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Mehrheitsentscheidung

Egon-Eiermann-Gesellschaft in Karlsruhe beschließt überraschend ihre Auflösung

Die Egon-Eiermann-Gesellschaft in Karlsruhe pflegt die Erinnerung an den wohl bedeutendsten Architekten der Nachkriegszeit. Jetzt hat sie überraschend ihre Auflösung beschlossen. Hinter den Kulissen ist es offensichtlich nicht immer freundlich zugegangen.

Villa Eiermann
Die Villa Eiermann in Baden-Baden baute Egon Eiermann für sich und seine Familie. Dort lebte der Karlsruher Architekt von 1962 bis zu seinem Tod 1970. Foto: Ulrich Coenen

Die Egon-Eiermann-Gesellschaft hat ihre Auflösung beschlossen. Laut Informationen dieser Redaktion fiel dieser Beschluss auf der nicht öffentlichen Mitgliederversammlung vor Weihnachten in der Fakultät für Architektur des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Dort ergab sich die notwendige Mehrheit der Versammlungsteilnehmer für diesen Schritt.

Egon Eiermann prägte mehrere Generationen Architekten in Karlsruhe

Die Vorsitzende Judith-Weinstock-Montag, eine Architektin aus Berlin, bestätigte auf Anfrage dieser Redaktion den Beschluss der Mitgliederversammlung, wollte aber zu Details keine Auskunft geben. Üblicherweise sind nach einer solchen Entscheidung weitere juristische Schritte notwendig. Der Verein muss beispielsweise aus dem Vereinsregister gelöscht werden.

Die Auflösung der angesehenen Gesellschaft mit Sitz in Karlsruhe, der für die Öffentlichkeit völlig überraschend kommt, hat eine lange Vorgeschichte. Die Eiermann-Gesellschaft wurde 1997 in Karlsruhe gegründet. Die Initiative ging dabei unter anderem von Eiermann-Schülern aus. Egon Eiermann, der wohl einflussreichste Architekt der Nachkriegszeit in Deutschland, war von 1947 bis zu seinem Tod 1970 Professor an der Architekturfakultät des heutigen KIT. Dort hat er mehrere Generationen von Architekten ausgebildet, die mit ihrer Arbeit die Architektur in Baden jahrzehntelang geprägt haben.

Der Architekt Egon Eiermann (undatiertes Archivfoto). Er war Schöpfer der Berliner Gedächtniskirche, des berühmten Klappstuhls "SE 18" und einer der wichtigsten Impulsgeber des modernen Bauens im Nachkriegsdeutschland - am 29. September wäre Eiermann (1904 - 1970) 100 Jahre geworden. dpa/lsw (zu dpa-Korr.: "Vorzeige-Architekt der jungen Demokratie - Egon Eiermann wäre 100" vom 28.09.2004 - nur s/w) +++ dpa-Bildfunk +++
Egon Eiermann lehrte von 1947 bis 1970 als Professor am heutigen KIT. Foto: dpa picture-alliance / dpa/dpaweb

Laut Satzung setzt sich der Verein für die Bewahrung des Lebenswerkes von Egon Eiermann ein, insbesondere für den Erhalt der von ihm entworfenen Bauwerke. Der Satzungszweck sollte durch die Durchführung von wissenschaftlichen Veranstaltungen, die Finanzierung von Forschungsvorhaben und die Pflege von Kunstsammlungen verwirklicht werden.

Dass es dabei nicht immer konfliktfrei zugegangen ist, berichtet ein Vereinsmitglied, das namentlich nicht genannt werden möchte. Die Schüler der verschiedenen Generationen seien sich nicht immer grün gewesen, so die Aussage.

Eiermanns zweites Werk in Offenburg: Das neue Verwaltungsgebäude für Stahlbau Müller wurde zu Beginn der 1960er Jahre gebaut.
Das Verwaltungsgebäude für Stahlbau Müller in Offenburg wurde zu Beginn der 1960er Jahre von Egon Eiermann gebaut. Foto: Ulrich Coenen

Ein anderes Mitglied berichtet, dass einige Mitglieder die Bereitschaft gezeigt hätten, den Verein weiterzuführen. Allerdings habe die Abstimmung das erforderliche Quorum für die Auflösung ergeben.

Entscheidend für den Beschluss zur Auflösung sind offensichtlich zwei Faktoren. Es hätten sich nach Auskunft von anwesenden Mitgliedern keine Interessenten gefunden, die die Vorstandsarbeit fortsetzen wollten. Außerdem sei der Verein inzwischen überaltert, obwohl es immer wieder Neu-Eintritte gegeben habe.

In jüngerer Vergangenheit haben Konflikte mit den Eigentümern von denkmalgeschützten Gebäuden des Architekten dazu geführt, dass Neumitglieder zum Teil auch relativ schnell wieder ausgetreten sind.

Zwei Sanierungen in Baden-Baden und Offenburg sorgen für Missstimmung

Streit gab es vor allem um die Sanierungen der Villa Eiermann in Baden-Baden und des Verwaltungsgebäudes von Müller Stahlbau in Offenburg. Thomas Nitschke und Heiner Oppermann haben die Villa Eiermann, die viele Jahre lang vernachlässigt wurde, 2020 erworben und in Abstimmung mit den Denkmalbehörden der Stadt und des Landes nach Plänen von „No W here Architekten“ (Stuttgart) sanieren lassen.

Die Baden-Badener Stadtkonservatorin Nicole Schreiber hat diese Sanierung im Interview mit dieser Redaktion 2021 ausdrücklich gelobt. Im vergangenen Herbst wurde diese Sanierung deshalb für den renommierten Preis des Deutschen Architekturmuseums (DAM-Preis) nominiert und sowohl in die Longlist als auch in die Shortlist aufgenommen.

Noch größer war der Konflikt in Offenburg, nachdem der aus Bühl stammende Architekt Jürgen Grossmann das Verwaltungsgebäude von Müller Stahlbau nach der Insolvenz des Unternehmens erworben hat. Er saniert das denkmalgeschützte Gebäude, das sich in einem schlechten Zustand befindet, und ergänzt es auf dem Gelände der ehemaligen Kantine durch einen zweiten Büroturm. Trotz der Zustimmung der Denkmalbehörden und des Gestaltungsbeirats kam es zu erheblichen Meinungsverschiedenheiten.

Die Vorsitzende Judith Weinstock-Montag schrieb vor zwei Jahren an die Stadt Offenburg: „Nach den uns zugänglichen Projektunterlagen sind wir in großer Sorge und auch der Meinung, dass die geplanten Bau- und Sanierungsarbeiten, insbesondere die baulichen Anbindungen des Neubaus an den bestehenden denkmalgeschützten Bau, das Maß der Verträglichkeit und auch des rechtlich zulässigen überschreiten.“ Grossmann reagierte verärgert. „Ich habe die Vorschläge des Offenburger Gestaltungsbeirats aufgegriffen“, berichtete er 2021 gegenüber dieser Redaktion. „„Wir werden die komplette Eiermann-Fassade erhalten.“

Inzwischen ist der Neubau weit fortgeschritten und soll in diesem Jahr seiner Bestimmung übergeben werden.

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