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Corona-Lockerungen

Neueröffnung muss kein Segen sein: Pforzheimer Gastronom fürchtet Ruin durch leere Tische

Ab Montag dürfen die Gaststätten in Baden-Württemberg und somit auch in Pforzheim und dem Enzkreis wieder öffnen. Doch die Betreiber sind darüber nur bedingt erfreut - denn es herrscht auch ein großes wirtschaftliches Risiko.

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Die Kosten steigen: Ein wenig besorgt blickt Vito Federico, Betreiber des „Goldnen Adler“ in Pforzheim, auf die Wiedereröffnung seines Restaurants. Er sieht einige wirtschaftliche Risiken. Foto: Ehmann

So richtig glücklich ist Vito Federico nicht, dass es wieder losgehen soll in der Gastronomie. Federico betreibt in Pforzheims Zentrum den „Goldnen Adler“ und auf der Wilferdinger Höhe noch die „Wedding Ranch“. Seit März befindet er sich im Shutdown, der Umsatz ist zusammengebrochen. Grund genug, sich auf die Rückkehr zur Normalität zu freuen? Nur bedingt.

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Personalkosten bleiben bei geringerem Umsatz

„Es wird sich zeigen, ob man lieber hätte warten sollen“, sagt Federico. Dabei sieht er nicht nur gesundheitliche Risiken – sondern auch wirtschaftliche. „Wir können ja nicht einen halben Koch in die Küche stellen, wenn wir nur halbe Kundschaft haben“, sagt er.

Über acht Tische verfügt der „Adler“ in der Regel, ab Montag werden es aufgrund der Corona-Auflagen nur noch fünf sein. Auch bei der Wedding-Ranch sank die Zahl der Hochzeiten coronabedingt um ein Drittel. Teilweise könne man das auffangen, etwa durch den geminderten Mehrwertsteuersatz von 19 auf 7 Prozent. „Das hilft schon eine Menge“, meint Federico.

CDU-Kandidat fordert unbürokratische Lösungen für Außenflächen

Den Gastronomen zur Seite springen möchte auch CDU-Landtagskandidat Philippe Singer mit einem offenen Brief. Die Stadt möge unbürokratisch dafür sorgen, dass die Restaurants & Co. ihre Außenfläche erweitern können, auch jenseits der gängigen Regeln. „In der aktuellen Krisenlage sollten die Interessen von Fußgängern, Fahrrad- und Autofahrern hinter die Interessen unserer Gastronomie zurücktreten“, schreibt Singer. Allein: Diese Plätze müssen erst einmal besetzt werden.

Federico befürchtet geringe Nachfrage wegen Corona

Federico jedenfalls hat daran große Zweifel, auch basierend auf Gesprächen mit Stammkunden. „Wenn die Leute ganz normal bei uns ihr Bier und ihr Schnitzel bestellen, kommen wir zurecht. Ich glaube aber, dass gerade viele vorsichtig sind. Dass viele sagen: Wir können auch noch in vier Wochen in den Adler gehen.“ Zudem fehle ihm speziell die Zielgruppe. „Unsere Gäste kommen häufig aus dem Enzkreis und fahren zum Einkaufen oder Flanieren in die Innenstadt. Die kommen ja jetzt nicht.“

Erneutes Schließen könnte für viele das Aus bedeuten

Gleichzeitig steigen nun die Kosten. Die Mitarbeiter – der Koch und die Bedienung – wurden aus der Kurzarbeit geholt, die Lager werden mit Getränken und Speisevorräten gefüllt. Auch das stellt ein unternehmerisches Risiko dar, wie Federico betont: „Wenn wir noch einmal schließen müssten, dann wäre es für bestimmt ein Drittel aller Gastronomen hier das Ende.“

Auch er selbst könne sich „nicht vorstellen“, wie er einen neuen Shutdown überstehen sollte – eben auch aufgrund der nun getätigten Investitionen sowie der in der Praxis doch recht hohen bürokratischen Hürden, um an Corona-Hilfen zu gelangen.

Pforzheim gefährlich nah am erlaubten Grenzwert

Und die Gefahr, dass die Stadt Pforzheim den Schwellenwert von 50 Infizierten pro 100.000 Einwohnern binnen sieben Tagen erreicht, ist ebenfalls da. Am Montag lag man bei einem Wert von 38,4 – Tendenz steigend. „Wenn wir noch einmal schließen müssten, dann wäre es für uns besser, gar nicht zu öffnen.“

Gerade größeren Betrieben würde ich sagen: Lasst zu – wenn ihr es aushalten könnt.
Frank Daudert, zweiter Vorsitzender vom Verband Dehoga im Enzkreis

Ähnlich äußert sich Frank Daudert, der zweite Vorsitzende des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) im Enzkreis. „Jetzt wieder zu öffnen ist purer Aktionismus“, kritisiert er. „Gerade größeren Betrieben würde ich sagen: Lasst zu – wenn ihr es aushalten könnt.“ Biergarten-Betreiber Daudert sieht noch eine andere Gefahr als Federico: den Vatertag kommende Woche. „Wenn die Leute etwas getrunken haben, dann sind sie nicht mehr zu reglementieren.“

Dabei müssen Federico, Daudert & Co. die Hygienevorschriften einhalten. „Wir hatten schon im März an jedem Tisch Desinfektionsmittel stehen“, berichtet Federico. Jetzt werde zudem regelmäßig desinfiziert. Eine vertrauensbildende Maßnahme, deren Effekt abzuwarten bleibt.

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