Skip to main content

Immer mehr Varianten

Das zuletzt blühende Geschäft mit Adventskalendern wird schwieriger

Der Kommerz mit den Türchen nahm in den vergangenen Jahren rasant zu. Der Phantasie der Hersteller schienen keine Grenzen gesetzt – bis die Rezession kam.

ARCHIV - Zum Themendienst-Bericht vom 14. November 2022: Wer einen Adventskalender fürs Kind kaufen will, sollte einen Blick auf die Zutatenliste werfen. Oft fehlt nämlich der Hinweis auf einen Alkoholgehalt. Foto: Emily Wabitsch/dpa/dpa-tmn - Honorarfrei nur für Bezieher des dpa-Themendienstes +++ dpa-Themendienst +++
Längst nicht mehr nur mit Schokolade: Die Bandbreite an Adventskalendern ist genauso gewachsen wie ihre Preisspanne. Foto: Emily Wabitsch Emily Wabitsch/dpa/dpa-tmn

Seit Wochen stapeln sie sich in Einkaufsmärkten und Regalen von Online-Händlern, zuletzt mit fallenden Preisen: Vor dem 1. Dezember locken Adventskalender mit allen erdenklichen Füllungen die Kundschaft. Längst sind nicht mehr nur Kinder die Adressaten, die den Heiligabend nicht abwarten können.

Hinter den Türchen finden sich auch Tierfutter, Gewürze oder Veganes, bis hin zu Socken oder Liebesdingen für Paare. „Männersache“ oder „Do it yourself“ heißen gewisse Adventskalender – letzterer enthält Pflegeprodukte für Männer, die man nach dem Kauf noch selbst in Tütchen verpacken und bekleben kann – für rund 50 Euro.

Den Inhalten sind keine Grenzen gesetzt

„Die Adventskalender umfassen immer mehr Warenkategorien“, sagt Handelsfachmann Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU in Düsseldorf. „Erst die Süßwaren und dann Lebensmittel, Spielwaren und Beauty-Produkte, mittlerweile sind es auch Sexspielzeuge oder Haushaltswaren. Das wurde immer mehr“, sagt der aus Gernsbach stammende Wirtschaftsprofessor. „Wenn ein Unternehmen sieht, dass andere damit Erfolg haben, überlegt es sich natürlich auch, was es dazu machen kann.“

Die Konsumgüterindustrie reizt also aus, was geht und sich nur irgendwie bis 24 zählen lässt – eine mehrwöchige Werbefläche in den Privathaushalten und zusätzliche Umsatzchancen will sich kaum ein Handelsunternehmen entgehen lassen. Dazu kommt die tägliche Freude beim Aufmachen: „Schöne Momente schaffen, bei der die Überraschung der Liebsten im Vordergrund steht“, so bringt die Drogeriekette Rossmann den emotionalen Aspekt auf den Punkt.

Ausbau des Angebots

Konkurrent dm etwa bietet in diesem Jahr rund 40 Kalender zu verschiedensten Themen und aus unterschiedlichen Sortimentbereichen. Und auch bei Rossmann weiß man, wie lukrativ sich die einst nur auf Süßes abonnierten Pappaufsteller weiterentwickelt haben. „Vielfältige, kreative Adventskalender erfahren großen Zuspruch bei unseren Kundinnen und Kunden“, berichtet Geschäftsleiterin Sandra Lorenz. „Diesem Trend begegnen wir, indem wir das Angebot sowohl in unseren Rossmann-Märkten als auch im Onlineshop dahingehend ausbauen.“

Die Umsatzentwicklung gab dem immer breiter aufgestellten Geschäft mit den Papptürchen weiteren Aufschwung. Sie zeigte im vergangenen Jahrzehnt stets nach oben. 2018 lag der Umsatz mit Adventskalendern in Deutschland laut einer Erhebung der „Lebensmittel-Zeitung“ bei 98 Millionen Euro, neuere Zahlen liegen nicht vor. Fassnacht geht aber davon aus, dass der Höhepunkt beim Umsatz mittlerweile überschritten ist. „Durch die Rezession und die Kaufzurückhaltung ist der Peak bereits erreicht“, sagt der Handelsexperte.

Enttäuschte Erwartungen

Ein Selbstläufer ist der Adventskalender also nicht. „Sie müssen heutzutage mehr triggern, damit die Leute Geld ausgeben“, sagt Fassnacht.

Mit der Überraschung ist das dann allerdings manchmal so eine Sache. Vor allem, wenn die Erwartungen ob des Preises besonders hoch sind. „Geht gar nicht“, meckert „Manu“ auf der Homepage von Nivea. Fünf Handcremes und viermal Bodylotion in einem Männer-Kalender für rund 50 Euro, da gebe es doch mehr Auswahl.

Noch schlimmer traf es im vergangenen Jahr die Luxusmarke Chanel mit ihrem Adventskalender für mehr als 700 Euro. Dass sich hinter den Türchen im edlen Weiß auch Plastikarmbandbändchen und Aufkleber verbargen, löste einen regelrechten Shitstorm aus.

Neue Wortkreationen sollen Verkauf anheizen

Manche Hersteller versuchen, mit neuen Wortkreationen zu begeistern. Eine Seifenfirma hat einen „Bartventskalender“ auf den Markt gebracht, nebst diversen Bart-Ölen darf darin natürlich auch ein Whiskey- oder Gin Tonic-Duschgel nicht fehlen.

Überhaupt, der Alkohol. Der täglichen Zufuhr in der doch eigentlich einmal besinnlichen Adventszeit scheinen bald keine Türchen mehr im Wege zu stehen. Weit mehr als 800 Ergebnisse gibt es bei Amazon für Adventskalender mit Whisky, die Kosten: auch gerne mal dreistellig.

Mehr als 700 Kalender für Gin. Ein Hersteller freut sich über seine lustigen Sprüche auf den Flaschen, wie zum Beispiel „Lange Rede, kurzer Gin“ oder „BeGINliche Weihnachten“. Na dann, um es mit der zielgruppenspezifischen Ansprache eines Tierfutterproduzenten auszudrücken: Wunderbare Waunachtszeit und Miaunachtszeit!

nach oben Zurück zum Seitenanfang