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"Ein kleiner Schritt"

Wie die Menschheit auf den Mond kam

Es war ein geopolitischer Wettlauf, ein Kampf um die besten Technologien und ein ganz persönliches Abenteuer für die sogenannten Moonwalker, die den Mond tatsächlich betreten durften: Das Rennen ins All zwischen USA und Sowjetunion hielt die Welt jahrzehntelang in Atem. Warum die Menschheit davon heute noch profitert, obwohl keineswegs immer alles glatt ging.

Mondlandung von «Apollo 11»
Apollo 11-Astronaut Edwin «Buzz» Aldrin steht neben der US-Flagge auf dem Mond. Foto: Nasa

Charlie Duke holt Luft und lässt sie hörbar durch die gepressten Lippen hinausströmen. Pschh ... „Als hätte jemand mit einem Kugelschreiber in einen prall gefüllten Ballon hineingestochen“, sagt lächelnd der Mann mit weißen Haaren und einem schmalen Gesicht. Er ist in seinen Erinnerungen um ein halbes Jahrhundert zurückgereist, in jenen Augenblick voller kaum erträglicher Spannung, als im Kontrollzentrum in Houston die ferne Stimme des Astronauten Buzz Aldrin vom Mond ertönt: „Kontakt. Triebwerk aus“.

Die Männer im Mission Control hatten in Totenstille minutenlang auf ihre Bildschirme gestarrt. Bis zu diesem Moment, in dem die Anspannung einer unglaublichen Gewissheit weicht: Sie haben es geschafft! Pschh... Als Capcom (Capsule Communicator) ist der damals 33-jährige Charlie Duke der Einzige, der mit Apollo 11 über Funk reden darf.

Neil Armstrong klang bei der Landung ganz ruhig

Er wartet atemlos auf die Bestätigung des Kommandanten. „Houston, hier Tranquility Base. Der Eagle ist gelandet“: So ruhig habe Neil Armstrong geklungen, als hätte er im Nachbarzimmer gesessen, erinnert sich Duke. Es ist sein großer Moment, doch die Worte kommen nicht über seine Lippen. „Roger, Twan...“ Er versucht es nochmal: „Tranquility, bestätige, dass ihr am Boden seid. Hier ist ein Haufen Männer, die beinahe blau angelaufen wären. Wir atmen wieder. Vielen Dank.“

Es ist Ende Mai, die Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt würdigt im Technik-Museum Speyer den nahenden 50. Jahrestag der Mondlandung. In der riesigen Raumfahrthalle fachsimpeln Geologen und Biologen, halten Planetenforscher Vorträge, diskutieren Ex-Astronauten und Unternehmer mit der Führung der europäischen Raumfahrtbehörde ESA über künftige Herausforderungen im All.

Einer der letzten lebenden Moonwalker zu Gast in Speyer

Dabei sind die Augen aller auf ihn gerichtet: Stargast Charlie Duke, Capcom von Apollo 11 und später Astronaut von Apollo 16, einer von nur noch vier lebenden Menschen, die einst eine fremde, lebensfeindliche Welt betreten hatten. Die legendären Moonwalker.

Duke muss diese Geschichten bereits Tausende Male erzählt haben, doch der schlanke 83-Jährige klingt aufgewühlt, als er die Zuhörer noch einmal an die dramatischen Ereignisse des 21. Juli 1969 erinnert . In jener Nacht habe er keinen Gedanken daran verschwendet, das historische Mondrennen gegen die Sowjetunion gewonnen zu haben, sagt Duke später den BNN.

Erleichtert und stolz

„Aber wir waren erleichtert und stolz darauf, dass es im ersten Anlauf geklappt hat. Das von Präsident Kennedy gestellte Ziel war erreicht – und es war ein überwältigendes Gefühl für mich, einen Beitrag dazu geleistet zu haben“.

384 000 Kilometer beträgt die mittlere Distanz zwischen uns und dem Mond. Die Apollo-Missionen brauchten nur drei Tage, um diese für kosmische Dimensionen winzige Entfernung zu überwinden – eine Reise, von der schon der schwäbische Astronom Johannes Kepler 1608 in „Somnium“ geträumt hatte.

Tatsächlich aber war der Weg der Menschheit zum erdnächsten natürlichen Himmelskörper lang, kostspielig und reich an Rückschlägen, was sich vor allem mit dem ideologisch aufgeladenen Streben der Supermächte nach einer Dominanz von Raketentechnologien erklären lässt.

Ein geopolitischer Wettstreit um den Mond – und die Freiheit

Die Angst der Führungen von Sowjetunion und USA, dass die jeweils andere Seite Atombomben aus dem Himmel regnen lassen könnte, bestimmte diesen geopolitischen Wettkampf seit dem ersten Piepton des ersten künstlichen Erdsatelliten am 4. Oktober 1957. „Warum ziehen die USA ... in einem Wettstreit den Kürzeren, der entscheiden könnte, ob die Freiheit eine Zukunft hat?“ sorgte sich nach dem Sputnik-Schock das Time-Magazin.

Noch vor dem Ende dieses Jahrzehnts

Den Startschuss zum 24 Milliarden Dollar teuren Mondrennen gab dann im Mai 1961 US-Präsident John F. Kennedy in seiner berühmten Rede vor dem US-Kongress: „Ich glaube, dass diese Nation sich dazu verpflichten sollte, noch vor dem Ende dieses Jahrzehnts das Ziel zu erreichen, einen Menschen auf dem Mond landen zu lassen und ihn sicher zur Erde zurückzubringen“.

Eine ambitionierte Aufgabe, für die beiden Seiten jedoch weltbeste Ingenieure und riesige Entwicklungsteams zur Verfügung standen. Der russisch-amerikanische Mondmarathon wurde befeuert vom Kampf der Geheimdienste (CIA gegen KGB), dem Wettstreit der Raumschiffsysteme (Gemini/Apollo gegen Voschod/Sojus) – und der Konkurrenz der mächtigen Raketen Saturn V und N-1.

Technischer Wettlauf zweier genialer Köpfe

Auf der persönlichen Ebene trieben das Rennen zum Mond zudem zwei geniale Köpfe voran – der in den USA eingebürgerte Deutsche Wernher von Braun und der Russe Sergej Koroljow, dessen Namen nicht genannt werden durfte.

Mondlandung von «Apollo 11»
Ein Fußabdruck des US-amerikanischen Astronauten Edwin E. Aldrin auf dem Mond. Foto: Nasa

Moskaus Traum von der Siegesfeier auf dem Mond zerbrach nur wenige Stunden nach Armstrongs historischem Satz: „Es ist ein kleiner Schritt für den Menschen, aber ein großer Sprung für die Menschheit“. Die Sonde Luna 15 hätte erstmals in der Geschichte der Raumfahrt Mondgestein aufsammeln und zurückbringen sollen.

Stattdessen krachte jedoch der 5,6 Tonnen schwere Roboter 800 Kilometer entfernt vom Landeplatz des „Eagle“ in die Mondoberfläche. Es war wohl eine besondere Demütigung, dass die Katastrophe von jenem Observatorium Jodrell Bank bei Manchester dokumentiert wurde, dem die Sowjets früher absichtlich die Flugdaten ihrer Satelliten zuspielen ließen, um die Starts von einer unabhängigen Quelle zu bestätigen und die USA nervös zu machen.

Warum die Sowjetunion das Space-Race verlor

Für die Niederlage der Sowjetunion im Mondrennen gibt es mehrere Gründe. 1995 gestanden russische Experten in einer Studie ein, dass es ihrem Land schlicht an der modernen technologischen Basis gemangelt hatte, um mit den USA mithalten zu können. Eine wichtige Rolle dürften auch Planungsfehler und der Druck der kommunistischen Parteiführung gespielt haben.

Statt die knappen Ressourcen an einer Stelle zu bündeln, ließ das Zentralkomitee in Moskau zwei rivalisierende Konstrukteursbüros gegeneinander antreten. Dies dürfte ein Grund für die technische Unreife der 105 Meter hohen Mondrakete N-1 gewesen sein, die bei allen vier Testflügen scheiterte.

Noch heute profitiert die Menschheit von der Forschung

Auch wenn der Wettlauf zum Mond blamabel für das kommunistische System endete, war er doch für die gesamte Menschheit ein Glücksfall. So wurden im Apollo-Programm zahlreiche Materialien und Technologien neu entwickelt, die nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken sind . Noch heute profitieren Forscher von den Daten aus den Experimenten auf dem Mond und den Studien von insgesamt 382 Kilogramm zurückgebrachten Mondgesteins.

Die Ausbeute der Apollo-Missionen hilft zurzeit den Raumfahrtbehörden der USA, Europas, Russlands und Chinas dabei, ambitionierte Forschungsprogramme zu planen, die die Rückkehr der Menschen zum Mond im nächsten Jahrzehnt vorsehen. Es wird sicher ein spektakuläres Wiedersehen sein, von dem auch der weißhaarige Mondheld Charlie Duke träumt.

Charlie Duke ließ etwas auf dem Mond zurück – und will es nun zurückhaben

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Mondlandung-Duke-Yoast Foto: None

Vor 47 Jahren ließ der Pilot der Mondlandefähre „Orion“ bei einem Spaziergang im lunaren Descartes-Hochland absichtlich ein Bild von seiner Familie auf dem Boden liegen. „Unter der Einwirkung der Strahlung und der extremen Temperaturen hat es sich längst in einen schwarzen Klumpen verwandelt – dennoch würde ich gerne an diesen Platz zurückkehren und das Foto holen“, sagt Duke in Speyer.

Ihn beschäftigt auch die Frage, ob sein zurückgelassener Mondbuggy LRV wohl anspringen würde, wenn man die Batterie austauschte. Duke weiß, dass seine Chancen, den Mond wieder zu betreten, gering sind. „Die Nasa hat mir gesagt: ,Rufen Sie uns bitte nicht an, wir würden uns gegebenenfalls bei Ihnen melden’“, sagt der Veteran, und es ist keine Bitterkeit in seiner Stimme zu hören.

Er hat lebendige Erinnerungen an sein Mondabenteuer, das unter einem schlechten Vorzeichen begann. Vor dem Start sah Duke im Traum, wie er sich auf dem Mond einer regungslosen Person im Raumanzug nähert, das Visier an deren Helm hochschiebt – und in sein eigenes, totes Gesicht blickt. Die Mission von Apollo 16 verlief jedoch bis auf einen nicht kritischen Triebwerkfehler glatt.

Wir fühlten uns gleich wie zuhause.

Charlie Duke landete 1972 auf dem Mond.
Charlie Duke landete 1972 auf dem Mond. Foto: Imago

Er landete am 21. April 1972. „Buzz Aldrins Beschreibung der ,herrlichen Einöde’ war perfekt. Ich blickte auf diese leerste aller Wüsten und sagte mir: ,Ich bin auf dem Mond’“, erinnert sich Duke im Gespräch mit den BNN. „Wir sahen bekannte Orientierungspunkte und fühlten uns gleich wie zuhause“. Gemeinsam mit John Young verbrachte Duke insgesamt 72 Stunden auf der Oberfläche. Beide Astronauten legten bei ihren Ausflügen im LRV 27 Kilometer zurück und luden unter anderem einen 11,7-Kilo-Stein in die Fähre – den dicksten Brocken des Apollo-Programms.

Nicht immer lief alles glatt

Es gab auch heikle Momente. Etwa als Duke die zehn Millionen Dollar teure Ausrüstung für ein Experiment fallen ließ – die zum Glück unversehrt blieb. Oder als der Astronaut den Halt verlor und umkippte: „Ich lag auf dem Rücken, sah die Erde im All über mir und lauschte nach Geräuschen aus meinem Raumanzug. Zum Glück blieb es aber still“.

Charlie Duke beschreibt den Abschied vom Mond als eine unterhaltsame Achterbahnfahrt: „Es war, wie im Cockpit eines Kampfjets zu sitzen. Das Triebwerk zündete und – wumm! – wir sausten los und hatten viel Spaß“. Seine gesamte Mission war jedoch nicht halb so aufregend gewesen, versichert der ,Moonwalker’, wie damals die Minuten im Mission Control, bevor der „Eagle“ den Mond berührt hat.

Dossier zum Mondlandungs-Jubiläum

Die BNN würdigen den 50. Jahrestag der ersten bemannten Mondlandung mit einem Countdown und vielen Artikeln in der gedruckten Zeitung und auf bnn.de. Alle Inhalte gibt es hier im Online-Dossier .



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