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Gesetz gegen Gehsteigbelästigung

Sind Proteste von Abtreibungsgegner vor Pforzheimer Pro Familia bald verboten?

Im Lauf des Jahres soll ein Gesetz gegen Gehsteigbelästigungen von Abtreibungsgegnern in Kraft treten. Pforzheims Rechtsamtsleiter hofft, dass es „genügend Zähne“ haben wird, um zu greifen.

Pro Familia in Pforzheim
Pro Familia ist in Pforzheim eine von zwei staatlich anerkannten Stellen zur Beratung im Schwangerschaftskonflikt. Das Team deckt aber noch viele weitere Aufgaben ab. Mit einem Banner setzte man vor einiger Zeit ein Zeichen gegen die Aktivisten von „40 Days for Life“. Foto: Birgit Metzbauer

Das Bundesfamilienministerium strebt ein Gesetz an, das sogenannte Gehsteigbelästigungen von Abtreibungsgegnern vor Arztpraxen und Beratungsstellen als Ordnungswidrigkeiten verbietet.

„Wir gehen davon aus, dass es im Lauf dieses Jahres in Kraft treten wird“, sagt ein Ministeriumssprecher auf Anfrage. Ende vergangenen Jahres habe die Länder- und Verbändebeteiligung stattgefunden, nun sei „zeitnah“ eine Kabinettsbefassung geplant, erklärt er dieser Redaktion.

Kabinett wird sich „zeitnah“ mit Gesetzentwurf befassen

Die entsprechende Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes befinde sich auf der letzten Etappe der parlamentarischen Beratungen, erklärte kürzlich die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, gegenüber der Ärztezeitung.

Die Pforzheimer Bundestagsabgeordnete kämpft mit ihrer Fraktion seit längerem für ein Demonstrationsverbot fundamentalistischer Abtreibungsgegner wie der Gruppe „40 Days for Life“ vor Praxen und Beratungsstellen.

Bei der Pforzheimer Pro Familia in der Parkstraße postieren sich die selbst ernannten Lebensschützer zweimal im Jahr für jeweils 40 Tage mit Plakaten und Roll-ups. Die nächste als „Gebetswache“ titulierte Aktion dürfte ab Aschermittwoch wieder stattfinden.

Mehrere juristische Auseinandersetzungen

Tritt das Gesetz in Kraft, so bedeutet das jedoch nicht zwangsläufig, dass die Gruppe von ihrem bisherigen Standort vertrieben werden kann. Sie steht während ihres Protests in gewissem Abstand, aber in Sichtweite zu Pro Familia. Dieser Umstand hat in den vergangenen Jahren zu mehreren juristischen Auseinandersetzungen zwischen der Stadt Pforzheim und den Aktivisten geführt. Zuletzt entschied das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zugunsten der Aktivisten.

Wir sind ausgesprochen gespannt auf das Gesetz.
Detlef Wagner
Rechtsamtsleiter

„Wir sind ausgesprochen gespannt darauf, wie das Gesetz aussehen soll, wenn die Aktion als Ordnungswidrigkeit geahndet wird – und ob wir es anwenden können“, sagt Detlef Wagner. Der Leiter des städtischen Rechtsamts gibt zu verstehen, dass der Teufel im Detail stecke bei der Ausgestaltung des Gesetzestexts und dessen Begründung.

Ein entsprechendes Gesetz müsse „genügend Zähne“ haben, meint Wagner, damit die Stadt die rechtliche Handhabe hat, um die Abtreibungsgegner an einen anderen Ort zu verfrachten. „Ich könnte mir vorstellen, dass wir dann eine der ersten Städte sind, die von dem Gesetz Gebrauch machen und es anwenden.“ Als Folge sähe er Pforzheim im Fokus einer Klage stehen. Schließlich sei davon auszugehen, dass die Abtreibungsgegner dagegen vorgingen.

SPD-Politikerin spricht von massiven Einschüchterungen

Das Gebaren der fundamentalistischen Abtreibungsgegner nennt SPD-Abgeordnete Mast abstoßend. Die als Mahnwachen getarnten Aktionen schüchterten ratsuchende Frauen und Beschäftigte massiv ein, kritisiert die Politikerin.

Das bestätigen die Mitarbeitenden von Pro Familia und weisen auf die mannigfaltigen Nöte von Frauen im Schwangerschaftskonflikt hin. Regina Arlt, Ärztin und Mitarbeiterin im Pro Familia-Team, empört sich, „als Christin über den Hochmut“ der Gruppe. „Jesus hat sich nie über andere erhoben“, sagt Arlt. Ihre Klientinnen fänden es unerträglich, dass sich eine Gruppe moralisch über sie erhebe, ohne ihre Lebenssituation zu kennen. „Für die Betroffenen ist das nicht hilfreich.“

Aus guten Gründen und meist schweren Herzens entschieden sich Frauen für einen Abbruch, führt Arlt aus.

In Pforzheim sind Pro Familia und die Schwangerenberatung der Diakonie die einzigen staatlich anerkannten Beratungsstellen. Und die Beratung im Schwangerschaftskonflikt deckt nur einen Teil der Aufgaben von Pro Familia ab. Arlt betont zudem, dass sehr viel mehr Bescheinigungen ausgestellt, als in der Folge Abbrüche vorgenommen würden.

Die entsprechende Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes mit der Regelung von Gehsteigbelästigungen ist im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung vorgesehen. 

Mehrere Etappen vom Entwurf bis zum Gesetz

Vom Gesetzentwurf bis zum Inkrafttreten sind mehrere Schritte erforderlich. Wenn sich das Kabinett mit der Gesetzesänderung befasst hat, steht der erste Durchgang im Bundesrat an. Darauf folgen laut Bundesfamilienministerium verschiedene Lesungen im Bundestag und schließlich der zweite Durchgang im Bundesrat, ehe das Gesetz verkündet wird. 

 

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