Selbstbewusstes Handwerk: Zu ihrer Jahres-Pressekonferenz verteilt die Handwerkskammer Karlsruhe Notizblöcke. „Ohne uns wäre ganz Deutschland ein riesiger Schreibtisch voll mit tollen Plänen“, steht auf dem Deckblatt.
Das Selbstbewusstsein kommt nicht von ungefähr. „Stürmische Zeiten hatten wir auch im Handwerk“, spricht Joachim Wohlfeil das Jahr 2022 mit Herausforderungen wie Materialengpässen und Kostenexplosion an.
„Ganz so schlecht war es dann aber letztlich doch nicht, sagt der Handwerkskammer-Präsident. Die Branche erzielte einen Umsatz von 17,3 Milliarden Euro in ihrem Bezirk – das sind acht Prozent mehr als im Vorjahr. Die Inflation war jedoch wesentlicher Grund für dieses Plus, so Wohlfeil.
Entspannung bei Bäckereien und Metzgereien
Schaut man die Diagramme an, die Pressesprecher Alexander Fenzl zur Geschäftslage der 20.237 (2021: 20.030) Betriebe zusammengestellt hat, dann fallen die hohen orangefarbenen Balken auf: Sie stehen für eine „gute“ Geschäftslage im vierten Quartal. 70 Prozent der Betriebe gaben sich diese Schulnote.
Besonders prima lief es im Bauhauptgewerbe (93 Prozent) und im Ausbauhandwerk (96 Prozent) mit Berufen wie Malern, Klempnern und Installateuren.
Es liegt daran, dass Fachkräfte fehlen. Wir können nicht so Gas geben, wie wir Gas geben wollen.Joachim Wohlfeil. Präsident Handwerkskammer Karlsruhe
Doch selbst das Nahrungsmittelhandwerk mit den von Energiepreisen geplagten Bäckern und die Dienstleister wie Friseure, Kosmetiker, Uhrmacher und Co lagen mit ihren „Gut“-Angaben nur knapp unter 50 Prozent.
Wohlfeil und Hauptgeschäftsführer Walter Bantleon machen aber auch deutlich: Eine heile Handwerker-Welt gibt es nicht in der Region – die Herausforderungen sind da.
Immer noch lange Wartezeiten, bis Maler, Maurer & Co kommen
Und das spürt auch die Privatkundschaft: Im Durchschnitt müsse sie nach wie vor 13 Wochen warten, bis Maler, Maurer oder Elektriker kommen. Wohlfeil berichtet aus eigener Erfahrung.
Ein halbes Jahr dauere es, habe ihm ein Schlosser mitgeteilt, bis er ihm ein neues Geländer montieren kann. „Es liegt daran, dass Fachkräfte fehlen. Wir können nicht so Gas geben, wie wir Gas geben wollen“, so Wohlfeil.
Immerhin sieht Bantleon kräftige Verstärkung genau dort, wo es in diesen Zeiten besonders darauf ankommt: „In den ,grünen Handwerksberufen‘ nehmen die Lehrlingszahlen zu.“
Gemeint sind damit auch die Handwerker, die Wärmepumpen oder Photovoltaikanlagen installieren. Junge Menschen wollten ihren Beitrag zur Energiewende samt Klimaschutz leisten; obendrein seien deren Jobs sicher.
Autokonzerne mischen mit Agenturmodell auf
Handwerk ist Wandel. Besonders auffallend ist dies laut Bantleon im Kfz-Gewerbe. Autokonzerne geben den Händlern neue Vertriebswege vor. Vor allem mit dem sogenannten Agenturmodell mischen sie die Branche auf – der Konzern gibt die einheitlichen Verkaufspreise für den Neuwagen vor, der Händler bekommt eine Provision.
In den ,grünen Handwerksberufen‘ nehmen die Lehrlingszahlen zu.Walter Bantleon, Hauptgeschäftsführer Handwerkskammer Karlsruhe
Hinzu kommt das Top-Thema E-Mobilität. In der Konsequenz rechne er mit Beschäftigungsabbau, sagt Bantleon. Aktuell hat das Kfz-Gewerbe im Südwesten 70.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Veränderungen sieht Bantleon auch bei den handwerklichen Bäckern – der Trend gehe auch bei ihnen zu Betrieben mit mehr Filialen als bislang. Im energieintensiven Nahrungsmittelhandwerk gab es im dritten Quartal 2022 besonders viele Pessimisten. „Aufgrund der Härtefallhilfen ist Entspannung eingetreten“, so Bantleon.
Dennoch mussten Handwerksbäcker Preise erhöhen, die Abwanderung zu Backabteilungen der Discounter halte an. „Wobei Qualität nach wie vor siegt“, macht indessen Wohlfeil den Bäckern Mut, durchzuhalten.
Zahl der Gebäudereinigungsfirmen ist rasant gestiegen
Der Handwerkskammerbezirk Karlsruhe ist relativ groß. Er umfasst die Städte Karlsruhe, Baden-Baden und Pforzheim sowie den Enzkreis und die Landkreise Karlsruhe, Rastatt und Calw. 117.000 Menschen beschäftigt das Handwerk dort.
Spitzenreiter sind Friseurbetriebe (1.694), Kosmetikerbetriebe (1.657) und Gebäudereinigungsfirmen (1.634). Letztere sind im Höhenflug. Zum Vergleich: Vor 19 Jahren gab es im Bezirk nur 82 Gebäudereinigungsbetriebe.