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Heimsheimer Messerstecher: Zeugen sind geschockt von Brutalität

„Mit allem, was er in die Hände bekam“

Der 32-Jährige ist wegen der Attacke auf seine Frau im März 2018 angeklagt – doch die Leidensgeschichte der 28-Jährigen reicht wohl noch deutlich weiter zurück.

Symbolbild der Justizia
Die 28-jährige Partnerin musste jahrelange Gewalt erdulden, ihr Ehemann fiel mehrfach durch Übergriffe auf. Hier ein Symbolbild. Foto: Sonja Wurtscheid/dpa/Symbolbild

Eine arrangierte Hochzeit im frühen Teenageralter, andauernde Geldsorgen und trotz großem Willen – Probleme mit der erfolgreichen Ankunft in der deutschen Gesellschaft. Es war ein düsteres Bild, das die Auftaktverhandlung zum Fall des 32-Jährigen aus Afghanistan zeichnete, der am 29. März in der Heimsheimer Innenstadt seine Ehefrau mit einem Messer schwer verletzt hatte. Der Leidensweg der zum Tatzeitpunkt 28-Jährigen begann allerdings wohl schon viele Jahre vor dem schicksalsschweren Angriff aus Eifersucht, wegen dem nun die Anklage gegen den 32-Jährigen auf versuchten Mord und gefährliche Körperverletzung lautet.

Das Leben des früheren Paares, dessen Eckpunkte Richter Leonhard Schmidt mit beharrlichen Nachfragen zu umreißen versucht, lässt schaudern: Mit sechs Jahren beginnt der Angeklagte nach eigener Aussage in der familieneigenen Landwirtschaft mitzuarbeiten, eine Schule habe er nie besucht. Die Mütter von Cousin und Cousine arrangieren die Vermählung, als sie 14 und er 18 Jahre alt ist. Um bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben und sich ein besseres Leben aufzubauen, gehen die beiden in den Iran. Er selbst sei „immer am Arbeiten“ gewesen, sagt der schmächtige Mann mit dem harten Gesicht.

Ich habe nichts mehr mit dir zu tun. Ich habe ein Recht auf mein Leben.
Opfer der Messerattacke
zu ihrem damaligen Ehemann

Sie berichtet aus dieser Zeit hingegen von ersten Übergriffen: Mit „allem, was er in die Hände bekommen hat“ habe ihr Mann sie damals schon geschlagen, einmal wollte er sie mit brühend heißem Wasser übergießen. „Als ich im sechsten Monat schwanger war, hat er mich mit einer Eisenstange geschlagen. Narben davon sind immer noch am Kopf zu sehen“, sagt sie mit deutlicher, aber leicht zitternder Stimme zum Übersetzer. Als sie die Polizei rief, sei er nach Afghanistan zurück geflohen. Und als er wiederkam, war das Kind bereits auf der Welt.

Prügel in Flüchtlingsunterkunft

Die Tragödie endet nicht, als das Paar mit inzwischen drei Kindern weiter nach Deutschland flieht. Weil der Mann, der seine Aggressionen offenbar nicht zügeln kann oder will, im April 2017 in einer Heimsheimer Flüchtlingsunterkunft auf seine Frau einprügelt, verurteilt in das örtliche Amtsgericht im Januar 2018 zu vier Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung. Und die Lage spitzt sich weiter zu: Die Frau trennt sich räumlich von ihrem Mann, zieht mit den Kindern in eine eigene Wohnung in der Mönsheimer Straße in Heimsheim, während er in Tiefenbronn bleibt.

Sie sagt: „Ich habe nichts mehr mit dir zu tun. Ich habe ein Recht auf mein Leben.“ Als der 32-Jährige sie mit einem jungen Mann aus dem gemeinsamen Sprachkurs in der Pforzheimer Innenstadt sieht, brechen scheinbar alle Dämme. Unter dem Vorwand, sie solle sich einige Unterlagen ansehen, drängt er sie zu einem letzten Treffen.

Der Deal: Sie begleicht für ihn eine vom Gericht verhängte Strafe von einigen hundert Euro, im Gegenzug würde er sie auf einem Zettel für geschieden erklären. Doch während die 28-Jährige die Unterlagen noch in Augenschein nimmt, sticht er bereits auf sie ein. Als der damalige Lebensgefährte der Frau mit einer Zaunlatte bewaffnet zur Hilfe eilt, flieht der Täter. Die schwerverletzte Frau mit vielen Stichwunden auf Rücken, Gesicht und Beinen kommt in die Notaufnahme, wird genäht und liegt acht Tage im Krankenhaus.

Zeugen, die die Tat mit ansehen mussten, sind geschockt und entsetzt von der Brutalität, die der Angeklagte an den Tag legt. Besonders tragisch: Beim Jobcenter des Enzkreises war man auf das problematische Innenleben des Mannes aufmerksam geworden. Im Gespräch mit Integrationsmanagerin Anne-Katrin Miftah sagte der 32-Jährige, er könne es nicht ertragen, wenn seine Frau und Kinder bei einem anderen Mann leben würden. Am Tattag habe der Angeklagte mit der Betreuerin telefoniert: Er hatte seine Frau mit ihrem neuen Partner gesehen, wolle zurück in seine Heimat.

Eingeleitete Schritte zur Verhinderung eines Gewaltausbruchs kamen jedoch zu spät. Die Verhandlung geht am 6. September weiter.

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