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Computermodell statt Papier-Bauplan

Remchinger Ortsteilverbindungsstraße ist Pilotprojekt für Digitalisierung im Straßenbau

In fünf Jahren sollen alle Landesstraßen mit digitalen Modellen geplant werden. Verkehrsminister Winfried Hermann hat sich nun ein Pilotprojekt in Remchingen-Nöttingen angesehen.

Menschen vor Bagger
Einen Einblick in das BIM-Pilotprojekt auf der Remchinger Ortsteilverbindungsstraße bekam Verkehrsminister Winfried Hermann (Mitte) vor Ort von Alexander Klöcker, Sabine Schmucker, Michael Bauch und Bürgermeister Luca Wilhelm Prayon (von links). Foto: Zachmann

So sperrig der bürokratisierte Name „Ortsteilverbindungsstraße“ klingen mag, so smart verlaufen in der Praxis Planung, Ausführung und Abrechnung des dritten Trassen-Bauabschnitts westlich von Nöttingen: Building Information Modeling (BIM) heißt das Zauberwort, das eine digitale Schlüsseltechnologie umschreibt, die in den kommenden Jahren für eine Renaissance in der gesamten Baubranche sorgen soll.

Aus dem klassischen Bauplan auf Papier wird ein digitaler Komplex voller Möglichkeiten: Was mithilfe digitaler Anwendungen und einer von Anfang an transparenten Zusammenarbeit aller Beteiligten bereits heute möglich ist und welche Mehrwerte beim Bau von Infrastrukturprojekten entstehen können, präsentierten das Rastatter Bauunternehmen Reif, das Remchinger Ingenieurbüro BAMI und der Softwareentwickler ISL Kocher aus Siegen zusammen mit der Gemeinde Remchingen am Montagvormittag einem prominenten politischen Publikum um den baden-württembergischen Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne).

In Eigeninitiative hatten die Projektbeteiligen auf dem dritten Bauabschnitt das Pilotprojekt gestartet, um mehrere Monate lang digitale Arbeitsweisen zu testen und mit den herkömmlichen zu vergleichen. Nicht schlecht staunten neben Hermann auch der Bundestagsabgeordnete Gunther Krichbaum (CDU), seine Landtagskollegen Stefanie Seemann (Grüne), Bernd Gögel (AfD) und Erik Schweickert (FDP), Regierungspräsidentin Sylvia Felder sowie einige Bürgermeister, Kommunalpolitiker und Vertreter der Bauverbände, als sie sich die VR-Brille aufziehen oder mit dem Tablet über die Trasse laufen und an jeder Stelle den dreidimensionalen Plan mit der Wirklichkeit vergleichen konnten.

Digitale Modelle erlauben Planungen ohne unangenehme Überraschungen in der Bauphase

Das mittels detaillierter Drohnenaufnahmen und Lasermessungen erstellte Modell, das neben Bodengutachten beispielsweise sämtliche bekannten Leitungen miteinbezogen hatte, erlaubte es den Planern, Ungereimtheiten im Gelände bereits lange vor dem ersten Baggerbiss zu erkennen, eine IT-Leitung zentimetergenau zu umgraben oder die Großmaschinen modellbasiert autonom zu steuern, um die gewaltigen Erdbewegungen exakt und zügig auszuführen.

Außerdem machte es möglich, Material bedarfsgenau zu bestellen und schließlich per Knopfdruck abzurechnen. „Damit wachsen Planen und Bauen wirklich zusammen“, unterstrich Alexander Klöcker (Reif), während sein Mitarbeiter Julian Halter mit Michael Bauch (BAMI-Ingenieure) die praktischen Vorteile erläuterte und verdeutlichte: „Je früher wir Entscheidungen treffen können, desto kostengünstiger sind sie.“

Derweil hatten die Beteiligten, die ihre Erfahrungen mit anderen Unternehmen und Studenten teilen wollen, eine klare Botschaft an die Politik: Während Wissen und Technik für BIM mehr und mehr vorhanden sei, hapere es an vielen Stellen am transparenten Datenaustausch und der Zugänglichkeit wichtiger Informationen – beispielsweise der Lage von Leitungen.

Die modellbasierte Kostenabrechnung müsse in der Vergabe- und Vertragsordnung ausdrücklich anerkannt sein. „BIM ist perspektivisch klar der Weg in die Zukunft des Bauens“, unterstrich der Verkehrsminister und hatte ein offenes Ohr für die Forderungen.

In fünf Jahren sollen alle Landesstraßen digital geplant werden

Während das Land selbst drei BIM-Projekte realisiert und zehn weitere in Planung habe, sollen nach und nach alle Landesprojekte, bis 2027 sämtliche Landesstraßen so realisiert werden: „Wir waren bisher schon Vorreiter in Baden-Württemberg und wollen es weiter bleiben.“ Hermann lobte das Remchinger Pilotprojekt als „schönes Beispiel, dass so eine Initiative auch von unten kommen kann“.

„Durch diese Straße bekommen wir wieder einen lebendigen Ortsteil“, freute sich Bürgermeister Luca Wilhelm Prayon (CDU) auf die für August geplante Öffnung der Trasse. Diese soll dann von den rund 10.000 Fahrzeugen, die sich täglich durch die Ortsmitte schlängeln, Berechnungen zufolge rund 6.000 – und insbesondere den Schwerlastverkehr – mit Tempo 70 umleiten.

Der Kreisverkehr als Anbindung an die Kreisstraße Richtung Auerbach oder Keltern, der zukünftig um einen vierten, noch nicht beschlossenen Abschnitt direkt nach Keltern erweitert werden könnte, ist bereits fertigstellt. Auf Hochtouren laufen der Bau einer Brücke über den Auerbach sowie letzte Lärmschutzarbeiten, dann folgt die Fahrbahnmarkierung. Nach Fertigstellung will sich die Gemeinde mit mehreren Landesprogrammen der lebendigen Gestaltung der Ortsdurchfahrt widmen, erste Beteiligungsprojekte laufen. Mittelfristig könnte zwischen Straße und Ortsrand ein neues Wohnbaugebiet entstehen.

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