Philipp Hofmann wohl weg. Dessen Vertrag gilt für die Dritte Liga nicht, und Taktgeber Marvin Wanitzek könnte gegen eine feste Ablösesumme (angeblich 250.000 Euro) ebenfalls weg. Kreuzer, der diese BNN-Informationen am Donnerstag nicht kommentierte, bemerkt den Gegenwind.

Erwischt es den KSC, wäre sein Name zum dritten Mal mit dem Fall in die Drittklassigkeit verbunden. Ein Neuaufbau, von ihm getragen, wäre nach Vertrags- und Finanzlage konsequent – doch wäre er wohl auch schwer vermittelbar. Er beschäftige sich „nullkommanull“ damit, versichert Kreuzer.

Siegmund-Schultze sieht KSC-Krise nicht beendet

„Der KSC hat durch den erfolgreichen ersten Sanierungsplan die Chance, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und sollte diese Chance für einen Neustart nutzen“, erklärte Vize-Präsident Holger Siegmund-Schultze. Nach dem 28. Juni, spätestens nach der Relegation am 11. Juli, wird man beim KSC wissen, wo es für ihn weitergeht.

Und vielleicht konkretisieren: wie. So oder so: Das Produkt, der Fußball, soll beim KSC auf flinkere Beine kommen. Im Land sind die Blau-Weißen weiter nur die Nummer sechs. Das „Bündnis KSC“ um den vormals unterlegenen Präsidentschaftsanwärter Martin Müller schaffte im Mai die Grundlagen dafür, dass der KSC zumindest vorerst nicht beim Amtsgericht vorstellig werden musste.

Die Bedingungen für den Bündnis-Beitrag zur Insolvenzvermeidung – Ingo Wellenreuthers Rückzug als Präsident sowie gütliche Einigungen mit den größten Gläubigern – waren am 15. Mai erfüllt. Über eine GbR erwarb die regionale Sponsorengruppe Aktien für sechs Millionen Euro.

Ebenfalls Unternehmensanteile erhielten der Vize-Präsident Günter Pilarsky und der Rechtehändler Michael Kölmel für deren Zustimmung zu Vergleichen, welche für den KSC einen Entschuldungseffekt von 20 Millionen Euro hatten. Schuldenstand aktuell: zehn Millionen Euro.

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Gruber reicht Bewerbung ums Präsidentenamt ein

„Ich bin der Meinung, dass diese Krise noch nicht überwunden ist und dass wir großen Zusammenhalt in den Gremien brauchen, um den Verein in eine sichere Zukunft zu führen“, bemerkte Holger Siegmund-Schultze, als er seine Kandidatur für die Wellenreuther-Nachfolge publik machte.

Ihm gleich taten es Axel Kahn, Bruder des früheren Welttorhüters Oliver, sowie nun auch Kai Gruber. Der Unternehmer aus Steinmauern reichte zwischenzeitlich ebenfalls seine Kandidatur ein, wie er am Donnerstagabend mitteilte.

Trainer-Ikone Schäfer warnt vor Verkrampfung

Nochmal Erinnerungsarbeit: Winfried Schäfer ist der Mann, dem am Ende seiner zwölfjährigen Trainer-Ära beim KSC des Jahres 1998 unter anderem die Fürsprache von Guido Buchwald als Wortführer unter den Profis fehlte. Wenige Monate später löste Schäfer beim VfB den heutigen Bundestrainer Joachim Löw ab.

Es wurde eine kurze Episode für ihn. Heute verfolgt Schäfer die Zweite Liga von Abu Dhabi aus. Der Trainer-Globetrotter schaute dieser Tage auch wieder alte Bewegtbilder bei Youtube an, „auch von Derbys“. Schäfer sagt, dass das 54. Derby aus der Reihe falle. „Für beide ist das eines der wichtigsten Spiele, deshalb sollte man es nicht als Derby ansehen, sonst verkrampft man oder ist übermotiviert.

Der KSC kann gewinnen, wenn alle Spieler um ihre Jobs spielen, denn der VfB ist nicht so gut, dass man Angst haben müsste“, sagte Schäfer nun den BNN.

Die Bilanz des Karlsruher SC aus den Duellen mit dem VfB Stuttgart ist hoch negativ. Nur elfmal gewannen die Badener, 33-mal verloren sie und neunmal trennten sie sich von den Schwaben unentschieden. Der Trend der letzten 22 Jahre, in denen es acht Aufeinandertreffen gab, ist noch deutlicher. Aber noch nie war auf den Rängen und drum herum rein gar nichts los. 2.5.1998, Bundesliga, 33. Spieltag

KSC – VfB 4:2. Selten erschien ein Derby-Sieg für den KSC so wertvoll wie dieser. Thomas Häßler hatte die Treffer von Thomas Hengen (1:0) und Gunter Metz (4:2) vorbereitet, zum 3:1 selbst getroffen, davor das 2:1 durch David Regis bejubelt. So ging der KSC als Tabellen-15 mit drei Punkten Vorsprung auf Gladbach ins Saisonfinale. Die 2:4-Niederlage in Rostock ließ die Saison des KSC noch im Abstiegs-Desaster enden.

2.9.2007, Bundesliga, 4. Spieltag

KSC – VfB 1:0. 3.410 Tage später. Der vorerst letzte Sieg des KSC. Torschütze Tamas Hajnal, der später auch beim VfB landen sollte. Maik Franz gehört zur Vorgeschichte: „Es ist wie Krieg“, hatte er zu Beginn der Derby-Woche festgelegt, was er später bedauerte.

23.2.2008, Bundesliga, 21. Spieltag

VfB – KSC 3:1. Der Aufsteiger als Tabellensiebter beim sechstplatzierten Meister. So nah kamen sich die Rivalen nie mehr. Dem heutigen KSC-Trainer Christian Eichner flogen Leuchtraken aus den eigenen Fan-Reihen um die Ohren. Maik Franz lieferte sich mit Mario Gomez ein Privatduell. Gomez später über Franz: „Er ist ein Arschloch.“ Gomez, Hilbert und Cacau trafen für den VfB, Hajnal für den KSC. Am Saisonende: Platz elf für die Badener.

21.9.2008, Bundesliga, 5. Spieltag

VfB – KSC 3:1. Derb war‘s, dieses Derby. 27 Verletzte gab es, auch weil die Polizei mit ihrer Reiterstaffel die Fan-Gruppen trennte, 200 herausgerissene Sitzschalen und eine brennende Toilette im Stadion. Sportlich: Sebastian Freis legte vor, Sami Khedira, Gomez und Ciprian Marica enttäuschten dann die Karlsruher Hoffnung auf den ersten Derby-Auswärtssieg seit 1965.

1.3.2009, Bundesliga, 22. Spieltag

KSC – VfB 0:2. 15 Minuten verspätet begann das Rückspiel. Der VfB-Bus war auf der Anfahrt mit Steinen beworfen worden. Der VfB kam nach der Pause durch Elson und Sami Khedira zur Entscheidung. Der KSC blieb Tabellenvorletzter und war es auch am Saisonende.

30.10.2016, 2. Bundesliga, 11. Spieltag

KSC – VfB 1:3. Die Neuauflage nach sieben Jahren. Asano hatte dem temporeichen Hinspiel der Saison 2016/2017 Richtung gegeben. Nach der Pause erhöhte Simon Terrodde. Den Anschluss besorgte Moritz Stoppelkamp per Handelfmeter. Maxim markierte das 3:1.

9.4.2017, 2. Bundesliga, 28. Spieltag

VfB – KSC 2:0. Die Niederlage des KSC beim Spitzenreiter besiegelte quasi den späteren Abstieg in die Dritte Liga. Beide Male traf Asano. Die Partie stand vor dem Abbruch, weil vermummte Chaoten aus dem Gästeblock Feuerwerkskörper abschossen.

24.11.2019, 2. Bundesliga, 14. Spieltag

VfB – KSC 3:0. Der Rückkehrer aus der Dritten Liga beim Bundesliga-Absteiger. Philipp Förster, Orel Mangala und Hamadi Al Ghaddioui trafen für den VfB. Stimmung gab‘s keine. Die KSC-Fans hatten aus Protest gegen das Vorgehen der Polizei, Karlsruher Anhänger in der Nähe der Arena einzukesseln, den Gästeblock verlassen.

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