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Rückblick auf 60 Jahre

Vom Herrmann-Kniff bis zum Dembélé-Wahnsinn: So wurde die Bundesliga zum Big Business

Das Milliarden-Geschäft Bundesliga fing einmal klein an. Heil war die Transfer-Welt schon damals nicht. Wie sich das Kicker-Business in sechs Jahrzehnten veränderte.

Männchen stehen auf einem Tipp-Kick-Spielfeld, auf und neben dem zahlreiche Geldscheine zu sehen sind.
Der Fußball hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zum Kick ums große Geld entwickelt. Foto: Markus Gilliar/GES

Natürlich, der Vergleich verbietet sich eigentlich, aber das Gedankenspiel hat doch seinen Reiz. Für das Geld, das die Bayern 2019 in Lucas Hernandez investierten – satte 80 Millionen Euro –, hätten sie sich seit Gründung der Bundesliga bis heute wöchentlich einen Peter Grosser leisten können.

Diesen hatten sie 1963 für gerade einmal 50.000 Mark (25.000 Euro) an den Stadtrivalen 1860 abgegeben. Höhere Ablösezahlungen waren vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) untersagt. Grosser gilt als erster Transfer der Bundesliga-Geschichte.

Heil ist die Transfer-Welt allerdings schon damals nicht. Die Clubs lassen sich allerhand einfallen, um die Obergrenze auszuhebeln. Der Karlsruher SC etwa gibt im Sommer 1963 neben dem kürzlich verstorbenen Nationalspieler Günter Herrmann auch den weitaus unbekannteren Ersatzmann Hans-Georg Lambert an Schalke 04 ab, um insgesamt 100.000 Mark einstreichen zu können.

Der DFB ahndet den Ablöse-Kniff mit einer Strafe von 10.000 Mark (5.000 Euro) und einem Abzug von vier Punkten für beide Clubs, was das Bundesgericht des Verbandes Monate später wieder kassiert.

Bosman-Urteil läutet eine Zeitenwende ein

Auch abseits von Transfers fließt in den ersten Jahren schon ordentlich Geld. Anfang der 1970er erschüttert ein Manipulationsskandal die Bundesliga: Mehrere Spiele werden durch die Zahlung von fünf-, teils sechsstelligen Beträgen verschoben.

Dass derlei Summen im heutigen Business als Peanuts gelten, daran hat ein Mann einen großen Anteil. Es ist ein klirrend kalter Dezembertag vor 28 Jahren, als auf dem Kirchberg in Luxemburg die schöne neue Fußballwelt zum Leben erwacht. Unfreiwillig wachgeküsst von einem gewissen Jean-Marc Bosman.

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das fortan untrennbar mit dem Namen des Belgiers verbunden ist, hebt die Kickerbranche aus den Angeln. Ablösezahlungen nach Vertragsende gehören seit jenem 15. Dezember 1995 ebenso der Vergangenheit an wie Limitierungen beim Einsatz ausländischer Spieler.

Dembélé-Transfer als vorläufiger Höhepunkt

Goldsteak-Selfies, unmoralische Angebote aus Dubai, siebenstellige Monatssaläre – ohne Bosman undenkbar. Dessen Solo vor Gericht hat auch für die Bundesliga Folgen. Ablösesummen schießen in die Höhe, Gehälter explodieren, Spieler und deren Berater sitzen plötzlich am längeren Hebel.

Der vorläufige Höhe- beziehungsweise Tiefpunkt: Knapp die Hälfte der 222 Millionen Euro, die Paris St. Germain für Neymar an den FC Barcelona überweist, fließt 2017 weiter nach Dortmund. Dafür, dass er den streikenden Ousmane Dembélé ziehen lässt, wird der BVB mit 105 Millionen Euro fürstlich entlohnt.

Schon wieder Dortmund. Die 129 Delegierten, die sich 55 Jahre zuvor im Goldsaal der Westfalenhalle zusammenfinden, haben von Goldsteaks noch nie etwas gehört. Beträge mit sieben, acht, neun Stellen vor dem Komma sind ihnen fremd.

Und doch begleitet sie ein mulmiges Gefühl, als sie am 28. Juli 1962 bei einem außerordentlichen Bundestag des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) grünes Licht für eine Liga mit Profispielern geben sollen.

Von den Bundesligaspielern wird „Ritterlichkeit“ verlangt

Und so bedarf es eines Kompromisses, um die Bundesliga nach einer jahrelangen Hängepartie endlich aus der Taufe zu heben. Erst als die Bezeichnung „Berufsspieler“ durch „Lizenzspieler“ ersetzt wird, findet sich die erforderliche Zweidrittelmehrheit.

Die Kicker dürfen auch weiterhin einem Zweitjob nachgehen, maximal 1.200 Mark (600 Euro) verdienen und sind laut Disziplinarordnung zu einem „sportlich einwandfreien Lebenswandel“ und zu „Ritterlichkeit gegenüber dem Gegner“ verpflichtet.

Abseits des Platzes geht es bereits damals nicht ganz so ritterlich zu. Nicht nur der KSC und Schalke 04 legen bei der Umsetzung von Transfergeschäften eine erstaunliche Kreativität an den Tag.

Friedhelm „Timo“ Konietzka von Borussia Dortmund in einem Spiel gegen den Karlsruher SC im Jahr 1963.
Friedhelm „Timo“ Konietzka von Borussia Dortmund in einem Spiel gegen den Karlsruher SC im Jahr 1963. Foto: Harry Flesch/dpa

1860 München, im Gegensatz zu den Bayern Gründungsmitglied der Bundesliga, lockt den Dortmunder Friedhelm „Timo“ Konietzka, Schütze des ersten Bundesliga-Tores, mit der Aussicht auf ein eigenes Papierwarengeschäft an die Isar. Nicht die einzige Kuriosität in 60 Jahren Bundesliga.

Und die Hertha kommt der Einsatz unerlaubter Handgelder auch sportlich teuer zu stehen: Der DFB verhängt im Sommer 1965 den Zwangsabstieg. Die Folge: Damit auch weiter ein Berliner Club erstklassig kickt, rückt Tasmania nach und avanciert trotz eines Auftakterfolges gegen den KSC zum schlechtesten Bundesligisten aller Zeiten.

Belgier Van Gool ist der erste Millionen-Mann

Nach dem Hertha-Skandal justiert der DFB nach und erweitert den finanziellen Spielraum für die Clubs. In der ersten Hälfte der 1970er-Jahre fallen dann sämtliche Obergrenzen weg.

Nachdem Paul Breitner bereits 1974 für drei Millionen Mark (1,5 Millionen Euro) von den Bayern zu Real Madrid gewechselt ist, blättert zwei Jahre später erstmals auch ein deutscher Club einen siebenstelligen DM-Betrag für einen Spieler hin. Der von Brügge nach Köln transferierte Belgier Roger Van Gool wird zum ersten Millionen-Mann der Bundesliga-Geschichte.

Roger Van Gool vom 1. FC Köln in der Saison 1977/1978.
Der Belgier Roger Van Gool wechselte 1976 für eine Million Mark zum 1. FC Köln. Foto: Werner Otto/imago images

Es sind Jahre, in denen die deutsche Eliteklasse immer mehr Zuschauer in ihren Bann zieht. In der Saison 1977/78 erreicht der Fanzuspruch mit einem Schnitt von knapp 26.000 ein Zwischenhoch, das den bisherigen Rekord von rund 27.000 in der Spielzeit 1964/65 nur knapp verfehlt.

Nach einem Tief in den 1980er-Jahren eilt die Liga nach 1990 von einem Rekord zum nächsten. 2011/12 fällt – bis heute zum einzigen Mal – sogar die 45.000er-Marke.

Ablösesummen: Das Ende der Berechenbarkeit

Stetig bergauf geht es bei den Fernsehgeldern. Zu den Anfängen Mitte der 1960er gehen die Rechte für 65.000 Mark (32.500 Euro) über die Ladentheke, Ende der 1970er sind sie dann bereits rund sechs Millionen Mark (drei Millionen Euro) wert. Den Clubs eröffnet dies neue Möglichkeiten.

Den ersten großen Preissprung bringt die Saison 1988/89 mit sich, als erstmals auch die Privatsender mitmischen. Und nach dem Bosman-Urteil stoßen die Summen für die Übertragungsrechte in ungeahnte Dimensionen vor.

Preisentwicklung der Bundesliga-Übertragungsrechte
Preisentwicklung der Bundesliga-Übertragungsrechte. Foto: BNN

Gleiches gilt für die Ablösezahlungen. Bevor jener Jean-Marc Bosman vor Gericht zieht, sind die Transfersummen zwar stetig gestiegen, aber noch immer berechenbar – im wahrsten Sinne des Wortes.

Die Formel, die allerdings nur bei einem Transfer nach Vertragsende gilt, geht so: Wie viel verdient der Spieler bei seinem derzeitigen Club? Wie hoch ist das Angebot für einen neuen Vertrag? Und wie viel würde der neue Verein zahlen? Aus diesen drei Zahlen wird der Mittelwert gebildet und mit einem speziellen Punktefaktor multipliziert.

Dieser hängt von der Wirtschaftskraft und vom sportlichen Erfolg des neuen Clubs ab. Hinzu kommt ein altersbedingter Zu- beziehungsweise Abschlag. Nach Bosman entfallen derlei Rechenspiele – und der Wahnsinn nimmt seinen Lauf. Fortsetzung: garantiert.

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