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Gebet in alle Himmelsrichtungen

Auferstehungsfeier beim Sonnenaufgang auf dem Pforzheimer Wallberg

Noch bevor die Sonne aufgegangen ist, haben sich in Pforzheim Christen auf dem Wallberg getroffen, um die Auferstehung Jesu zu feiern.

Auferstehungsfeier auf dem Pforzheimer Wallberg
Zahlreiche Menschen sind am Morgen des Ostersonntags auf den Gipfel des Pforzheimer Wallbergs gekommen, um die Auferstehungsfeier zu erleben. Foto: Nico Roller

Wie Inseln ragen einzelne Gebiete und Gebäude aus dem dichten, frühmorgendlichen Dunst. Noch liegen große Teile der Stadt unter einer geschlossenen Nebeldecke. Noch ist es still, noch sind keine Autos, Hupen und Sirenen zu hören.

Die Straßen wirken verwaist, wie ausgestorben. Nur hin und wieder sieht man zwei Scheinwerfer durch die langsam verschwindende Nacht fahren. Der Himmel ist dunkelblau, als sich das Plateau auf dem Pforzheimer Wallberg langsam mit Menschen füllt.

Während sich der Sonnenaufgang nähert, während das dunkle Blau immer heller wird, laufen sie zu Fuß den steilen Weg zum Gipfel des Bergs hinauf, der einst aus dem Schutt und den Trümmern der zerbombten Stadt zu seiner heutigen Größe aufgeschüttet wurde. Oben angekommen, genießen die Menschen den Ausblick und warten, bis der Tag beginnt.

Mit dem Sonnenaufgang beginnt auf dem Wallberg der halbstündige Gottesdienst

Einige zücken ihre Handys, um den beeindruckenden Anblick auf Fotos festzuhalten. Bei den fünf großen, silbern glänzenden Stelen haben sich am Morgen des Ostersonntags die Musiker des ökumenischen Bläserkreises aufgestellt.

Als um 7.05 Uhr im Osten die orange Sonne am Horizont auftaucht, spielen sie das Lied „Christ ist erstanden“ und eröffnen damit den Gottesdienst, den die Arbeitsgemeinschaft christlicher Gemeinden (ACG) vorbereitet hat.

Im Mittelpunkt der Liturgie steht die Auferstehung Jesu, die biblische Geschichte der Frauen, die in aller Frühe zum Grab gehen und überrascht feststellen, dass kein großer, schwerer Stein mehr den Eingang verschließt. Im Inneren treffen sie einen jungen Mann in einem weißen Gewand, der ihnen berichtet, der Gekreuzigte sei nicht mehr da.

„Jesus ist auferstanden und lebt mitten in der Welt“, sagt die evangelische Dekanin Christiane Quincke, die den Gottesdienst zusammen mit Tobias Gfell von der katholischen und Hans Martin Renno von der evangelisch-methodistischen Kirche leitet. Ihre Worte spenden Hoffnung, machen Mut, vermitteln Wärme und Empathie.

Auch das Osterwasser-Ritual ist Teil des Pforzheimer Gottesdienstes

Während die Sonne am nahezu wolkenfreien Himmel immer weiter emporsteigt, gehen die Geistlichen auf die Gottesdienst-Besucher zu, die sich in einem Halbkreis um die fünf Stelen aufgestellt haben. In ihren Händen halten sie Krüge, gefüllt mit kaltem, klarem Wasser. Es handelt sich um Osterwasser, mit dem die Besucher ihre Augen waschen können.

Das alte christliche Ritual soll laut Renno den Schleier der Angst, die gierigen, listigen und misstrauischen Blicke wegspülen, damit die Menschen sehen können, was durch die Auferstehung in ihrem Leben anders geworden ist. Friedlich, freundlich und wertschätzend sollen sie einander anschauen.

Im Lauf des Gottesdiensts verzieht sich der Nebel über der Stadt und gibt den Blick frei auf Wohnsiedlungen und Industriegebiete, auf Stromleitungen und Straßenzüge. Auf dem Wallberg rufen die drei Geistlichen unterdessen zum Gebet auf.

Zunächst werden Fürbitten in die vier Himmelsrichtungen gesprochen, dann stimmen alle gemeinsam das „Vater unser“ an. Als der ökumenische Bläserkreis den Gottesdienst nach einer halben Stunde beschließt, ist es hell geworden.

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