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Hilfsbereitschaft und Angst

Für die Erdbebenopfer: Türken und Deutsche helfen in Ettlingen Hand in Hand

Beim Türkisch-Islamischen Kulturverein in Ettlingen ist nichts mehr, wie es war. Hilfsgüter stapeln sich bei der Moschee, Berichte aus der Türkei erschüttern. Wie die Menschen helfen und bangen.

Helfer stapeln in den Räumen der Moschee Kisten mit Hilfsgütern für die Türkei
In den Räumen der Ettlinger Mevlana-Moschee stapeln sich die Kisten mit Hilfsgütern, die dann ins Erdbebengebiet gebracht werden. Foto: Rainer Obert

Es geht zu wie im Taubenschlag: Menschen gehen ein und aus, Kartons, Kisten, Taschen und Tüten mit Hilfsgütern stapeln sich in den Räumen der Ettlinger Mevlana-Moschee in der Rheinstraße. „Was braucht ihr noch?“, ruft eine Ettlingerin, die gerade mehrere Taschen mit Frauenkleidung für die Erdbebenopfer in der Türkei und Syrien hereingetragen hat. Seyma Kanbur von der Jugendgruppe des Türkisch-Islamischen-Kulturvereins sortiert mit zahlreichen Helferinnen seit Stunden an diesem Mittwoch.

Die Krankenhäuser sind dort voll mit Kindern.
Seyma Kanbur, Jugendgruppe Mevlana-Moschee

Seit dem Spendenaufruf steht hier an der Moschee die Tür den ganzen Tag offen, ständig werden Kisten gebracht. „Vieles ist unsortiert“, erklärt Seyma Kanbur. Die 21-Jährige begutachtet. „Kindernahrung kommt separat, Decken separat.“ Babysachen wie Flaschen, Schnuller, Windeln werden gepackt für den Transport. „Die Krankenhäuser dort sind voll mit Kindern. Keiner weiß, wo die Eltern sind.“

Hilfsgüter für Erdbebenopfer werden an die Mevlana-Moschee in Ettlingen gebracht
Hilfe für die Erdbebenopfer: An der Moschee in der Ettlinger Rheinstraße kommen Spenden an, über die Katastrophe wird diskutiert. Foto: Rainer Obert

Viele warten noch auf ein Lebenszeichen

Tausende Tote, und die Berichte aus dem Katastrophengebiet machen betroffen und sprachlos. Der Sohn des ehemaligen Imam der Ettlinger Gemeinde habe zum Zustand der 200.000-Einwohner-Stadt Hatay berichtet: „Die Stadt gibt es nicht mehr.“ Jessica Güler ist noch geschockt. Ihr Mann habe Mutter und Vater in der betroffenen Region. „Wir haben ein Lebenszeichen. Zum Glück.“

Gerade freut Seyma Kamburg sich über viele gespendete Baustellenjacken – für die Arbeit in den Trümmern. Dann wird sie wieder nachdenklich. Es sei schlimm. „Wenn man telefoniert und die Kinder schreien und sie können sie nicht beruhigen, weil sie nichts zu essen haben.“ Die eigenen Probleme hier würden so klein dagegen. Sie hat daheim aussortiert. „Ich habe fünf Decken daheim – die brauchen wir doch gar nicht!“

Ich bete, dass man meine Cousine lebend findet.
Tülay Bogazköy, Türkin aus Ettlingen

„Meine Cousine wurde verschüttet“, berichtet die Ettlingerin Tülay Bogazköy. „Ich bete, dass man meine Cousine lebend findet.“ So geht es auch Seher Conzen, Ettlinger Gesamtelternbeiratsvorsitzende. „Ich bin total durcheinander.“ Cousins und Cousinen werden vermisst. „Den Menschen wurde innerhalb von Sekunden alles genommen, viele mussten in Autos übernachten.“

Frauen sortieren Hilfsgüter im Vorraum der Mevlana-Moschee in Ettlingen
Durchschauen und sortieren: Die Helferinnen stehen vor einem Berg von Kisten – deren Inhalt soll den Erdbebenopfer in der Türkei helfen. Foto: Rainer Obert

Gerade fährt ein blauer Lkw von Bardusch vor. „Das ist neue Babykleidung, Erstausstattung. Die hatten wir auf Lager“, so Volkan Celikten. Beim Ettlinger Textildienstleister hat die Katastrophe nicht nur beim stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden bewirkt, dass man helfen will.

Grünes Licht kam schnell aus der Chefetage. „Ich habe selbst ein Erdbeben erlebt“, erzählt Celikten. 1999 am Marmarameer. „17.000 Menschen kamen um.“ Das sei aber im Sommer gewesen, im Erdbebengebiet ist es aktuell bitterkalt.

Spenden für Erdbebenopfer in der Türkei: Im Golfclub wird die Werbetrommel gerührt

„Da muss man helfen.“ Detlef van Burgeler hat schnell reagiert. Statt zu verkaufen, werde verschenkt: „Ich hatte viele Sachen bei Ebay zum Verkauf eingestellt, das habe ich alles rausgenommen und hierher gebracht.“ Er habe auch bei seinem Golfclub Hofgut Scheibenhardt für Spenden geworben. „Da sind ja durchaus Leute dabei, die einiges haben.“ Teils sei die Geldspende die bessere Spende.

Ein Transporter der Firma Bardusch bringt Babykleidung für einen Hilfstransport in die Türkei
Babykleidung von Bardusch: Ein Transporter des Ettlinger Textildienstleisters bringt Erstausstattung für Babys für die Hilfstransporte ins Erdbebengebiet. Foto: Rainer Obert

Es ist eine Welle der Solidarität, die auch hier an der Ettlinger Moschee anbrandet. In der Nachbarschaft hat auch die Alevitische Gemeinde in Rheinstetten eine Spendenaktion angeschoben, auch dort mit riesiger Resonanz.

Doch die ganzen Hilfsgüter müssen transportiert werden. In Ettlingen war eigentlich vorgesehen, bis Donnerstag 22 Uhr zu sammeln, doch wird bereits an diesem Mittwoch ab 13 Uhr vorerst nichts mehr angenommen.

Transport ist eine logistische Herausforderung

„Wir haben mit den anderen Ditib-Moscheen Kontakt“, so Seyma Kanbur von der Ettlinger Ditib-Jugend. Ditib meint übersetzt die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion. Die ersten Fuhren mit Hilfsgütern seien mit Transportern nach Schwetzingen gegangen und dort auf große Lkw verladen worden. Ein Umschlagplatz sei auch in Germersheim und Bruchsal. Sprinter für die Hilfsaktion habe man über Beziehungen von Ettlinger Dönerladen-Betreibern organisiert.

„Es muss auch ankommen in der Türkei.“ Das tue es. Die deutschen Moscheen sind verknüpft mit denen in der Türkei, diese wiederum mit den Konsulaten. Es sei durchgedrungen, dass es an der ungarischen Grenze schnell Probleme geben kann. „Die Papiere müssen stimmen“, wenn es durch viele Länder Richtung Katastrophengebiet geht.

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