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Blutige Ohren beim Home-Haarschnitt

Wie im „Urlaub“: Kunden in Pforzheim freuen sich über Friseurtermin

Nach zweieinhalb Monaten Corona-Lockdown dürfen an diesem Montag die Friseure wieder öffnen. In Pforzheim fühlen sich die Kunden wie im „Urlaub“, ein Friseur berichtet von 1.500 Anfragen.

Ein Mann sitzt auf einem Frisierstuhl im Salon, hinter ihm steht ein weiterer Mann und hält ihm den Spiegel hin. Im Hintergrund sieht man eine Frau von hinten sowie eine weitere Person in einem Frisierstuhl.
Die Haare endlich schön: Dominik Hermann freut sich nach „ein paar echt schlimmen Wochen“, dass Andreas W. Klug ihm eine neue Frisur verpasst hat. Selbst wollte der Pforzheimer Hermann nicht zur Schere greifen. Foto: Susanne Roth

„Wie die Friseure in Österreich das logistisch hinbekommen, ist mir ein Rätsel“, sagt Andreas W. Klug. Er spricht davon, dass im Nachbarland alle Friseurkunden und Friseure getestet sein müssen, bevor es den Haaren an den Kragen geht. So weit geht es in Pforzheim nicht, jetzt, wo die Friseure wieder öffnen dürfen.

„Wir haben ja schon unsere Erfahrung gemacht mit dem Hygienekonzept und Routine im auf- und wieder zu machen“, sagt Klug, der zusammen mit Stephan Hochstein den Salon „Barbers“ im Melanchthon-Haus betreibt. Außer, dass nun eigene Produkte zum Desinfizieren genommen werden, hat sich am Konzept nichts geändert.

Und so wird auch Stammkunde Dominik Hermann aus Pforzheim erst einmal an das Waschbecken im Eingangsbereich gebeten, anschließend zur Desinfektionsstation. Auch er hat „ein paar echt schlimme Wochen“ hinter sich. Als die überstanden waren, hatte er sich mit seinen etwas längeren Haaren abgefunden. „Der Andreas und der Stephan haben mir stark davon abgeraten, selbst zu schneiden.“

Daran hat sich Hermann im Gegensatz zu einer anderen Kundin gehalten, die jetzt zumindest weiß, warum Friseure die Ohren umklappen beim Schneiden. „Ich hatte an beiden Ohren Pflaster, weil es nicht mehr aufgehört hat zu bluten“, sagt sie lachend.

Kundin kann Corona-Lockdown für Friseure nicht nachvollziehen

Eines aber kann man nicht sagen: dass Frauen mehr unter dem erzwungenen Haarwuchs leiden. Auch für Hermann war der Lockdown keine schöne Zeit. Aber noch aus einem anderen Grund: „Das ist für mich Urlaub hier im Salon.“

Auch Monika Toth hat wohl die Atmosphäre gefehlt. „Ich habe mir mal den Pony geschnitten“, sagt die mit einer klassischen Bob-Frisur ausgestattete Pforzheimerin. Es sei auszuhalten gewesen. Was sie allerdings auf die Palme bringt, ist die Tatsache, dass die Friseure überhaupt schließen mussten. „Hier wurden doch immer die Abstände eingehalten.“

Sie bezeichnet die Schließung als „Frechheit“ und „Einschnitt in die persönliche Freiheit“. Auch dass eine Freundin von ihr als Kosmetikerin nur Füße und nichts anderes behandeln darf stößt bei ihr auf Unverständnis. Und: „Viren hat es schon immer gegeben.“ Sie bezeichnet die Maßnahme als vollkommen überzogen. Und geht aber glücklich mit einem exakt geschnittenen Bob aus dem Salon.

1.500 Kunden melden sich bei Pforzheimer Friseursalon

Nicht nur Andreas W. Klug könnte nun wohl Tag und Nacht Haare schneiden. Auf einen Termin muss man derzeit drei Wochen lang warten. Die meiste Arbeit aber war vor der Öffnung zu bewältigen. Es galt, per E-Mail und Telefon 1.500 Kunden neue Möglichkeiten zum Haarschnitt einzuräumen, gewünschte Termine zu bestätigen oder umzubuchen. „Wir haben eineinhalb Wochen telefoniert“, so Klug.

Wieder da, wo er hingehört: Andreas W. Klug darf sich seit Montag wieder auf seine Fähigkeit des Haareschneidens konzentrieren.
Wieder da, wo er hingehört: Andreas W. Klug darf sich seit Montag wieder auf seine Fähigkeit des Haareschneidens konzentrieren. Foto: Susanne Roth

Ähnliches schildert auch Lea Kesler beim Beauty-Park Happel-Reiling in Pforzheim. „Unserer Chefin war es wichtig, immer in Kontakt mit den Kunden zu bleiben.“ Und so habe man Termine neu vereinbart, wieder verschoben, wieder vereinbart. Und sei jetzt total glücklich über die Wiederöffnung. „Die Stimmung ist super, alle freuen sich.“

Ein neuer Lockdown, das wäre dann schon langsam existenziell.
Andreas W. Klug, Friseur

Vom Selbstwertgefühl abgesehen, das ein Haarschnitt poliert, von der Pandemiemüdigkeit und dem „großen Bedürfnis nach Kontakten“ in der „gefährlichsten Phase der Pandemie“: Andreas W. Klug hofft, dass sich schlimme Befürchtungen bezüglich der Virus-Mutationen nicht bewahrheiten.

Die Überbrückungshilfen seien erst vergangene Woche angekommen, es habe große Verzögerungen gegeben. Sowohl er als auch sein Kompagnon Stephan Hochstein hätten auch sehr viel eigenes Geld in die Firma investieren müssen. „Ein neuer Lockdown, das wäre dann schon langsam existenziell.“ Da spricht er wohl allen Friseuren aus dem Herzen.

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