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Mannschafts-WM in Südkorea

Tischtennis-Virtuose Timo Boll muss „nicht immer die erste Geige spielen“

Timo Boll ist nicht mehr der deutsche Leitwolf bei der Tischtennis-WM. Der Ex-Weltranglistenerste hat mit seiner neuen Rolle als Mitläufer kein Problem.

Der altgediente Leitwolf ist nur noch Mitläufer: Timo Boll hat als Ausbund an Bescheidenheit und Fairness aber kein Problem damit.
Der altgediente Leitwolf ist nur noch Mitläufer: Timo Boll hat als Ausbund an Bescheidenheit und Fairness aber kein Problem damit. Foto: Tom Weller/dpa

Die erste WM im tischtennisverrückten Südkorea ist auch aus deutscher Sicht verrückt: Vom 16. bis zum 25. Februar zählt das deutsche Herren-Quintett zwar wie seit knapp einem Vierteljahrhundert zu den ersten Medaillenanwärtern hinter den übermächtigen Chinesen. Aber Timo Boll ist nominell nur das fünfte Rad am Wagen. Der ehemalige Weltranglistenerste der Jahre 2003, 2011 und 2018 führt den Vizeweltmeister nicht mehr als herausragender Spieler an, sondern ist nach langer Verletzungspause noch gerade so in den Kader gerutscht.

Boll hat sich mit neuer Rolle „schon lange arrangiert“

Der 42-jährige Ausnahmespieler nimmt die ungewohnte Situation als Ausbund an Bescheidenheit und Fairness gewohnt gelassen hin. „Damit habe ich mich schon lange arrangiert. Ich muss nicht immer die erste Geige spielen“, betont der in die Jahre gekommene Tischtennis-Virtuose. Sein Düsseldorfer Mannschaftskamerad Dang Qiu hat ihm schon längst den Rang als Führungsspieler abgelaufen.

Der einzige deutsche Penholder-Nationalspieler Dang Qiu führt als Europameister das Quintett von Jörg Roßkopf bei der WM in Südkorea an.
Der einzige deutsche Penholder-Nationalspieler Dang Qiu führt als Europameister das Quintett von Jörg Roßkopf bei der WM in Südkorea an. Foto: Han Xu/XinHua/dpa

Der ehemalige Grünwettersbacher ist amtierender Europameister. Direkt hinter der Nummer elf auf dem Globus folgt Dimitrij Ovtcharov. Der 35-jährige „Dima“ hat in seiner Karriere sechs olympische Medaillen eingeheimst und steht damit sogar als Rekordmann vor sämtlichen Chinesen.

Bleiben noch im Team Benedikt Duda (Bergneustadt) und Patrick Franziska, der im Ranking auch schon die Nummer elf war. Der 31-jährige Saarbrücker hat bis auf wenige Top-Chinesen fast alle schon geschlagen. Selbst Duda liegt als 42. der Weltrangliste aktuell drei Ränge vor Timo Boll – aber das eigentlich nur, weil der Liebling der Fans „zähe Monate“ durchlebte und zu selten bei internationalen Turnieren Weltranglistenpunkte sammeln konnte.

Timo Boll kann man immer bringen, wenn er fit ist.
Dang Qiu
Tischtennis-Europameister

Dang Qiu bricht dennoch eine Lanze für seine Klubkameraden bei Rekordmeister Borussia Düsseldorf: „Timo kann man immer bringen! In Katar hat er jetzt bewiesen, wie gut er noch spielen kann, wenn er fit ist. Da sah jeder sein hohes Niveau“, verweist der Einzel-Europameister auf den letzten Turniersieg im Januar, als Boll im Finale in Doha den japanischen Weltranglistenneunten Tomukazu Harimoto schlug.

„Die Rolle in der Mannschaft ist von uns allen gleich, Platzierung im Ranking hin oder her. Alle wollen der Mannschaft helfen“, hält der einzige deutsche Penholder-Nationalspieler den Teamgedanken hoch und weiß sich hierbei einig mit Boll.

 Falls ich nicht spiele, sorge ich für gute Stimmung!
Timo Boll
Rekord-Europameister im Tischtennis

„Ich werde meinen Beitrag für das Team leisten“, verspricht der Odenwälder und schiebt nach, „falls ich nicht spiele, sorge ich für gute Stimmung! Ich bin sehr froh, solch gute Jungs in der Mannschaft zu haben.“

Bundestrainer Jörg Roßkopf freut sich über die Wahl „unter fünf gleich starken Spielern“

Dem pflichtet Bundestrainer Jörg Roßkopf allzu gerne bei und freut sich über die Qual der Wahl unter „fünf gleich starken Spielern. Timo ist nicht mehr die klare Nummer eins wie all die vielen Jahre“, räumt der Doppel-Weltmeister von 1989 ein, der selbst noch als Aktiver mit Boll an der Platte stand. Für ihn als Coach sei erfreulich, „dass wir immer jeden bringen können und so kaum ausrechenbar für die Gegner sind“. Die Rolle habe sich für den Rekord-Europameister nicht sonderlich geändert, unterstreicht „Rossi“: „Timo war schon immer ein ruhiger Typ, während ,Dima’ mehr puschte.“

Leichter Aufgalopp am Freitagmorgen gegen die USA

Vor dem leichten Aufgalopp am Freitag (9 Uhr MEZ) in Gruppe 2 gegen die USA gibt sich Roßkopf gewohnt ehrgeizig: „Natürlich wollen wir wieder eine Medaille. Wir wollen immer das Maximum erreichen, deshalb kämpfen wir um den Titel.

Trotz der bisher vergeblichen Anläufe ist es für uns ein Ansporn, den großen Favoriten China einmal zu schlagen.
Jörg Roßkopf
Tischtennis-Bundestrainer

Trotz der bisher vergeblichen Anläufe ist es für uns ein Ansporn, den großen Favoriten China einmal zu schlagen. Hinter China und Deutschland zählen Frankreich, Schweden, Japan, Taiwan und Gastgeber Südkorea zu den schlagkräftigsten Anwärtern auf einen Platz auf dem Treppchen.“ Das Viertelfinale ist für die Nummer zwei der Setzliste das Minimal-Ziel: Dann wären die deutschen Pingpong-Asse direkt für die Olympischen Spiele im Sommer qualifiziert.

Frauen-Team muss ohne Abwehr-Ass Han Ying auskommen

Die deutschen Frauen dürften ohne die verletzte weltbeste Abwehrspielerin Han Ying, die einst beim Bundesligisten TV Busenbach entdeckt wurde, kaum Platz drei von der WM 2022 wiederholen.

Hinter dem Topfavoriten China dürften der ewige Herausforderer Japan und Gastgeber Südkorea um die Silber- und Bronzemedaille spielen. Der Kader von Tamara Boros kann die WM immerhin locker angehen. Als Europameister ist die DTTB-Auswahl bereits für Paris qualifiziert.

Ohne eigene Fitness will Boll will keinem jungen Spieler Olympia-Ticket wegnehmen

Um einen der noch rareren Olympia-Startplätze zu ergattern, muss Boll in Busan auftrumpfen. Dann wäre der deutschen Fahnenträger von 2016 zum siebten Mal dabei. Aber auch wenn es um solche Rekorde geht, zeigt sich der 42-Jährige kameradschaftlich: „Es gibt nur noch wenige Empfehlungsschreiben für Paris“, weiß der die letzten Tage erkältete Odenwälder, dass Olympia bei der WM mitschwingt. „Ich will dort aber nur spielen, wenn ich das Gefühl habe, etwas erreichen zu können. Nur dabei zu sein, dafür möchte ich keinem den Platz wegnehmen!“ Dann gönne er lieber einem jüngeren Spieler die Erfahrung, der Olympia noch nicht erlebt habe.

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