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Auch Staatstheater dürfen jetzt solidarisch sein

Ausfallhonorare für Schauspieler: Stuttgart und Karlsruhe zahlen rund 350.000 Euro an Gastkünstler aus

Kein Engagement – kein Einkommen: Das gilt in der Coronakrise für etwa zwei Drittel der rund 15.000 Schauspieler in Deutschland. Immerhin gibt es nun Ausfallhonorare.

Jan Josef Liefers (r), Schauspieler (als Karl-Friedrich Boerne), und Axel Prahl, Schauspieler (als Frank Thiel), geben einem Fernsehteam vom WDR bei Dreharbeiten zum neuen "Tatort" aus Münster "Es lebe der König" vor Schloß Hülchrath ein Interview. Die Dreharbeiten für Filme und Serien in Deutschland haben sich verändert - wegen Corona. Innenmotive werden nach draußen verlagert. Beim Westdeutschen Rundfunk (WDR) werden für den «Tatort» Aufnahmen auf großen öffentlichen Plätzen gemieden und mit Orten ohne viel Publikumsverkehr getauscht. (zu dpa "Nur ein Ermittler im Verhörraum - Kniffs beim TV-Dreh in Corona-Zeit") +++ dpa-Bildfunk +++
Ausnahmesituation: Nur ein Bruchteil der rund 15.000 Schauspielerinnen und Schauspieler in Deutschland konnte seit Ausbruch der Coronakrise arbeiten wie hier Jan Josef Liefers (rechts) und sein Kollege Axel Prahl (Mitte) bei „Tatort“-Dreharbeiten. Foto: Rolf Vennenbernd picture alliance/dpa

Es war einer der deutlichsten Kritikpunkte in einer Alarmbotschaft des Bundesverbandes Schauspiel (BFFS), als dieser Ende Januar auf die höchst prekäre Situation freischaffender Theaterkünstler hinwies: Während Privat- und Tourneetheater für den coronabedingten Ausfall vereinbarter Vorstellungen zumindest teilweise (und mitunter vollständig) Ausfallhonorare gezahlt hätten, sei von den Staatstheatern wenig bis nichts gekommen.

Schauspieler trifft es besonders hart

Die mangelnde Solidarität wurde auch deshalb kritisiert, weil diese Berufsgruppe besonders schwer von den Auswirkungen der Coronakrise betroffen war. Bis vor wenigen Wochen waren freischaffende Darsteller nämlich durch alle Raster der Coronahilfen gefallen.

Dabei handelt es sich laut Einschätzung des BFFS um über 10.000 Personen: Von rund 15.000 Schauspielerinnen und Schauspielern in Deutschland, die es laut dem Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung gebe, seien 2.000 durch Festverträge über ganze Spielzeiten hinweg engagiert, 3.000 bis 4.000 könnten sich durch Drehtermine über Wasser halten. Für die verbleibenden zwei Drittel hingegen gab es keine Hilfsmodelle.

Unterstützungszahlungen für Solo-Selbstständige sind für sie nicht erreichbar, da sie in Gastspielverträgen als angestellt gelten. In die Sparte der „unständig Beschäftigten“ fielen sie aber auch nicht, da ihre Engagements – ob auf der Bühne oder beim Filmdreh – meistens mehrere Wochen umfassen und somit die dort vorgesehene Zeitspanne von höchstens einwöchigen Beschäftigungen überschreiten.

Gegen dieses Problem immerhin half die Öffentlichkeit, die der Bundesverband mit seiner Stellungnahme erreicht hatte: Schon während einer Online-Pressekonferenz am 20. Januar zu diesem Thema traf die Mitteilung ein, Kulturstaatsministerin Monika Grütters werde die Überbrückungshilfen nun auch für „kurz befristet Beschäftigte“ zugänglich machen.

Allerdings wurde die Frist hierfür auf die Monate Januar bis Juni 2021 festgelegt. Die neuneinhalb Monate des Jahres 2020, in dem seit Mitte März für zahlreiche Darsteller die Auftragslage komplett eingebrochen war, blieben außen vor.

Stuttgart und Karlsruhe zahlen rund 350.000 Euro an Gastkünstler aus

Nun liegt auch ein Statement hinsichtlich der Staatstheater in Baden-Württemberg vor. Bereits vor einigen Tagen hatte Kunststaatssekretärin Petra Olschowski in einer Online-Pressekonferenz zu Coronahilfen für die Kultur im Land erklärt, das Problem wurzele in der Vertragssituation: Ausfälle wegen einer Pandemie seien hierin schlichtweg nicht geregelt gewesen, weil niemand damit gerechnet habe.

Am Mittwochabend dieser Woche meldete das Kunstministerium nun, das Thema sei auch in der jüngsten Sitzung des Verwaltungsrates der Württembergischen Staatstheater Stuttgart besprochen worden. In der Mitteilung wird Kunstministerin Theresia Bauer zitiert, das Land habe „bereits im Juni 2020 auf Initiative des Kunstministeriums für seine beiden Staatstheater Rechtssicherheit geschaffen“. Die Staatstheater dürften Gastkünstlern und Gastkünstlerinnen, die von coronabedingten Betriebsverboten betroffen sind, Ausfallhonorare zahlen.

Ein wichtiges Signal der Solidarität in dieser schwierigen Zeit.
Theresia Bauer , Kunstministerin Baden-Württemberg

Die Städte Stuttgart und Karlsruhe, die die Staatstheater mitfinanzieren, hätten ebenfalls zugestimmt. Bisher hätten die Württembergischen Staatstheater rund 235.000 Euro Ausfallhonorare ausbezahlt, das Badische Staatstheater werde insgesamt rund 120.000 Euro an Ausfallhonoraren an Gastkünstlerinnen und -künstler ausbezahlen.

Das Karlsruher Haus teilte auf BNN-Anfrage mit, man habe ab vergangenem Sommer für ausgefallene Vorstellungen einerseits Auflösungsverträge geschlossen und ausbezahlt, mit anderen Gastkünstlern sei die Verschiebung ausgefallener Vorstellungen aus der Saison 2019/20 vereinbart worden. Da es bislang in der Saison 2020/21 aber aufgrund des zweiten Lockdowns kaum Vorstellungen gegeben habe, werde man hier erneut unter anteiliger Auszahlung der Gage die Verträge auflösen.

Die Auszahlung von Ausfallgagen nannte Ministerin Bauer „ein wichtiges Signal der Solidarität in dieser schwierigen Zeit für viele, die von diesen Gagen dringend abhängig sind. Die Staatstheater stehen auch in der Pflicht, ihre Vertragsgestaltung mit freien Künstlerinnen und Künstlern so anzupassen, dass coronabedingte Risiken abgesichert sind.“ Die Problematik „Ausfallhonorare“ sei dem Ministerium, Staatssekretärin Petra Olschowski und ihr selbst in den vergangenen Wochen vielfach begegnet in den zahlreichen Gesprächen mit den Kulturschaffenden.

Seitens der festangestellten Künstlerinnen und Künstler war bereits vor Monaten auf die Situation reagiert worden. So hatten Beschäftigte am Staatstheater Karlsruhe über die Plattform Gofundme seit November ausdrücklich für ihre freischaffenden Kolleginnen und Kollegen gesammelt, denen durch den Ausfall ihrer vertraglich vereinbarten Gastauftritte die Existenzgrundlage wegzubrechen drohte.

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