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Besucher kaufen tendenziell weniger

Gestiegene Preise: Das sagen Kunden des Pforzheimer Wochenmarkts

Auf dem Pforzheimer Turnplatz ist der Blattsalat schon um 11 Uhr alle. Feinkost hat es mit gestiegenen Energiepreisen und unsicherer Lage dagegen schwerer.

Osterkränze, Blütenzweige, Markt Turnplatz in Pforzheim
Am Marktstand, den Helmut Haas aus Karlsbad auf dem Turnplatz in Pforzheim betreibt, gibt es keine Inflation, aber all das Grün und die Blüten, die der Frühling zu bieten hat. Foto: Edith Kopf

Was Helmut Haas zu bieten hat, ist „unbezahlbar“. Der 87-Jährige aus Karlsbad hat „Kränzle“, Kirschblütenzweige, Hasel- und Weidensträuße vor sich ausgebreitet.

Mit aller Geduld verfolgt er, wie sich eine Kundin in den Möglichkeiten der Gebinde verliert. Sie kann sich einfach nicht entscheiden, was am Ende schöner kommt zu Hause, in ihrer Vase für den Frühstückstisch zu Ostern.

Etwas längere Zweige mit Pfirsichblüten schlägt die Frau aus. Ob sie ihr zu teuer sind oder nur zu groß, lässt sich nicht erfragen. Aber es passt ins Bild, dass es für diese Käuferin keine Option ist, sich den österlichen Strauß passend zu schneiden: „Die Leute reagieren verhaltener“, seitdem die Heizkosten steigen und sich das Leben in Deutschland unsicherer anfühlt, beobachtet Haas.

Im Moment ist nicht sicher, was kommen wird – die Leute haben Angst.
Katrin Müller, Feinkoststand La Signora

An den Preisen am Stand des Seniors unter den Marktbeschickern kann es nicht liegen. Denn da gibt es keine Inflation, weil die Handarbeit ohnehin „unbezahlbar“ ist bei den mit Häschen, Zwiebelchen und anderem verzierten Mooskränzen. Es ist der Verzicht auf den kleinen Luxus, der dafür sorgt, dass beispielsweise Katrin Müller am italienischen Feinkoststand La Signora von Umsatzeinbußen zwischen 30 und 40 Prozent spricht, während die Gemüsestände um 11 Uhr schon keine Blattsalate mehr anbieten können.

„Im Moment ist nicht sicher, was kommen wird – die Leute haben Angst“, analysiert Katrin Müller die Zurückhaltung. „Heizkosten, Spritkosten, das Geld ist ja nicht mehr da“, macht sich Olivenhändler Rolf Oettle seinen Reim auf 25 Prozent Einbußen. Wer kommt, kauft weniger oder preiswerter und damit schlechtere Qualität, so beobachtet der Mann aus Emmendingen.

Transportkosten machen auch Oliven aus Griechenland teurer

Der 61-Jährige ist trotzdem guter Dinge, dabei zahlt er dieser Tage sogar drauf. Denn er hat die Preise nicht erhöht, gibt also die gestiegenen Transportkosten nicht weiter für Öl, Oliven, Knoblauch und Zitronen aus Griechenland und Italien. Zwei Wochen wird Oettle noch auf den Turnplatz kommen, dann ist er weg in Richtung Südfrankreich. Er übergibt den Stand nach 18 Jahren an zwei junge Nachfolgerinnen, die er gerade einarbeitet.

Ostermarkt auf dem Turnplatz in Pforzheim
Der Mittwochsmarkt auf dem Turnplatz ist wie immer vor Ostern. Dass mancher weniger in der Tasche hat für den Festtagsschmaus, spüren die Anbieter vor allem im Feinkostbereich. Foto: Edith Kopf

„Man muss es sich schon leisten können“, sagt Aline Salewski. Die junge Mutter hat bei dem Satz die ganze Breite der finanziellen Optionen vor Augen. Vor ihr liegt schnittfrischer Spargel aus Bruchsal, der wegen Betriebsaufgaben und Mindestlohn für Erntehelfer bereits vor einem Jahr deutlich teurer war als bis dahin gewohnt. Wenn sie an den Blumenladen ihrer Großmutter in Ispringen denkt, dann sieht sie, wo die Leute den Geldbeutel zusammenhalten.

Für gutes regionales Essen bin ich bereit einen höheren Preis zu bezahlen.
Kathrin Schütze, Einkäuferin auf dem Wochenmarkt

Am Gemüsestand ihrer Familie auf dem Turnplatz, wo Aline Salewski für kleines Geld mitarbeitet, schauten vor allem ältere Kunden mehr auf den Preis. Bei Spargel sei die Nachfrage auch etwas weniger als üblich vier Tage vor Ostern. „Aber die Leute können ja auch wieder essen gehen“, deutet Aline Salewski an, dass ein schlechterer Geschäftsgang nicht nur mit dem Krieg in der Ukraine und Lieferengpässen zu tun haben muss.

Die Männer und Frauen, die an diesem Mittwoch mit ihren Körben über den Markt gehen, bestätigen dies von einer anderen Warte aus. „Für gutes regionales Essen bin ich bereit, einen höheren Preis zu bezahlen“, sagt zum Beispiel Kathrin Schütze. Die Steuerfachangestellte und Schwimmlehrerin ergänzt, sie arbeite für ihr Geld und überlege dann, wo sie es ausgebe. Dass sie womöglich weniger dafür bekommt, wischt sie bei Seite. „Dann habe ich eben weniger auf der hohen Kante.“

Den bislang gekannten Wohlstand wird es nicht mehr geben.
Norbert Muerrle, Einkäufer auf dem Wochenenmarkt

„Gemüse war schon im vergangenen Jahr viel teurer im Vergleich zu Fleisch“, stellt auch Norbert Muerrle den Preis für Bohnen, Spinat und Spargel in einen größeren Zusammenhang. Er begrüßt, dass hier wieder etwas in ein besseres Verhältnis kommt.

Die Bemerkung, er habe auch eher mehr Geld in der Tasche, kontert der 74-jährige Designer mit „ich habe 400 Euro Rente und arbeite bis heute“. Außerdem seien 100 Euro mehr für die Lebenshaltung doch nichts angesichts der „schwindelerregenden Höhe“ der Gaspreise. „Ja, für eine durchschnittliche Familie wird’s richtig hart“, räumt Muerrle ein. Dann lenkt er den Blick wieder auf die Sonnenseite des Lebens. „Zumindest leben wir und leben nicht im Krieg. Es ist so wie es ist und wir sollten froh sein. Den bislang gekannten Wohlstand wird es nicht mehr geben.“

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