Skip to main content

Unmittelbar vor Saisonbeginn

Endgültiges Ende? Wieso die Gewichtheber des SC Pforzheim und des TV Feldrennach nicht mehr antreten

Bei den Gewichthebern beginnt die neue Wettkampfzeit. Warum sie diesmal ohne Beteiligung zweier Traditionsvereine aus Pforzheim und Feldrennach über die Bühne geht.

Kamil Kucera vom SC Pforzheim in Aktion
Immer mehr zum Kraftakt wird für Gewichthebervereine die Teilnahme am Rundenbetrieb. Der TV Feldrennach und der SC Pforzheim (hier mit Kamil Kucera) haben sich nun dazu entschieden, auf einen Start zu verzichten. Foto: Harry Rubner

Es ist ruhig geworden. Der letzte Beitrag, den die Gewichtheber des SC Pforzheim auf ihrer Facebook-Seite veröffentlicht haben, ist bald ein Jahr alt. Der letzte Eintrag beim TV Feldrennach datiert sogar vom November 2019. Dabei standen sich beide Gewichtheber-Vereine vergangene Saison in der Landesliga Mitte noch gegenüber.

Am Samstag fällt der Startschuss für die neue Wettkampfrunde. Diese wird allerdings ohne den Ex-Bundesligisten SC Pforzheim und den TV Feldrennach vonstattengehen.

Beide Vereine, das teilt der baden-württembergische Gewichtheberverband (BWG) mit, haben ihre Mannschaften zurückgezogen. Zunächst der SC Pforzheim, später dann auch der TV Feldrennach.

„Wir waren und sind derzeit stark unterbesetzt“, berichtet TVF-Abteilungsleiter Oliver Kling. In ihm, Lina Westermann, Valentin Beyer und Lukas Friedrich wären den Feldrennachern nur vier aktive Sportler zur Verfügung gestanden. „In dieser Unterbesetzung war es uns nicht möglich, weiter am Ligabetrieb teilzunehmen“, so Kling.

Vergangene Saison war für den SC Pforzheim noch positiv verlaufen

Ein paar Kilometer weiter östlich, beim SCP, hätten sie die erforderliche Anzahl von sechs Hebern vielleicht sogar irgendwie hinbekommen. „Die letzte Saison war ja auch gut, wir hatten eine tolle Mannschaft, es hat Spaß gemacht“, so der stellvertretende Abteilungsleiter Björn Bischoff rückblickend. Doch familiäre und berufliche Umstände bei einigen Protagonisten hätten nun dafür gesorgt, dass der Schuh doch ein wenig mehr drücke. „Und dann hätte das auch keinen Spaß gemacht“, so Bischoff.

Unstimmigkeiten zwischen dem SC Pforzheim und dem Verband

Erschwerend sei hinzugekommen, dass die Zusammenarbeit mit dem Verband in der Vergangenheit nicht immer problemlos gewesen sei. Dessen Strukturen, wird beklagt, seien längst nicht mehr zeitgemäß. Bischoff beschreibt das Miteinander diplomatisch als „mehr als ausbaufähig“.

Wenn wir rausfliegen, ist das Gewichtheben tot.
Florian Sperl
Präsident des Bundesverbands Deutscher Gewichtheber

Dass es generell um die Sportart mit der Langhantel nicht gut steht, ist kein Geheimnis. Der olympische Status ist akut gefährdet. Florian Sperl, Präsident des Bundesverbands Deutscher Gewichtheber (BVDG), sagte kürzlich gegenüber „Sport Inside“: „Wenn wir rausfliegen, ist das Gewichtheben tot.“

In Pforzheim und dem Enzkreis verschwindet Gewichtheben vorerst

In Pforzheim und dem Enzkreis wollen sie den Sport zwar noch nicht endgültig zu Grabe tragen. Zumindest für ein Jahr verschwindet er – von der einen oder anderen Einzelmeisterschaft einmal abgesehen – aber von der Bildfläche.

In Rheinland-Pfalz gehen pro Team vier Heber auf die Bühne

Dabei gebe es durchaus Lösungsansätze, um die Randsportart wieder attraktiver zu machen. So plädieren manche generell für weniger Wettkampf-Wochenenden. Oder wagen den Blick in andere Bundesländer. So würden in Rheinland-Pfalz, berichtet Björn Bischoff, seit geraumer Zeit nicht wie hierzulande Wettkämpfe mit sechs, sondern nur noch mit vier Hebern pro Team bestritten.

Beim SCP wünscht man sich ein höheres Maß an Flexibilität

Auch die Regelung, wonach maximal nur zwei ausländische Heber pro Mannschaft erlaubt sind, sehen einige als nicht mehr verhältnismäßig an. Bischoff wünscht sich daher von Verbandsseite aus ein höheres Maß an Flexibilität, um vor allem Menschen mit Migrationsanteil besser integrieren zu können. „Gerade in Pforzheim, wo wir doch einen hohen Ausländeranteil haben“, sagt er.

Die Leute stehen nicht in Zweierreihen da, um helfen zu dürfen.
Karsten Schüßler
BWG-Präsident

Beim BWG weiß man um die Sorgen. Um die der Sportart. Und jene der Vereine, denen es an Nachwuchs, an ehrenamtlichem Personal, an Aufmerksamkeit und an Unterstützung mangelt. „Die Leute stehen nicht in Zweierreihen da, um helfen zu dürfen“, sagt Präsident Karsten Schüßler.

Er berichtet aber auch von positiven Beispielen. Davon, dass es die Vereine, bei denen Mitarbeiter mit Herzblut bei der Sache seien, noch gebe. Als positive Beispiele führt er in der Landesliga Nord den AC Forst, zu dem die beiden Feldrennacher Viktor und Milena Zajcev zurückgekehrt sind, und den neuen Verein 100 Prozent Mannheim an. „Die sind heiß, haben wirklich viel Energie und ein hohes Engagement“, berichtet Schüßler.

Wenn man einen Hund zur Jagd tragen muss, macht das sicherlich keinen Sinn mehr.
Karsten Schüßler
zum fehlenden Engagement mancher Vereine

So einen Aufschwung müsse man nutzen. „Wir müssen unseren Sport attraktiver machen und zeigen, dass wir nicht im dunklen Kohle-Keller trainieren“. Man überlege durchaus, wie man andere Vereine wachrütteln könne. „Aber oft versucht man, zu rennen, da haben andere noch nicht einmal ihre Schuhe angezogen“, so der ehrenamtliche BWG-Präsident. Weiter führt er an: „Oft steht und fällt das Vereinsleben und Engagement mit einer Person. Und wenn man einen Hund zur Jagd tragen muss, macht das sicherlich keinen Sinn mehr.“

In Pforzheim und beim TV Feldrennach gingen lange Zeit der Vorsitzende Thomas Hartmann und Peter Weitmann bei den Hebern vorneweg. Nun ziehen beim SCP in erster Linie Abteilungsleiter Artur Herrmann und Björn Bischoff sowie beim TVF neben Weitmann auch noch Oliver Kling die Fäden.

Hebergemeinschaft zwischen SC Pforzheim und dem TV Feldrennach scheitert

Aufgrund ähnlicher Sorgen und Probleme hatte es zuletzt auch immer wieder Gedankenspiele über eine Fusion der beiden Gewichtheber-Abteilungen des SC Pforzheim und des TV Feldrennach gegeben. Doch auch diese Tür ist zu. „Wir haben eine Hebergemeinschaft vorgeschlagen, Feldrennach hat aber abgelehnt“, berichtet Bischoff.

Und so endet fürs Erste ein weiteres Kapitel in der regionalen Sportgeschichte in Pforzheim und dem Enzkreis. In der Vergangenheit waren bereits die Rugbyspieler des TV Pforzheim, 2016 deutscher Meister, aus dem Rampenlicht verschwunden.

Die Pforzheim Bisons schlittern künftig nur noch in der Landesliga auf ihren Kuven übers Eis. Und in Brötzingen und beim KSV Ispringen, 2018 Meister in der Deutschen Ringer-Liga, wird seit geraumer Zeit nur noch in den unteren Klassen um Punkte gekämpft.

nach oben Zurück zum Seitenanfang