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Seltene Spindelbäume

Ehrenamtliche Fachwarte bilden sich in Bauschlott fort – und tun mit der Astschere Gutes

Spindelbäume gibt es in der Region nur noch selten. Wie man sie richtig pflegt, wissen nur noch wenige. Im Enzkreis haben sich Fachwarte daher fortgebildet – und dabei etwas für den guten Zweck getan.

Egon Notz (links) und Günter Leonhard wissen genau, wie man Spindelbäume richtig schneidet. Beide sind Fachwarte, Obstbaumpfleger und Obst- und Gartencoaches.
Egon Notz (links) und Günter Leonhard wissen genau, wie man Spindelbäume richtig schneidet. Beide sind Fachwarte, Obstbaumpfleger und Obst- und Gartencoaches. Foto: Nico Roller

Wenn sie fertig sind, erinnern die Bäume ein bisschen an eine Pyramide: Oben sind sie schmal, unten breit. Im Minutentakt schneiden die Ehrenamtlichen am Samstagvormittag die überschüssigen Äste an den Bäumen ab, die in der Obstanlage außerhalb von Bauschlott in Reih und Glied nebeneinander stehen.

Ein bisschen erinnert das Ganze an einen Weinberg. Doch dieser Eindruck täuscht: Es handelt sich um Apfelbäume, genauer gesagt um Spindelbäume, an denen die Fruchtäste direkt von der durchgehenden Mitte abgehen. Auch sie müssen gepflegt werden, allerdings anders als normale Streuobstbäume.

Mit Scheren und Sägen rücken die Ehrenamtlichen den überschüssigen Ästen zu Leibe. Alle gehören zur Fachwartevereinigung, alle sind ehrenamtlich und für den guten Zweck im Einsatz. Denn die Bäume gehören dem Pforzheimer Wichernhaus, das in der Wohnungslosenhilfe tätig ist.

Großes Interesse bei den ehrenamtlichen Fachwarten

„Da helfen wir gerne“, sagt Günter Leonhard, der Beisitzer sowohl bei der Fachwartevereinigung als auch im Kreisverband der Obst- und Gartenbauvereine ist und die Aktion federführend organisiert hat. Er berichtet von einem großen Interesse unter den Fachwarten und erzählt, viele von ihnen hätten sofort zugesagt, als sie hörten, dass die Aktion für den guten Zweck ist.

Das ist eine große Erleichterung für uns.
Martin Lauber
Technische Dienste Wichernhaus

„Das ist eine große Erleichterung für uns“, sagt Martin Lauber, der beim Wichernhaus für die technischen Dienste zuständig ist. Schon vor Jahrzehnten hat die Einrichtung in der Bauschlotter Obstanlage mehrere Reihen mit Apfelbäumen angepachtet.

Die Wohnungslosen kümmern sich dort vor allem um das Mähen des Grases, um das Gießen der Bäume und um das Ernten des Obstes, aber auch um die niederschwellige Pflege der Bestände.

Es gehe darum, sie an die Arbeit heranzuführen und ihnen die Sinnhaftigkeit einer Tagesstruktur aufzuzeigen, erklärt Lauber und verweist auch auf den therapeutischen Aspekt, der mit der Arbeit in der Obstanlage verbunden sein kann. Denn dabei kommen die Wohnungslosen auf andere, positive Gedanken und werden von den Problemen abgelenkt, die viele von ihnen haben.

In der Bauschlotter Obstanlage kultiviert das Wichernhaus mehrere Apfelsorten

Nachdem das Wichernhaus früher viele der erzeugten Äpfel selbst verkauft hat, werden sie inzwischen hauptsächlich zu Saft verarbeitet. Dieser ist deutlich süßer als der von Streuobstwiesen und enthält kaum Gerbstoffe, weil für ihn hauptsächlich Tafelobst verarbeitet wird. In der Bauschlotter Obstanlage kultiviert das Wichernhaus Sorten wie Jonagold, Golden Delicious, Wellant, Boskoop und Topaz.

In der Bauschlotter Obstanlage haben am Samstag 24 Fachwarte um Beisitzer Günter Leonhard (Mitte, grüne Jacke) ehrenamtlich und in ihrer Freizeit die Spindelbäume des Wichernhauses geschnitten.
In der Bauschlotter Obstanlage haben am Samstag 24 Fachwarte um Beisitzer Günter Leonhard (Mitte, grüne Jacke) ehrenamtlich und in ihrer Freizeit die Spindelbäume des Wichernhauses geschnitten. Foto: Nico Roller

Die Ehrenamtlichen der Fachwartevereinigung finden dort zudem eine „gute Mischung“ aus älteren und jüngeren Bäumen. Was laut Leonhard wichtig ist, denn diese unterscheiden sich in der Pflege. Bei den älteren ist sie deutlich aufwendiger und komplizierter, weil sie einen stärkeren Wuchs haben.

Erfahrene Fachwarte brauchen für die Pflege eines jungen Baumes fünf Minuten

Brauchen erfahrene Fachwarte für einen jungen Baum etwa fünf Minuten, sind es für einen älteren bis zu 15. Worauf es ankommt, wissen sie genau: Die Äste müssen flach von der Mitte abgehen, weil sich dann mehr Blütenknospen bilden. Die Krone darf nicht zu dicht sein, damit genug Sonne an die Früchte gelangt und diese nach einem Regen schnell abtrocknen können. Tun sie das nicht, haben Mehltau und andere Pilze leichtes Spiel.

Zumal Pflanzenschutzmittel in der Bauschlotter Obstanlage nicht prophylaktisch, sondern nur dann zum Einsatz kommen, wenn Bäume tatsächlich befallen sind. Weil Spindelbäume grundsätzlich anfälliger für Blattkrankheiten sind als Streuobstbäume, setzt man bei Neupflanzungen in der Bauschlotter Obstanlage vor allem auf Sorten, die resistent sind gegen Pilzkrankheiten und Läuse.

Beim Wichernhaus sind inzwischen zwei Drittel des Bestands so angelegt. Spindelbäume sind kompakt und können auf engstem Raum kultiviert werden. Auf den Quadratmeter gerechnet, liefern sie deutlich mehr Ertrag als Streuobstbäume. Früchte tragen sie schon nach zwei bis drei Jahren, während das bei Streuobstbäumen je nach Sorte und Höhe mehr als fünf Jahre dauern kann.

Trotzdem gibt es Spindelbäume inzwischen nur noch selten. Trotzdem werden immer mehr Obstanlagen aufgegeben. Für die Fachwartevereinigung ist die Aktion am Samstagvormittag daher laut Leonhard „ein ideales Trainingsfeld“ gewesen.

Aktuell hat sie rund 260 Mitglieder, hauptsächlich aus Pforzheim und dem Enzkreis. Tendenz steigend. Alle bilden sich regelmäßig fort, auch bei den Kursen, die der Landesverband der Obst- und Gartenbauvereine (LOGL) anbietet.

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