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Serienproduktion ab 2024

Daimler Truck feiert neuen E-Lkw für den Fernverkehr aus Wörth

Der eActros 600 soll 2024 in Wörth vom Band laufen. Daimler will mit ihm einen neuen Standard setzen, aber nicht alle Hindernisse sind dafür ausgeräumt.

eActros 600 Sattelzugmaschine
Ungewohnt leise und emissionsfrei rollt die eActros 600-Sattelzugmaschine von Daimler Truck seit diesem Jahr noch als Prototyp durch die Lande. Foto: Daimler Truck

Schon Wochen vor dem offiziellen Termin in der Lüneburger Heide stieg die Spannung im weltgrößten Lkw-Werk von Daimler Truck in Wörth.

An diesem Dienstag hat Mercedes-Benz Trucks auf dem Autohof Nordheide feierlich die Serienversion seines ersten batterieelektrischen Fernverkehrs-Lkw enthüllt: Der eActros 600 ist der erste schwere E-Lastwagen mit Stern. Sein Verkauf soll noch in diesem, seine Serienproduktion Ende kommenden Jahres starten.

Einblicke hinter den Vorhang im Daimler-Werk Wörth

Probeweise hatten die Verantwortlichen ein paar Tage vor dem als „Weltpremiere“ bezeichneten Event im Norden einen riesigen grauen Vorhang im Future Truck Center in Wörth gehoben. Dahinter blickte der „Neue“ mit komplett überarbeiteter Aerodynamik schnittig einer verschwiegenen Runde entgegen.

Der Vorhang in Wörth hatte noch ein klein wenig gehakt, was vielleicht der Aufregung geschuldet war. „Gänsehaut“ hatte Chefingenieur Michael Wolf nach eigenem Bekunden. Das Team hatte den Prototypen zuletzt im Winter im Norden und im Sommer im Süden durch Landschaften geschickt, Pässe hoch und runter gejagt – von Stuttgart nach Bozen in einem durch, bevor erstmals geladen wurde. 500 Kilometer Reichweite attestiert der Hersteller dem Mercedes-Benz eActros 600. Und „absolut geräuscharm“ sei er, sagt Wolf.

Probefahrt im Daimler-E-Lkw für Geräuschempfindliche

Im Fahrerhaus dieses E-Lasters ist es bei laufenden E-Motoren in der Tat ungewohnt leise, wovon sich auch ein Mitglied dieser Redaktion in Wörth bei einer Probefahrt überzeugen durfte. Die Ruhe bietet jetzt überhaupt erst die Möglichkeit, andere Geräusche wahrzunehmen. Was knarzt denn da? „Die Sattelkupplung“, meint Entwicklungsingenieur Jan Waldmann in einer Kurve. Ein Geräusch, das man in einem laut ratternden Verbrenner-Lkw wohl nie in Reinkultur zu hören bekommt.

Seit 2014 hatten Designer und Entwickler im Team von Dalibor Dudic und Stefanie Eßers bereits am Aussehen gearbeitet. Auch das Innere unterscheidet sich mit neuem Vierganggetriebe und zwei E-Motoren an der Hinterachse von den kleineren E-Actros-Vorgängern. Und immer wieder wurde an der Aerodynamik gefeilt. „Sie zählt bei den Elektrischen doppelt, um geringere Verluste zu haben“, lautet Dudics und Eßers Credo.

„Deutlich mehr“ als 1.000 Kilometer am Tag mit einmal Zwischenladen sei am Tag drin, verkündet der Hersteller – nach 4,5 Stunden Fahrzeit müsse der Fahrer ohnehin eine Pause machen, die zum Laden genutzt werden könne. Etwa 60 Prozent der Langstreckenfahrten von Mercedes-Benz Trucks Kunden in Europa seien kürzer als 500 Kilometer, so dass Ladeinfrastruktur auf dem Betriebshof sowie an den Be- und Entladestellen für diese Fälle ausreichend sei.

Karin Rådström, im Truck-Vorstand für die Marke Mercedes-Benz zuständig, spart nicht mit Superlativen: „Der eActros 600 steht für die Transformation des Straßengüterverkehrs hin zur CO2-Neutralität wie kein anderer Lkw mit Stern vor ihm.“ Er zeichne sich durch eine „hochmoderne Antriebstechnologie aus, die sehr hohe Energieeffizienz und damit Profitabilität“ bieten könne.

Bislang noch verschwindend geringer Marktanteil

Auch wenn der Neue den „Einstieg in die E-Mobilität für Flottenbetreiber besonders attraktiv“ machen soll – sehr viele Unternehmer haben sich bei den bislang am Markt befindlichen Fahrzeugen noch nicht für die E-Variante entschieden.

2022 blieben Diesel-Lkw mit einem Anteil von 96,6 Prozent an den Neuzulassungen vorherrschend in der EU, berichtete jüngst der Branchenverband Acea. Trotz erheblichen Wachstums machten E-Lkw demnach nur 0,6 Prozent aus. Die EU registrierte 2022 einen hohen Anstieg der Verkäufe von E-Lkw um fast ein Drittel mit 1.656 Einheiten, die Hälfte davon in Deutschland. Infolgedessen stieg der Marktanteil dieser Fahrzeuge laut Verband von 0,5 Prozent im Jahr 2021 auf 0,6 Prozent im vergangenen Jahr.

Das soll nun nach Rådströms Willen anders werden, der eActros 600 soll mit seiner namensgebenden Batteriekapazität von über 600 Kilowattstunden einen neuen Standard setzen. Langfristig werde die Ablösung der Mehrheit der Diesel-Lkw im Segment angestrebt, verkündet der Hersteller. Möglich machen soll das auch die neue, „besonders effiziente“ elektrische Antriebsachse aus eigener Entwicklung.

Deutlich höherer Anschaffungspreis bei E-Lkw

Das Fahrzeug ist technisch auf ein kombiniertes Gesamtzuggewicht von bis zu 44 Tonnen ausgelegt. Mit einem Standardauflieger hat der eActros 600 in der EU eine Nutzlast von etwa 22 Tonnen, dabei gehen rund 4,5 Tonnen auf die drei Batteriepakete zurück.

Ein schwerer Junge ist der neue E-Lkw aus Wörth auch bei den Anschaffungskosten. Rund zwei bis zweieinhalb Mal teurer als die Variante sei er, gesteht der Hersteller. Doch je nach Strom- und Dieselpreis sowie Mautsystem könne sich dies bald rechnen. In Frankreich und Deutschland etwa wirkten sich ein niedriger Strompreis beziehungsweise die geplante CO2-basierte Lkw-Maut „positiv auf die Betriebskosten batterieelektrischer Lkw aus“.

Die Rechnung des Konzerns: Der eActros 600 könne bereits innerhalb der durchschnittlichen Fahrzeug-Haltedauer von rund fünf Jahren beziehungsweise nach 600.000 Kilometern profitabler als ein Diesel-Fernverkehrslaster sein.

Bleibt der Haken mit der Infrastruktur: „Staatliche Förderung von E-Lkw und Ladeinfrastruktur stellt einen wesentlichen Hebel dar, um die Markthochlaufphase zu unterstützen“, meint der Hersteller. Doch gemeinsam mit Volvo und Traton hat Daimler Truck auch selbst Geld in die Hand genommen und ein Joint Venture für die Ladeinfrastruktur gegründet. Bald sollen erste Ladepunkte aus diesem Unternehmen bekannt werden.

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