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Integration in Arbeitsstrukturen

Im Wichernhaus in Pforzheim lernen Wohnungslose Alltagsroutinen

Mike Ullmann leitet seit Anfang April den Sozialdienst im Wichernhaus in Pforzheim. Die Einrichtung hilft Obdachlosen dabei, sich im Alltag zurechtzufinden.

Drei Männer in der Schreinerwerkstatt im Wichernhaus Pforzheim. Links ein Beschäftigter, Mitte Leiter Mike Ullmann, rechts Arbeitstherapeut Stefan Wylo
Therapeut Stefan Wylo (rechts) betreut Bewohner bei der Arbeit. Leiter Mike Ullmann (Mitte) schaut sich die Holzprodukte an. Foto: Herbert Ehmann

Integration in Arbeitsstrukturen ist das, was Mike Ullmann als zentrales Ziel für die Menschen ohne festen Wohnsitz benennt, mit denen er im Wichernhaus und den über die Stadt verstreuten Wohngemeinschaften zu tun hat. Der 55-jährige Pforzheimer ist Sozialarbeiter, Sozialpädagoge sowie Sozialwirt. Nach Stationen in Ludwigsburg, Böblingen und Karlsruhe hat Ullmann in der Nachfolge von Gieso Wege Anfang April die Einrichtungsleitung des Sozialdiensts im Wichernhaus in der Westlichen 120 übernommen.

Jetzt im Frühjahr hat sich die Wohnsituation im Wichernhaus etwas entspannt. In der von der Stadtmission betriebenen Einrichtung sind längst nicht alle 31 stationären Plätze belegt. Die Männer, die dort wohnen, und die momentan einzige Frau sind an diesem sonnigen Vormittag in der Stadt unterwegs, oder bei der Arbeit. Ullmann, der seit vergangenem September im Wichernhaus beschäftigt ist, führt in ein zweites von der Stadtmission angemietetes Haus in der Durlacher Straße um die Ecke.

Neben Verwaltungsräumen ist dort eine große Holzwerkstatt eingerichtet mit Tischkreissägen, Hobelmaschinen und dazugehörigen Absauganlagen. Drei Männer werkeln unter Anleitung des Arbeitstherapeuten Stefan Weylo.

Waren werden im Online-Shop verkauft

Was hier fabriziert wird, wandert zum Verkauf in den Online-Shop des Wichernhauses: Igelhäuser, Nistkästen aus Lärchenholz, Kerzenständer, Wasserflaschenhalter sowie hochwertige Küchen-Schneidbretter gehören zu den Waren, die ganz professionell in Handarbeit entstehen.

„Ausschuss landet im Ofen“, verdeutlicht Ullmann, dass nicht jedes Produkt so perfekt ist und auch gar nicht sein kann. Denn wer hier arbeitet, hat schon viele kleine Schritte bewältigt, die es braucht, um in eine feste Tagesstruktur hineinzufinden. „Unsere Klientel ist in der Regel mit so vielen Problemen belastet, so dass der Weg oft das Ziel ist“, erklärt Ullmann.

In der Schreinerwerkstatt des Pforzheimer Wichernhauses: Links Leiter Mike Ullmann, neben ihm Arbeitstherapeut Stefan Wylo
In der Schreinerwerkstatt des Wichernhauses lernen Bewohner unter Anleitung von Stefan Wylo (rechts) einfache Arbeiten zu verrichten. Foto: Herbert Ehmann

Es sind Obdachlose, oder Menschen, denen der Verlust ihrer Wohnung droht und die Hilfe bei der langfristigen Lebensplanung benötigen. Meist müssen sie erst einmal zu Routineabläufen wie Aufstehen, Duschen, Zimmer sauberhalten motiviert werden und lernen, sich in eine Gemeinschaft einzufügen.

Arbeitsanweisungen anzunehmen und diese dann umzusetzen, stellt eine weitere Etappe dieses „Trainings von Strukturen“ dar. Die Arbeiten sind entsprechend niederschwellig ausgerichtet, ob in der Schreinerwerkstatt, beim Entrümpeln von Wohnungen oder in der Obstplantage in Bauschlott.

Niederschwellige Arbeiten sind essentiell

In der Regel werden die Menschen von der Diakonie, dem städtischen Sozialamt oder den Ordnungsämtern in Enzkreisgemeinden zum Wichernhaus mit seinem Rund-um-die-Uhr-Bereitschaftsdienst geschickt. Ullmann lobt die Kooperation mit den Behörden und spricht voll Anerkennung über die Arbeit innerhalb der Stadtmission: In jedem Bereich werde der diakonische Gedanke hochgehalten.

Zu den Hilfsangeboten gehören neben der stationären Hilfe Fachberatungen. „Wir helfen Menschen, die Probleme bei Amtsdingen haben.“ In den Beratungsgesprächen geht es um Themen wie Grundsicherung, Schulden, Rente, Suchtproblematik. Zwei der rund 25 Beschäftigten im Wichernhaus bieten regelmäßig Sprechstunden in den Enzkreisgemeinden an, oder suchen die Leute auch zu Hause auf. „Sie neigen dazu, sich zu verkriechen“, erläutert Ullmann. Niederschwellige Angebote seien hierbei essentiell.

Natürlich ist längst nicht jeder der Wichernhaus-Klientel therapierbar. „Manchmal begnügt man sich mit leichten Besserungen“, erklärt Ullmann. In der Schreinerwerkstatt gelingt es dem Arbeitstherapeuten Weylo, der auch Schreiner ist, im kollegialen Miteinander, herauszufinden, wo beim einzelnen die Probleme liegen. „Die Leute müssen sich hier nicht nackig machen.“ Zwei mal ist es ihm in den vergangenen Jahren auch gelungen, Leute in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln.

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