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Innenministerium am Zug

Keine antisemitischen Demos mehr rund um Platz der Synagoge in Pforzheim?

Wird es in Zukunft keine judenfeindlichen Demonstrationen auf oder nahe dem Platz der Synagoge in Pforzheim und anderen Städten mehr geben? Der Landtag in Stuttgart hat mit großer Mehrheit einen Beschluss gefasst.

Der Platz der Synagoge:An dem Platz in der Pforzheimer Zerrennerstraße marschieren immer wieder trommelnde Demonstranten vorbei, unter denen sich wiederholt Rechtsextremisten befanden. Ein Beschluss des Landtags soll das ändern.
Der Platz der Synagoge:An dem Platz in der Pforzheimer Zerrennerstraße marschieren immer wieder trommelnde Demonstranten vorbei, unter denen sich wiederholt Rechtsextremisten befanden. Ein Beschluss des Landtags soll das ändern. Foto: Stefan Jehle

Mit viel Rückenwind kehrt Rami Suliman am Donnerstagmittag aus Stuttgart zurück. Einen „Meilenstein“ nennt der Vorsitzende der Pforzheimer Jüdischen Gemeinde und des Oberrats der Badischen Juden das Ergebnis einer rund einstündigen Debatte im baden-württembergischen Landtag. Mit großer Mehrheit hat sich das Gremium für eine Einschränkung judenfeindlicher Demonstrationen auf Plätzen alter Synagogen ausgesprochen.

Suliman hatte den Anstoß gegeben zu einem gemeinsamen Entschließungsantrag von Grünen, CDU, SPD und FDP/DVP. Darin geht es um den besonderen Schutz von jüdischen Erinnerungs- und Begegnungsorten. „Das ist ein sehr gutes Gelingen von Demokratie“, erklärt er gegenüber dieser Redaktion – erfreut auch darüber, dass er „als einfacher Mensch“ so etwas habe bewirken können.

Ich gehe davon aus, dass der Oberbürgermeister Demos am Platz der Synagoge verbietet.
Rami Suliman, Jüdische Gemeinde Pforzheim

Das Ergebnis stimmt Suliman optimistisch: „Ich gehe davon aus, dass der Oberbürgermeister an Plätzen der alten Synagogen künftig Demonstrationen verbietet.“ Er rechnet aber auch damit, dass gegen ein Verbot geklagt werden wird.

„Für die Jüdinnen und Juden ist entscheidend, dass der Platz der Synagoge von Demonstrationszügen mit ihren Trommeln nicht betreten werden darf“, betont Hans-Ulrich Rülke gegenüber dieser Redaktion. Der Fraktionssprecher der FDP/DVP erwartet angesichts einer Zweidrittelmehrheit im Landtag, dass das Innenministerium den Beschluss umsetzt – nach einer Konkretisierung und Ergänzung. „Wir gehen davon aus, dass Pforzheim sowie andere Kommunen Handreichungen bekommen, auf deren Basis sie handeln können.“

Aus dem Innenministerium wird Handreichung für Kommunen erwartet

Dadurch lasse sich wohl nicht generell verhindern, dass Demonstrationszüge an dem Platz vorbeiführen, meint Rülke, aber sie könnten an Auflagen geknüpft sein. Etwa, dass die Züge künftig einen von der Stadt festgelegten Abstand einhalten müssen.

Im Vorfeld hatte Suliman mit den Fraktionen und dem Innenminister gesprochen und die Problematik dargelegt. Für Pforzheim besteht sie darin, dass die sogenannten Montagsdemonstrationen regelmäßig und von Trommeln begleitet am hiesigen Platz der Synagoge vorbeiführen.

Bei den Aufzügen, die aus dem Umfeld von Kritikern der Corona-Maßnahmen entstanden, liefen mehrfach Rechtsextremisten mit. Einige Kundgebungen fanden auf dem Platz selbst statt – so wie in Freiburg eine Palästina-Kundgebung am dortigen Platz der Synagoge.

Symbolische und historische Bedeutung des Platzes der Synagoge

„Der Platz ist für uns Juden sehr wichtig“, verweist Suliman auf die hohe symbolische und historische Bedeutung des Platzes in der Zerrennerstraße, wo bis zur Zerstörung 1938 die alte Pforzheimer Synagoge stand. Er sei nicht gegen Demonstrationen, betont er. Aber sie müssten in einem derartigen Rahmen bleiben, dass Minderheiten geschützt werden und die Würde des Platzes nicht verletzt wird. „Die Abgeordneten haben einen Weg gefunden, der uns als Minderheit schützt.“

Mit Suliman saßen Michael Kashi von der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs, Maren Stege vom Generalkonsulat des Staates Israel und der baden-württembergische Antisemitismusbeauftragte Michael Blume im Plenarsaal. Letzterer äußert sich euphorisch: „Mein Amt ist oft mit Hass und Schmerz verbunden, aber heute überwiegt die Freude über den gemeinsamen Erfolg. Gemeinsam mit Rami Suliman freue ich mich heute über den verbesserten Schutz von Gedenkorten der Shoa wie in Pforzheim und Freiburg.“

Nun werde man sehen, „ob die Courage von Entscheidern in Verwaltung und Justiz ausreicht, oder ob der Bund das starke, überparteiliche Signal des Landtags Baden-Württemberg aufgreifen muss“, sagt Blume.

Stadt Pforzheim will detaillierte Informationen aus Stuttgart abwarten

Die Stadt Pforzheim hat erst kürzlich darauf hingewiesen, dass nur „in äußerst wenigen Einzelfällen“ an bestimmten Örtlichkeiten ein generelles Versammlungsverbot möglich sei. Wie sich der Landtagsbeschluss auf künftige Versammlungen im Bereich des Platzes der Synagoge auswirkt, könne man noch nicht sagen, hieß es am Donnerstagnachmittag.

„Sobald wir detaillierte Informationen vom Land dazu erhalten, werden wir diese rechtlich bewerten und Handlungsmöglichkeiten im Rahmen des geltenden Rechts beurteilen.“

Bei dem Entschließungsantrag war die AfD nicht mit einbezogen gewesen, was die Partei im Landtag heftig kritisierte. Aus deren Fraktion gab es Zustimmung zu einigen Punkten, zu anderen enthielten sich Abgeordnete oder stimmten dagegen.

Die Sprecher der übrigen Fraktionen bekundeten Einigkeit darin, dass die Versammlungsfreiheit zwar ein „herausragendes Gut“ sei, aber Grenzen habe. Wenn Aufzüge mit Trommlern an Plätzen ehemaliger Synagogen vorbeiführten, müsse ein Riegel vorgeschoben werden, sagte etwa Rülke. Das Gremium erklärte auch, die Versammlungsbehörden und Polizeidienststellen müssten entsprechend sensibilisiert werden.

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Katja Mast begrüße die Entscheidung des Landtags und nannte sie in einer Pressemitteilung „eine sehr gute Entwicklung - auch und gerade für Pforzheim“.

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