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„Wie ein Schlag ins Gesicht“

Firma Jabil Healthcare in Knittlingen entlässt alle 250 Mitarbeiter

Bei einer Betriebsversammlung erfahren die Mitarbeiter: Firma Jabil Healthcare in Knittlingen schließt Ende März 2024. Warum? Wie reagieren die Mitarbeiter? Und was bedeutet das für die Stadt?

Die Firma Jabil Healthcare in Knittlingen schließt Ende März 2024.
Die Firma Jabil Healthcare in Knittlingen schließt Ende März 2024. Foto: Catrin Dederichs

Die Firma Jabil Healthcare, vielen noch als Nypro Healthcare bekannt, schließt ihren Standort in Knittlingen. Alle Mitarbeiter haben die Kündigung bekommen. Das bestätigt Kommunikationsmanagerin Kirsten Oosterhof auf Nachfrage. Demnach verlieren rund 250 Menschen Ende März 2024 ihre Arbeit.

Als Grund gibt Oosterhof an, dass sich der Hauptkunde zurückgezogen habe. Das habe damit zu tun, dass sich die „Nachfrage nach dem am Standort hergestellten Produkt erheblich geändert“ habe.

Jabil in Knittlingen findet keine neuen Geschäftsmöglichkeiten

Jabil habe noch nach Alternativen gesucht, um den Standort zu sichern. „Leider konnten wir keine finden“, schreibt Oosterhof. Das liege zum einen an den hoch spezialisierten Fähigkeiten in Knittlingen. Und zum anderen an den aktuellen Marktbedingungen.

„Es war sehr schwierig, kurzfristig neue Geschäftsmöglichkeiten zu finden. Daher haben wir die schwierige Entscheidung getroffen, den Standort Knittlingen zu schließen.“

Wir haben die schwierige Entscheidung getroffen, den Standort Knittlingen zu schließen.
Kirsten Oosterhof
Kommunikationsmanagerin

Nach Aussage einer Betroffenen erfuhren sie und ihre Kollegen bei einer Betriebsversammlung von den anstehenden Entlassungen.

„Es war wie ein Schlag ins Gesicht“, sagt die 61-Jährige. Aus Angst vor Konsequenzen will sie ihren Namen nicht in der Zeitung lesen.

Es war wie ein Schlag ins Gesicht.
Anonym
Mitarbeiterin von Jabil

Seit neun Jahren arbeitet sie nach eigenen Worten für das Unternehmen. Ihre Chancen, woanders noch einmal einen Job zu finden, schätzt sie aufgrund ihres Alters als „eher schlecht“ ein.

Ein Mann im Alter von Mitte 30, der seit 15 Jahren im Unternehmen ist, sagt, dass sich eine Kündigungswelle zwar schon abgezeichnet habe. „Aber trotzdem waren wir jetzt überrumpelt.“

Nach Aussage der beiden gibt es im Unternehmen keinen Betriebsrat, der etwa einen Sozialplan aushandeln könnte. Jedenfalls noch nicht. Vor drei Wochen hätten die Mitarbeiter aber ein entsprechendes Wahlgremium gewählt, sagt die 61-Jährige. Inzwischen sei außerdem ein Rechtsanwalt eingeschaltet. „Wir ziehen das selbstverständlich durch. Wir haben nichts zu verlieren, wir können nur gewinnen.“

Knittlingens Bürgermeister spricht von einem „etwas verwirrenden Geschäftsmodell“

Ein Sozialplan ist eine schriftliche Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Es geht darum, wirtschaftliche Nachteile der Mitarbeiter auszugleichen oder abzumildern, die durch eine vom Arbeitgeber geplante Betriebsänderung entstehen.

Bürgermeister Alexander Kozel (Grüne) sagt auf Nachfrage, dass ihn mehrfach Menschen auf die Kündigungen bei Jabil angesprochen hätten. Fragwürdig sei, wie es dort nun weitergeht. Er beobachte das mit Sorge, sagt er. „Vor allem für die Mitarbeiter tut es mir leid. Und das noch so kurz vor Weihnachten.“

Vor allem für die Mitarbeiter tut es mir leid. Und das noch so kurz vor Weihnachten.
Alexander Kozel
Bürgermeister von Knittlingen

Auch für die Stadt selbst ist der Entwicklungs- und Fertigungspartner für Medizintechnik durchaus bedeutend. Laut Kozel ist Jabil der viert- oder fünftgrößte Arbeitgeber in Knittlingen und ein entsprechend wichtiger Gewerbesteuerzahler.

Kozel sagt, im vergangenen Jahr habe es schon erste Gerüchte über Kurzarbeit und die Zukunft des Unternehmens gegeben. „Da gab es so ein Grundrauschen.“ Ferner spricht er von einem „etwas verwirrenden Geschäftsmodell“, das Jabil betreibe.

Demnach gehören das Gebäude und die Maschinen jeweils unterschiedlichen Firmen und das Personal sei bei einem dritten Unternehmen angestellt. Ansonsten habe er bisher immer nur gehört, dass das Unternehmen ein guter Arbeitgeber sei.

Nach Angaben von Kommunikationsmanagerin Kirsten Oosterhof soll das bis zum Betriebsende auch so bleiben. „Das Wohlergehen unserer Mitarbeiter war und bleibt für uns oberste Priorität“, schreibt sie.

Das Unternehmen habe die Entscheidung nicht leichtfertig getroffen. Vielmehr sei sie das Ergebnis sorgfältiger und umfassender Überlegungen. Und sie spiegele in keiner Weise die „harte Arbeit, das Engagement und die Loyalität der Mitarbeiter“ wider.

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