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Kommt Präzedenzfall vor Gericht?

Stadt Pforzheim verbietet Demos von Abtreibungsgegnern vor Pro Familia

Als erste deutsche Kommune könnte die Stadt Pforzheim eine rechtlich tragfähige Lösung im Umgang mit Protesten religiöser Abtreibungsgegner gefunden haben. Die Stadt hat die Demos in Sichtweite zur Beratungsstelle von Pro Familia verboten. Bislang mit Erfolg.

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IMAGE-426803 Foto: N/A

Pforzheim verbietet Demos von Abtreibungsgegnern vor Pro Familia: Als erste deutsche Kommune könnte die Stadt eine rechtlich tragfähige Lösung für den Umgang mit der religiösen Bewegung "40 Days for Live" gefunden haben. Von der Versammlungsfreiheit geschützt demonstrieren die religiösen Aktivisten aktuell wieder bundesweit vor Schwangeren-Beratungsstellen. Die Stadt Pforzheim hat das jetzt unterbunden. Bislang mit Erfolg.

Die Kundgebungen, die unter dem Motto „40 Days for Life“ vor Beratungsstellen für Schwangere geführt werden, finden zwei Mal im Jahr statt. Jeweils im Herbst und im Frühjahr versammeln sich strenggläubige Aktivisten für biblische 40 Tage vor Beratungsstellen, um zu den Öffnungszeiten mit Gebeten und Plakaten gegen Abtreibungen Flagge zu zeigen.

Demo nicht in Sichtweite erlaubt

Was zunächst einmal eine legitime Ausübung des Demonstrationsrechts ist, kollidiert möglicherweise mit den Persönlichkeitsrechten der Frauen, die sich beraten lassen wollen und die an den Aktivisten vorbeigehen müssen. Und hier setzten die Juristen der Stadt Pforzheim offenbar an. Müssen die Aktivisten notwendigerweise in Sichtweite von beratungssuchenden Schwangeren demonstrieren?

Stadt Pforzheim: Räumliche Verschiebung

Seit vergangenem Frühjahr ist nämlich auch Pro Familia in der Pforzheimer Parkstraße von den Kundgebungen betroffen – aus Sicht von Geschäftsführerin Edith Münch ein „demütigender Spießrutenlauf“ für Beratungssuchende. Die Situation belaste nicht nur die betroffenen Frauen, sondern auch die Mitarbeiter der ganzen Geschäftsstelle. Nachdem die Stadt vergangenen Herbst mit einem ähnlichen Vorstoß gescheitert war, hat sie nun einen neuen Anlauf unternommen und „eine räumliche Verschiebung der angemeldeten Versammlung von ,40 days for life’ verfügt“, so ein Sprecher.

Alternativstandorte nicht interessant

Demnach ist es den Aktivisten nicht mehr erlaubt, in Sichtweite zu der Beratungsstelle zu protestieren. Stattdessen wurden alternative Standorte angeboten, unter anderem der Marktplatz.

Dies soll gewährleisten, dass die betroffenen Frauen die Beratungsstelle ohne Angst betreten können. Bürgermeister Dirk Büscher: Wir wollen damit die psychologisch belastende Situation, die für die ratssuchenden Frauen entstehen könnte, vermeiden.“ Es sei ein Versuch, den Grundrechten aller Beteiligten gerecht zu werden. Allerdings sind diese Standorte für die Aktivisten offenbar nicht interessant.

Lob aus Frankfurt für Pforzheim

In manch anderen Kommunen wird beim Thema zumeist achselzuckend auf die komplizierte Rechtslage verwiesen und darauf, dass für Schutzzonen eine Gesetzesänderung vonnöten sei. Entsprechende Maßnahmen werden in der Politik auch schon diskutiert.

Ein solches mutiges Vorgehen wünschen wir uns auch von hessischen Kommunen.

Umso mehr wird das Vorgehen der Stadt Pforzheim von Betroffenen wohlwollend betrachtet. Etwa in Frankfurt am Main, wo die dortige Pro-Familia-Geschäftsführerin Yasmin Alinaghi mit Blick auf Pforzheim unlängst der „Frankfurter Rundschau“ sagte: „Ein solches mutiges Vorgehen wünschen wir uns auch von hessischen Kommunen.“

Rechtliche Schritte bislang nur angekündigt

Wie genau die Abtreibungsgegner auf die Anordnung reagieren, ist unklar, Anfragen von bnn.de beantworteten die Pforzheimer Aktivisten bislang nicht.

Fakt ist: Die Kundgebungen, die eigentlich am Aschermittwoch auch in Pforzheim hätten starten sollen, fielen bisher aus – zur Erleichterung der Mitarbeiter von Pro Familia. Auch an den von der Stadt angebotenen Alternativstandorten fanden bislang keine Kundgebungen statt.

Laut Verwaltung hatte eine Anmelderin allerdings „rechtliche Schritte“ angekündigt. Möglich wäre zunächst ein Widerspruch bei der Stadt oder ein Eilantrag beim Verwaltungsgericht Karlsruhe, womit die Gruppe bereits im vergangenen Jahr Erfolg hatte. Doch weder im Rathaus noch im Verwaltungsgericht ist bisher etwas eingegangen.

Bringt reguläres Verfahren Klarheit?

Wie der Vorsitzende Richter am Verwaltungsgericht Rolf Walz bnn.de sagte, habe das Gericht aus der Stadt Hinweise bekommen, dass die Aktivisten diesmal keine einstweilige Verfügung anstreben, sondern die Angelegenheit in einem regulären Verfahren geprüft haben wollen. Pforzheim könnte demnach zum Präzedenzfall in einem schwierigen Rechtsgebiet werden. Und zumindest bis Herbst hätte die Beratungsstelle erst einmal Ruhe.

Pro Familia

Ein Schwangerschaftsabbruch bleibt in Deutschland straffrei, wenn er in den ersten zwölf Wochen stattfindet und die Frau sich vorher in einer staatlich anerkannten Stelle hat beraten lassen, etwa bei Pro Familia. Die Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung wurde 1952 als gemeinnütziger nicht-staatlicher und nicht-konfessioneller Fachverband gegründet. Link: Website von Pro Familia Deutschland

40 Days for Life

Das Kampagnennetzwerk „40 Days for Life“ (40 Tage für das Leben) wurde 2004 in Texas gegründet und soll in mehr als 20 Ländern aktiv sein. In Deutschland wurden etwa auch in Frankfurt, Wiesbaden und Freiburg Mahnwachen abgehalten.  Link: Website von 40 Dasy for life

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