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Sport

Mittelfristig kein Profi-Handball – eine Analyse des Standorts Karlsruhe

Der TSV Rintheim spielte 1969/70 seine erste Saison in der Handball-Bundesliga. Ein Jahrzehnt lang zählten die Rintheimer zu den besten Mannschaften Deutschlands, dann ging es bergab mit Handball in Karlsruhe. Eine aktuelle Bestandsaufnahme.

Die Schwarzwaldhalle war in den Siebzigerjahren Heimstätte des TSV Rintheim, der am 28. Januar 1979 mit Martin Redlinger (Mitte) gegen Jahn Gensungen einen 21:12-Kantersieg feierte – und später dennoch aus der Bundesliga abstieg.
Die Schwarzwaldhalle war in den Siebzigerjahren Heimstätte des TSV Rintheim, der am 28. Januar 1979 mit Martin Redlinger (Mitte) gegen Jahn Gensungen einen 21:12-Kantersieg feierte – und später dennoch aus der Bundesliga abstieg. Foto: Stahnke

Einmal angenommen, wir schrieben das Jahr 1970 und nicht 2020 und es fände gerade die Handball-Europameisterschaft statt. Ferner angenommen, David Schmidt wäre 1943 und nicht 1993 in Karlsruhe geboren – gut möglich, dass dann der TSV Rintheim einen in Ettlingen aufgewachsenen Spieler für den rechten Rückraum der deutschen Nationalmannschaft stellen würde statt wie derzeit der TVB Stuttgart. Bei den Schwaben steht der 26 Jahre alte Linkshänder Schmidt noch unter Vertrag.

Denn vor 50 Jahren war der Karlsruher Club noch ein Hotspot des Handballs. Er spielte seine erste Saison in der Bundesliga und sollte 1975 unter Trainer Wolf-Dieter Nagel – nicht zuletzt dank fünf Profis mit internationaler Erfahrung – zur dritten Kraft in der Bundesrepublik aufsteigen.

Im Halbfinale am VfL Gummersbach gescheitert

Erst im Halbfinale um die deutsche Meisterschaft musste sich der auf dem steinharten Boden der Schwarzwaldhalle schier unbesiegbare TSV dem VfL Gummersbach geschlagen geben. Erst im Pokal-Endspiel unterlagen die Rintheimer zudem Grün-Weiß Dankersen.

Doch dann ging's bergab: Für die 1977 eingeführte eingleisige Bundesliga konnten sich die Karlsruher nicht qualifizieren, spielten in der Saison 1978/79 aber nochmals im Oberhaus, ehe sie sich nach vielen Irrungen und Wirrungen 2005 in der Landesliga wiederfanden.

TSV Rintheim Tabellenführer der Landesliga Süd

Siebtklassig ist der TSV Rintheim auch heute, führt vor dem Rückrundenstart an diesem Samstag (20 Uhr) gegen die HSG Linkenheim-Hochstetten-Liedolsheim aber die Tabelle an. „Wir sind guter Dinge, dass wir den Aufstieg schaffen“, sagt Abteilungsleiter Olaf Hebel.

Es wäre ein erster Schritt auf dem ganz langen Weg zurück in die Zukunft. „Wir arbeiten daran, den Handball im Kreis Karlsruhe nach oben zu bringen. Die Fiktion ist, wieder höherklassig zu spielen. Träumen darf man“, gibt Hebel zu.

Er hat sich zum Fernziel gesetzt, dass die Fächerstadt keine Diaspora auf der Landkarte des Spitzenhandballs bleibt. Im Kinder- und Jugendbereich habe sich der TSV seit seinem Neustart in der Nachwuchsarbeit vor sechs Jahren schon wieder einen Namen gemacht, wie Hebel betont: „Der Zulauf ist gut. Wir haben das Glück, dass wir fast alle Jugendklassen besetzen konnten.“

Doch wenn es darum geht, die größten Talente auch über die C-Jugend hinaus zu binden, stoßen die Karlsruher Clubs an die Grenzen, weil sie ihnen keine sportlich attraktive Spielklasse bieten können.

David Schmidt von Ettlingen zu Junglöwen

Wie ehedem David Schmidt, der nach seinen Anfangsjahren bei der HSG Ettlingen-Bruchhausen in die Nachwuchsakademie des nordbadischen Platzhirschs Rhein-Neckar Löwen gewechselt war, so verließ auch Hebels Sohn Hendrik seinen Heimatverein.

Er schloss sich der SG Pforzheim-Eutingen an, mit deren A-Jugend er wie die Junglöwen in der Meisterrunde der Bundesliga spielt und deren erste Mannschaft Tabellenführer der Baden-Württemberg-Oberliga und erster Anwärter für den Aufstieg in die Dritte Liga ist.

Drittklassig und damit auf Halbprofi-Niveau spielen auch die TGS Pforzheim, die Junglöwen, die alten Rintheim-Rivalen HG Oftersheim/Schwetzingen, SG Leutershausen und die SG Nußloch.

Wenn Karlsruhe eine Chance haben will, ist mindestens die Baden-Württemberg-Liga ein Muss
Ex-Nationalspieler Marc Nagel

Trainer der allerdings insolventen Nußlocher ist Marc Nagel, der Sohn des früheren Rintheimer Erfolgscoachs. Der Ex-Nationalspieler sagt: „Wir sind hier in und um Karlsruhe eine Handball-Region. Aber wenn man im Spitzenbereich nicht stabil in der Dritten Liga dabei ist, wird es schwierig. Das Problem ist nicht, dass die besten Jugendlichen in der B-Jugend zu höherklassigen Vereinen wechseln, sondern dass sie nicht mehr zurückkommen. Wenn Karlsruhe eine Chance haben will, ist mindestens die Baden-Württemberg-Liga ein Muss. Bei stabilem Viertliga-Handball wird es sich dann auch nicht verhindern lassen, dass es hier irgendwann wieder Drittliga-Handball geben wird.“

TV Knielingen will in vierte Klasse aufsteigen

In die vierte Liga aufzusteigen, hofft der TV Knielingen. Die Mannschaft aus dem Karlsruher Westen hat dem TSV Rintheim, vor 20 Jahren immerhin noch Zweitligist, den Rang als Nummer eins der Stadt abgelaufen. Der TVK ist aktuell Spitzenreiter in der Badenliga.

„Als Mannschaft willst du immer maximalen Erfolg. Aber wenn es mit dem Aufstieg in die Baden-Württemberg-Oberliga wirklich klappen sollte, wäre das definitiv auch das Höchste der Gefühle. Vom Strukturellen und vom Finanziellen her wären wir ohne einen Gönner, der plötzlich aus dem Busch kommt, dann am Limit“, erklärt TVK-Spielertrainer Jochen Werling. Es ist das Geld, das auch im Handball ein kapitales Thema ist.

Sponsoren machen sich mitunter rar

„Wir haben keine Sponsoren, das ist unser größtes Problem“, meint Franz Schneider, der Vorsitzende des Handballkreises Karlsruhe. Doch die Misere auf fehlende Mittel zu reduzieren, sei falsch, widerspricht Nagel. „Das hat nichts mit Geld zu tun“, sagt der Lehrer am Otto-Hahn-Gymnasium. Pforzheim und Oftersheim seien Modelle dafür, was – im Gegensatz zu dem von der Dietmar-Hopp-Stiftung profitierenden Nachwuchs der Rhein-Neckar Löwen – mit geringen finanziellen Möglichkeiten erreicht werden könne.

Der Standort Karlsruhe mit dem KIT, an dem Handballer mit gutem Niveau in Mannschaftsstärke studierten, biete alles, was ein Drittligist brauche, einschließlich potenziellen Geldgebern: „Was fehlt, sind die Mannschaften.“ Mittelfristig wird es also vielleicht weitere Handballprofis aus Karlsruhe wie David Schmidt geben, aber keinen Profi-Handball.

TSV Rintheim

Als der damalige Südwestfunk im Jahr 1977 die 14-teilige Kult-Serie „Bier und Spiele“ ausstrahlte, spielten die Rintheimer Handballstars nicht mehr nur in der Fernsehproduktion von Michael Verhoeven eine Nebenrolle. Mangelnder Mannschaftsgeist, interne Querelen und andere negative Faktoren führten dazu, dass der DM-Halbfinalist und Pokalfinalist von 1975 in die 1977 eingeführte eingleisige Bundesliga keine Aufnahme fand.

Nach sieben Jahren Erstklassigkeit war das Kapitel Bundesliga für eine Saison unterbrochen, nach einem weiteren Auf- und direktem Wiederabstieg 1979 beendet.

Auch die Hallenmisere trug zum Niedergang bei. Weil die Schwarzwaldhalle oft für andere Veranstaltungen gebucht war, mussten die Rintheimer ihre Heimspiele auch in Bruchhausen, Wörth oder gar Eppelheim austragen. Als dann im Jahr 1983 die Europahalle eröffnet wurde, war der Handball-Hype längst passé.

Immerhin organisierte der TSV ab 1984 noch Neujahrsturniere mit Beteiligung ausländischer Mannschaften, wie sie die Turnerschaft Beiertheim in den Fünfzigerjahren veranstaltet hatte. Zudem wurden Länderspiele in der Europahalle ausgetragen und mischte der TSV immerhin noch von 1988 bis 1996 in der Zweiten Bundesliga mit.

Doch dann war es vorbei mit hochklassigem Handball in Rintheim, wo sich ab 1968 die besten Spieler Karlsruhes zusammengefunden hatten – und auch vorbei in der Fächerstadt, wenngleich die Rhein-Neckar Löwen in den Jahren 2008 bis 2010 noch einige Europapokalspiele in der Europahalle austrugen.

Mittlerweile ist der TSV Rintheim unter Abteilungsleiter Olaf Hebel aber wieder die Nummer eins im Handballkreis Karlsruhe – bei den Frauen. Das Team von Trainer Dennis Estedt kämpft als Aufsteiger um den Klassenverbleib in der Badenliga.

Die von Markus Elsner trainierten Männer sind derweil Spitzenreiter der Landesliga. Die Nach-Nach-Nachfolger der Bier-und-Spiele-Fernsehstatisten spielen aber auch in Karlsruhe längst nicht mehr die Hauptrolle. Der TV Knielingen, Tabellenführer der Badenliga, löste schon vor mehr als 20 Jahren den TSV als erste Adresse des Karlsruher Handballs ab.

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