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Karlsruher Bundesanwaltschaft klagt an

Ab 21. Mai stehen die Reichsbürger-Putschisten vor Gericht

Heinrich XIII. Prinz Reuß und seine Mitverschwörer wollten einen Staat nach dem Vorbild des Deutschen Reiches von 1871 errichten. Nun wird ihnen in Frankfurt der Prozess gemacht.

Bei einer Razzia gegen sogenannte «Reichsbürger» führen vermummte Polizisten Heinrich XIII. Prinz Reuß zu einem Polizeifahrzeug.
Heinrich XIII. Prinz Reuß wollte nach dem Staatsstreich Staatsoberhaupt werden. Doch die Putschpläne flogen auf. Nun muss er sich vor Gericht verantworten. Foto: Boris Roessler/dpa

Die Putschisten sahen sich schon an der Macht. Und träumten vom großen Aufräumen nach der Bildung eines „Deutschen Reiches“ nach dem Vorbild des Kaiserreichs von 1871. Es fehlte nur noch das Signal zum Losschlagen.

„Es wird sich alles drehen: Die bisherigen Staatsanwälte und Richter sowie zuständigen Leiter der Gesundheitsämter samt Vorgesetzten werden sich bald auf der Anklagebank in Nürnberg 2.0 wiederfinden…“, schrieb einer der Verschwörer aus dem rechtsextremistischen Reichsbürgermilieu, die sich in der „Patriotischen Union“ zusammengeschlossen hatten, vielsagend auf „Telegram“.

Kabinettsliste lag fertig in der Schublade

Die Planungen für den Staatsstreich lagen im Herbst 2022 fertig in den Schubladen. Mit Waffen wollte die reaktionäre Gruppe, angeführt von dem damals 71-jährigen hessischen Unternehmer Heinrich XIII. Prinz Reuß, das Reichstagsgebäude stürmen und Abgeordnete kidnappen. Eine Kabinettsliste gab es auch schon.

Staatsoberhaupt sollte Prinz Reuß werden, die Berliner Richterin Birgit Malsack-Winkemann, die von 2017 bis 2021 für die AfD im Bundestag saß, sollte das Justizressort übernehmen, auch die Posten für das Gesundheits- und Außenressort waren bereits verteilt. Die von ihnen gebildete Übergangsregierung wollte danach mit den vier Siegermächten des Zweiten Weltkrieges über die Bildung einer neuen staatlichen Ordnung in Deutschland verhandeln. Maßgeblicher Verhandlungspartner sollte dabei Russland sein.

Doch statt an der Spitze des Staates landeten die Putschisten im Gefängnis. Am 7. Dezember 2022 wurden bei einem der größten Polizeieinsätze gegen Extremisten in Deutschland 25 Personen aus der Reichsbürgerszene festgenommen – in elf Bundesländern waren rund 3.000 Polizisten im Einsatz, zudem gab es Polizeiaktionen in Italien und Österreich.

Gut eineinhalb Jahre nach ihrem Auffliegen beginnt am 21. Mai vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt/Main der Prozess gegen neun Mitglieder der Reichsbürger-Gruppe, wie das Gericht am Dienstag mitteilte. Auf der Anklagebank sitzen die mutmaßlichen Rädelsführer. Neben dem Prinzen Reuß zählt dazu auch der mutmaßliche Anführer des militärischen Arms, der ehemals in Bruchsal und Calw stationierte Elitesoldat Rüdiger v. P.

Die in Karlsruhe ansässige Bundesanwaltschaft wirft ihnen vor, Mitglieder in einer terroristischen Vereinigung gewesen zu sein beziehungsweise eine terroristische Vereinigung unterstützt zu haben. Ziel dieser Vereinigung sei es gewesen, die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland gewaltsam zu beseitigen und durch eine eigene, bereits in Grundzügen ausgearbeitete Staatsform zu ersetzen.

Verbindungen zur Eliteeinheit KSK in Calw

Neben dem Prinzen Reuß und der Ex-AfD-Abgeordneten Malsack-Winkemann waren auch mehrere Männer mit Verbindung zu dem im Calw stationierten „Kommando Spezialkräfte“ (KSK) der Bundeswehr unter den im Dezember 2022 Festgenommenen.

So gehörte der frühere Bundeswehr-Oberst Maximilian Eder zum Kreis der Verschwörer. Er war als Stabschef am Aufbau des Sonderkommandos KSK beteiligt, wurde 2016 allerdings in den vorzeitigen Ruhestand verabschiedet. Er hielt sich zum Zeitpunkt der Polizeiaktion im italienischen Perugia auf und wurde im Februar 2023 nach Deutschland ausgeliefert. Er war während der Corona-Pandemie mehrfach in der Region bei sogenannten Querdenker-Demonstrationen aufgetreten.

An Waffen herrschte kein Mangel

An Waffen für den Coup d’etat herrschte kein Mangel. Etliche Mitglieder der Gruppe waren im Besitz eines Waffenscheines und besaßen somit legal Gewehre und Munition, einige frühere Bundeswehr-Angehörige werden verdächtigt, während ihrer Dienstzeit illegal Waffen beiseitegeschafft zu haben.

Nach Angaben der Bundesanwaltschaft hatte die Vereinigung „Zugriff auf ein massives Waffenarsenal“ mit rund 380 Schusswaffen, 350 Hieb- und Stichwaffen sowie 148.000 Munitionsteilen. Zudem hatte die Gruppe Satellitentelefone beschafft, um im Falle eines Ausfalls des Handynetzes sicher kommunizieren zu können.

In ihrer Anklageschrift wirft die Bundesanwaltschaft den Mitgliedern der „Patriotischen Union“ vor, „dass die geplante Machtübernahme mit der Tötung von Menschen“ verbunden gewesen wäre. So habe es „Feindeslisten“ mit den Namen von Funktionsträgern auf Bundes-, Landes-, Kreis- und kommunaler Ebene gegeben.

Zwei weitere Prozesse in Stuttgart und München

Neben dem Verfahren in Frankfurt/Main gegen die mutmaßlichen Anführer sind zwei weitere Prozesse gegen die Vertreter des militärischen Armes in Stuttgart sowie gegen weitere Mitglieder der „Patriotischen Union“ in München geplant. In Stuttgart müssen sich ab dem 29. April vor dem 3. Strafsenat neun Angeklagte verantworten. Ihnen wird zur Last gelegt, mit dem Aufbau eines deutschlandweiten Systems von insgesamt 286 militärisch organisierten „Heimatschutzverbänden“ begonnen zu haben.

Der Prozess ist bis Anfang Januar 2025 terminiert. Zu den Angeklagten gehört auch der aus Pforzheim stammende Ex-Soldat Marco v. H., der Kontakte zu einem ausländischen Geheimbund mit dem Namen „Allianz“ gehabt haben soll. Auf ein Signal dieser Vereinigungen wollten die Verschwörer um den Prinzen Reuß in Deutschland zuschlagen. Bei seiner Festnahme in Pfinztal-Wöschbach im Landkreis Karlsruhe kam es allerdings zu einer Panne. Das Sondereinsatzkommando stürmte erst die Nachbarwohnung, in der eine syrische Familie lebte.

Der Prozess vor dem Oberlandesgericht München gegen weitere sechs Männer und zwei Frauen beginnt am 18. Juni. Das Gericht hat 54 Verhandlungstermine festgesetzt, ein Urteil könnte nach dieser Planung am 23. Januar kommenden Jahres fallen. „Die Angehörigen der Vereinigung verband eine tiefe Ablehnung der staatlichen Institutionen und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“, so die Bundesanwaltschaft.

Korrektur

Dieser Artikel wurde korrigiert. Nicht Peter W., wie es in einer früheren Fassung hieß, sondern Marco v. H. wurde in Pfinztal-Wöschbach festgenommen.

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