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Volles Vertrauen: Die eher schüchterne Rosalie hat sich mittlerweile auf ihre erfahrene Reiterin Larissa Greschuchna eingelassen.

Das Leben mit einem Pferd

Kindheitstraum vom Pferd: Rosalie und ihre Reiterin haben sich erst spät gefunden

Viele Kinder wünschen sich Tiere. Larissa Greschuchna wollte immer ein Pferd haben. So richtig ausleben kann sie ihren Traum aber erst jetzt – mit Stute Rosalie im Enzkreis.
4 Minuten
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Weite Felder bis zum Waldrand, Ruhe und Sonnenstrahlen, die diesen Dezembermittag im Enzkreis mild machen. Für Larissa Greschuchna und Rosalie war es der perfekte Ausritt – bis sie einen Mann mit grüner Jacke und Gewehr entdecken. Wann denn die Jagd beginne, ruft Greschuchna von ihrem Pferd herunter. „Jetzt“, sagt der Mann, und aus dem Wald ertönt ein Schuss. Pferd und Reiterin drehen um und steuern mit strammem Schritt ihre Koppel an.

Früher, da ist sich Greschuchna sicher, wäre Rosalie aus Angst durchgegangen, einfach über die Felder davon galoppiert. Sie selbst wäre irgendwann vom Pferd gefallen, hätte sich vielleicht wieder mehrere Knochen gebrochen.

Für ihr Pferd ist Larissa Greschuchna immer da. „Sieben Tage die Woche, egal ob Feiertag, egal, wie das Wetter ist – völlig wurscht. Man hat ein Tier zu versorgen.“
Für ihr Pferd ist Larissa Greschuchna immer da. „Sieben Tage die Woche, egal ob Feiertag, egal, wie das Wetter ist – völlig wurscht. Man hat ein Tier zu versorgen.“ Foto: Rake Hora

Greschuchna erzählt dieses wenige Minuten alte Erlebnis, während sie Rosalie auf eine Wiese führt. Rasse Oldenburger, 18 Jahre alt, 650 Kilo. Das Pferd schnappt einen Grasbüschel nach dem anderen. „Wir vertrauen uns blind“, sagt Greschuchna. Rosalie schnaubt. „Ihr gefällt das frische längere Gras hier.“

Auf Momente wie diese hat die 52-Jährige jahrzehntelang gewartet. Sie hat sich ihren Kindheitstraum vom Pferd als Erwachsene erfüllt. Mit zehn Jahren schaute sie ihrer Mutter beim Reiten zu, mit zwölf bekam sie ein eigenes Pony, Cornett. „Drei Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Ich fand’s cool.“ Cornett heiterte sie auf, wenn es mit der Jugendliebe oder dem Abitur stressig wurde. Greschuchna gibt aber zu: Diese romantische Geschichte kann sie nur so erzählen, weil Cornett nie wirklich ein Leiden hatte.

Was Pferd Rosalie genau erlebt hat, weiß man nicht

Neben ihr steht Rosalie, mittlerweile angeleint neben dem Unterstand der Koppel. Sie schaut mit großen schwarzen Augen auf eine Holzwand. Ihre Sehne macht nicht mehr so mit, ein häufiges Pferdeleiden. Greschuchna erklärt detailliert, wo die Sehne angerissen ist. Wissen, das sie als Kind nicht gehabt hätte. Was Rosalie früher genau erlebt hat, weiß Greschuchna nicht. „Aber irgendetwas war vor meiner Zeit. Sie ist sehr schüchtern.“

Sieben Tage die Woche, egal ob Feiertag, egal, wie das Wetter ist – völlig wurscht.
Larissa Greschuchna, Pferdehalterin

Es hat lange gedauert, bis sich das Pferd an Menschen gewöhnt hat. Die Koppel im Freien tut ihr gut, hier bekommt Rosalie ihre Umwelt mit. Und Greschuchna weiß mit ihrer Erfahrung, was Rosalie braucht: vor allem Ruhe. Wenn eine Reiterin nervös sei, übertrage sich das auf das Pferd, sagt sie. Also bleibt sie souverän und ruhig – auch dann, wenn ein Jäger vor ihr steht.

Für ihr Pferd ist Greschuchna immer da. „Sieben Tage die Woche, egal ob Feiertag, egal, wie das Wetter ist – völlig wurscht. Man hat ein Tier zu versorgen.“ Und das war der Grund, warum sie mit 18 Jahren eine jahrzehntelange Pause eingelegt hat. Nach dem Studium war sie als Unternehmensberaterin 60 bis 80 Stunden in der Woche unterwegs. „Ein Pferd für ein Wochenende brauchte ich nicht“, sagt sie. Und das Geld hatte auch erst mal gefehlt. Für Ponys zahlen Halter um die 2.000 Euro, bei Großpferden können die Beträge schnell auch mal fünfstellig werden. Dazu kommen monatliche Unterhaltskosten mit mehreren hundert Euro.

Beim Probereiten hat es sofort gepasst

Greschuchna kennt Pferdehalter, die sich das nicht wirklich leisten können, sich aber trotzdem irgendwie durchschlagen. Das Pferd oft alleine lassen, den alten Sattel bis zum bitteren Ende benutzen, mit dem Tierarzt lieber mal warten. Greschuchna hat lieber auf ihr Pferd gewartet. Nur als Richterin bei Reitturnieren war sie ihren Lieblingstieren nahe. Mit 42, nach einem Jahr als Professorin für Marketing an einer Hochschule, war sie sich dann sicher, dass die Zeit wieder reicht für ein eigenes Pferd.

Larissa Greschuchna mit Stute Rosalie: „Rosalie ist ein guter Freund“, sagt Greschuchna. „Eigentlich mein bester.“
Larissa Greschuchna mit Stute Rosalie: „Rosalie ist ein guter Freund“, sagt Greschuchna. „Eigentlich mein bester.“ Foto: Rake Hora

„Ich wollte nochmal dieses eine Pferd, diese Bindung aufbauen.“ Als sie auf Rosalie zur Probe ritt, spürte sie sofort: „Das passt wie Deckel auf Topf. Ich habe mich Zuhause gefühlt.“ Greschuchna wirkt nicht wie eine emotionale Frau, sie wählt ihre Worte und ihr Lächeln mit Bedacht. Vielleicht ist es genau das, was Rosalie in ihrer Gegenwart so beruhigt.

Rosalie stapft schon lange wieder über ihre Koppel, als Greschuchna die vier Gummischuhe von Rosalie mit einer Bürste säubert. Vom Schlamm muss sie an nassen Tagen alles befreien, Schuhe, Hufe, sich selbst. Von der Koppel aus wiehert Rosalie. Sie ist unzufrieden, weil sie alleine ist und die anderen Pferde gerade ausreiten. Greschuchna geht nicht zu ihr, möchte sie nicht an ihre dauerhafte Präsenz gewöhnen.

Rosalie spürt, wenn Greschuchna mal traurig ist

Einmal am Tag, für drei Stunden, haben sie sich beide. Wenn Greschuchna nur den Feldweg zur Koppel herabläuft, wiehert Rosalie schon und gräbt aus Vorfreude mit ihrem Huf. „Wir wissen auch, wenn es einem von uns mal schlecht geht“, sagt die Reiterin. Wenn sie schon mal traurig war, habe Rosalie ihren Kopf an ihre Schulter gestupst. „Diese Tiere sind unheimlich sensibel und hören sozusagen gut zu.“ Natürlich spürt auch sie, wenn Rosalie traurig oder verängstigt ist. „Wir kennen uns in- und auswendig.“

Das erklärt, warum die 52-Jährige ihre Geschichte mit sechs Rippenbrüchen und der Beckenfraktur mit einem Lächeln erzählt. Es war ein Tag in der Reithalle, Rosalie erschreckte sich wegen eines Mitarbeiters mit Neon-Weste, und ging durch. Greschuchna landete an der Bande. „Es ist einfach doof gelaufen“, sagt sie. „Das sind Fluchttiere, es ist eine der gefährlichsten Sportarten. Aber wenn man Angst hat, sollte man es sein lassen.“ Nach drei Monaten setzte sie sich wieder auf ihr Pferd. „Wir haben beide gegrinst“, erzählt Greschuchna.

Wenn Rosalie nervös ist oder gerade nicht so will, nennt Greschuchna sie bei ihrem Spitznamen. „Schnuff“, in ruhiger Stimmlage, manchmal auch ein langgezogenes, leicht genervtes „Schnuuhuff“. Man kennt sich. „Rosalie ist ein guter Freund“, sagt Greschuchna. „Eigentlich mein bester.“

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